
Außenminister zu sein, war in Deutschland lange einer der schönsten politischen Jobs. Man war meist der beliebteste Politiker der jeweiligen Koalition, international ein gefragter Gesprächspartner und konnte sich aus der Innenpolitik weitgehend heraushalten. Das ist vorbei: Aktuell lässt sich das Arbeitsfeld eines deutschen Außenministers auf den Dreiklang bringen: von Trump herumgeschubst, von Putin provoziert und von Netanjahu eiskalt missachtet. In dieser Gemengelage als der deutsche Chefdiplomat in einer Talkshow examiniert zu werden, ohne sich aufs Glatteis locken zu lassen oder nur nichtssagende Floskeln von sich zu geben, ist keine leichte Aufgabe. Bei „Caren Miosga“ hat Johann Wadephul sie in zwei von drei Fällen ganz gut gemeistert, beim dritten Thema hat er sich dagegen verhalten wie jemand, der barfuß durch ein Distelfeld laufen muss: gaaanz vorsichtig.
Wadephul ist zunächst der einzige Gast und es ist klar, dass Miosga ihn mit Donald Trump piesackt. Wadephul musste bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen die wirren Tiraden von Trump über sich ergehen zu lassen. Die Fotos, die es davon gibt, sprechen Bände, es ist eine Mischung aus Angewidertsein und Entsetzen. Miosga spielt ein paar Sequenzen der Trump-Rede vor und zeigt dann das Foto von Wadephul. „Haben Sie geguckt, wie sie gucken?“, fragt sie den Minister. „Das ist konzentriertes Zuhören“, antwortet Wadephul, ohne die Miene zu verziehen.

:Ohne meinen Chef sag ich nichts
Seit vier Monaten ist Johann Wadephul im Amt, und seine Mission könnte nicht komplizierter sein: Außenpolitik zu machen, obwohl Friedrich Merz die ganz gern selbst macht. Unterwegs mit einem Minister, der es vor allem einem recht machen muss.
Auch als Miosga, nachdem sie eklatantesten Lügen der Trump-Rede aufgezählt hat, von Wadephul wissen will, ob das „ungute Verhältnis zur Wahrheit“ des US-Präsidenten für ihn ein Problem sei, spricht Wadephul lieber davon, dass er in New York auch öfter mit US-Außenminister Rubio gesprochen habe, das sei „ganz auf der Linie gewesen, wie wir die USA kennen und uns auf sie verlassen können“. Auch auf die Frage, ob ihn die innenpolitischen Vorgänge in den USA besorgten und er Trump für einen lupenreinen Demokraten halte, bleibt Wadephul ganz der Chefdiplomat. Ihn besorge manches, aber er glaube nicht, dass der deutsche Außenminister hier Zensuren erteilen solle. Was er wirklich denkt, macht er dann am Schluss des Trump-Kapitels auf ziemlich elegante Weise deutlich. Sie halte fest, dass Wadephul auf die Frage, ob Trump ein Demokrat sei, keine eindeutige Antwort gegeben habe, resümiert Miosga. Wadephul hätte das jetzt zurückweisen oder irgendeinen Schmonzes erzählen können. Stattdessen bescheinigt er der Moderatorin, sie habe das korrekt zusammengefasst.
Bei Thema Russland wird die Runde um den Journalisten Christoph von Marschall vom Tagesspiegel und die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer von der Bertelsmann-Stiftung erweitert. Und für Wadephul ist es der einfachste Teil der Sendung. Denn die drei sind sich im Kern weitgehend einig: Russland teste mit seinen ständigen Provokationen die Nato, man befinde sich einem Zustand, der kein Frieden mehr sei, aber auch noch kein Krieg und Deutschland müsse bei der Drohnenabwehr gewaltig nacharbeiten. Wadephul nennt es eine „Aufholjagd“. „In der Tat, wir müssen Gas geben“, sagt er. Als ihn Marschall angesichts der russischen Bedrohung auffordert: „Reden Sie offener mit den Menschen“, applaudiert das Studiopublikum.
Wadephul windet sich beim Gaza-Krieg raus. Lange wird er das nicht mehr tun können
Schwierig wird es dann für Wadephul beim Thema Gaza-Krieg. Die beiden Experten sind sich nicht einig über den Schritt wichtiger Länder wie Frankreich, Großbritannien, Kanada und Australien, Palästina in der jetzigen Lage als Staat anzuerkennen. Schwarzer findet das ein „wichtiges Signal“, von Marschall „keinen guten Schritt“. Und Wadephul? Der fängt an, herumzudrucksen. Bricht Israel das Völkerrecht? „Die Frage entscheiden Gerichte“, sagt Wadephul. Für ihn sei entscheidend, dass sich die humanitäre Lage schnell verbessere. Ansonsten setzt er ganz auf die Gespräche zwischen Trump und Netanjahu an diesem Montag. Er sehe „eine wirkliche Chance“, dass man vorankomme, einen Prozess für eine Zwei-Staaten-Lösung auf den Weg zu bringen. Eine Lösung, die weder Netanjahu noch die Hamas will. Und wenn man nicht vorankommt? Dann müsse Deutschland eine „sehr schwierige Entscheidung treffen“, sagt Schwarzer. Ob er bereits sei, dann die Sanktionsvorschläge der EU-Kommission gegen Israel mitzutragen, will Miosga wissen. „Das ist nicht klug, da heute dazu Stellung zu nehmen“, windet sich Wadephul. Und ist damit in der deutschen Innenpolitik angekommen.
Als Bundeskanzler Friedrich Merz vor einigen Wochen verkündete, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, die im Gaza-Krieg eingesetzt werden könnten (was Wadephul bei Miosga als notwendig verteidigt), hat es in der Union einen Aufschrei gegeben. Die Bild-Zeitung fuhr eine ihrer üblichen Kampagnen gegen die Entscheidung, sie hatte Wadephul schon vorher wegen israelkritischer Äußerungen immer wieder attackiert. Merz musste eigens seinen Urlaub unterbrechen, um die Wogen einigermaßen zu glätten. Vor allem die CSU lehnt Sanktionen gegen Israel ab. CSU-Chef Markus Söder, nicht gerade der größte Außenpolitiker unter der Sonne, hat diese Position eben erst wieder bekräftigt. Andere Unionspolitiker, darunter auch solche aus der CSU, halten die deutsche Position in Sachen Gaza längst für unhaltbar. Wenn auch Trump bei Netanjahu keinen Erfolg hat (oder wie so oft die Lust verliert oder seine Meinung wieder mal ändert) wird die Frage nach Sanktionen gegen Israel wieder auf den Tisch kommen und sie wird wieder für heftigen Aufruhr sorgen. Und dann wird auch Johann Wadephul Stellung nehmen müssen. Und zwar nicht als Johann Wadephul. Sondern als deutscher Außenminister.