Unternehmensresilienz: Auf der Suche nach dem Ausweg

An den Poller Wiesen in Köln wirken die Sorgen um die Weltlage weit weg, am Rheinufer sitzen Menschen beisammen und chillen. Doch für die Krise muss man nur die Straßenseite wechseln. In einem Reformarchitekturbau residiert hier, in der Alfred-Schütte-Allee, das Unternehmen Alfred H. Schütte. Seit 1910 – und das merkt man schon im holzverkleideten Treppenhaus, durch das man zu Konferenzräumen im ersten Stock hinaufsteigt.

Dort empfängt Carl Martin Welcker, Urenkel des Firmengründers und Namensgebers und seit 1993 geschäftsführender Gesellschafter. „Ich habe so viele Krisen erlebt“, sagt der 65-Jährige, „aber bisher keine, die sich so lange gehalten hat.“

Diese Erfahrung teilen viele Unternehmer. Auf die Coronapandemie mit ihren Lockdowns und Lieferengpässen folgte der Angriff Russlands auf die Ukraine, der die Energiekrise auslöste, woraufhin erst die Preise stiegen und dann die Zinsen und die Löhne. Und seit Donald Trump Zölle ankündigt, aussetzt, verschiebt und verhängt, haben viele Firmen Absatzrückgänge erlitten. Die Unsicherheit hat enorm zugenommen, beobachtet Alexander Börsch. Der Chefvolkswirt der Unternehmensberatung Deloitte führt viele persönliche Gespräche mit Unternehmern: „Am meisten beschäftigen sie aktuell die geopolitischen Entwicklungen, also die strukturellen Herausforderungen zwischen den USA und China, aber auch die Folgen der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten“, sagt Börsch. Dazu kämen diverse Handelskonflikte und Sanktionen.

Besonders belastet: Deutschlands Maschinenbauer, die sehr exportorientiert sind. Für 2024 verzeichnete der Verband der Maschinenbauer VDMA einen Rückgang bei fast allen wichtigen Kennzahlen. Er berichtet von sinkenden Ausfuhren und Stellenabbau, die Branche stehe unter „erheblichem Druck“.

Eine Idee, wie man den Risiken all dieser Krisen vorbeugt, findet man auch im Reich von Carl Martin Welcker, der einer jener exportorientierten Maschinenbauer ist. Für eine andere muss man den Rhein nur ein paar Kilometer hochfahren.

Wer in Welckers Konferenzraum in Köln-Poll Platz nimmt, kann die Familienbande auf einem großen Stammbaum nachvollziehen, der dort an der Wand hängt. Der Unternehmer sagt, man sei quasi aus Tradition Technologieführer: „Wir bauen die Königin der Maschinen“, Konkret meint Welcker damit die Mehrspindel-Drehautomaten, die Schütte hier fertigt und in die ganze Welt verschickt. In anderen Fabriken fungieren sie als eine Art Mini-Fließband oder -Karussell: Jede Spindel hält ein Werkstück, das dann nach und nach mehrere Fertigungsschritte durchläuft. Gebraucht wird die Maschine vor allem für kleinere Teile, also etwa Schrauben, Ventilkörper und Lagerringe.

Rund 100 Millionen Euro Umsatz macht Schütte damit zurzeit, 40 Prozent davon im Ausland. Und laut seiner letzten veröffentlichten Bilanz erzielte es noch 2023 einen Gewinn nach Steuern von fünf Millionen Euro. Im Geschäftsbericht stellte das Unternehmen allerdings schon damals fest, dass der Auftragseingang „schwächelte“ und von 103 auf 63 Millionen Euro gesunken sei. „Wegen des ordentlichen Auftragsbestandes“ habe das dem Unternehmen und seinen 600 Mitarbeitern aber nichts anhaben können.


37 %


der Unternehmen klagten im Sommer laut ifo Institut über zu wenig Aufträge. Im Maschinenbau waren es sogar 46 Prozent.

Nicht nur von diesem Puffer profitiert das Unternehmen. Es hat auch einen Vorsprung, auf dem es sich allerdings nicht ausruhen kann. Denn Schütte ist nicht die einzige Firma auf der Welt, die Mehrspindel-Drehautomaten baut, sieht sich aber weit vorne. „Unsere Maschinen sind schneller und genauer als die der Konkurrenz“, sagt Welcker. Das lässt sich Schütte vergüten, die Geräte sind teurer als die anderer Hersteller.

Dazu kommt: Die Maschinen sind nur für Kunden interessant, die Präzisionsteile in hoher Stückzahl herstellen – und von diesen Firmen gibt es nicht so viele. Die genaue Zahl der Automaten, die das Werk in Köln-Poll verlassen, verrät Schütte nicht, mehr als 100 im Jahr sind es aber wohl nicht. Und wer bereits eine siebenstellige Summe für eine Maschine zahlt, der stört sich im Zweifel auch nicht an Aufpreisen von mehreren Zehntausend oder gar Hunderttausend Euro.

Einfach kopieren lässt sich das Schütte-Modell also nicht: „Am Anfang steht meistens eine geniale Erfindung, die kann man nun mal nicht erzwingen“, sagt der Unternehmer Welcker. Aber es gebe Wege, dafür zu sorgen, dass die eigene Firma nicht zurückfalle. „Die Mitarbeiter müssen Freiraum bekommen, und jeder Teilbereich muss genau im Auge behalten, was gerade aktuell ist.“ Bei Materialien, Produktionsverfahren, Steuerungssoftware gebe es ständig Innovationen. Diese müsse man finden, verstehen und dann zügig ins eigene Produkt einarbeiten, damit man nicht überholt werde. Das kostet natürlich Geld: Laut Geschäftsbericht hat Schütte im Jahr 2023 rund eine Million Euro investiert. Und man muss als Chef schon mal dem Rat seiner Mitarbeiter folgen, die mitunter mehr Ahnung haben. Ein Konstruktionsleiter habe in einem Jahr mal 40.000 verschiedene Artikel ins Sortiment aufgenommen, „das fand ich irre“, erinnert sich Welcker. „Aber er sagte: Herr Welcker, wenn wir immer weiter die gleichen Teile einbauen und nichts Neues probieren, sind die Kunden weg.“