
Manchmal haben kleine Dinge eine große Wirkung. Oder anders gesagt: Immer wenn Dinge ausfallen, die man für selbstverständlich hält, wird einem erst klar, in welchem Luxus man lebt.
Letzte Woche war in der Praxis plötzlich der Strom weg. Kurzschluss. Keine Ahnung, warum. Ich sah nur – im wahrsten Sinne des Wortes –, dass wir im Dunkeln standen. Keine Rezepte, keine Formulare konnten mehr ausgedruckt werden. Laptops liefen auf Sparflamme, kein Ultraschall, kein EKG – nichts war mehr möglich. Die gesamte Diagnostik lag brach. Einige Termine musste ich absagen. Und nicht nur wir waren nervös, auch die Patienten wurden immer ungeduldiger. Ich konnte es verstehen, aber ich konnte es nicht ändern. Was ohne Strom ging, untersuchte ich und dokumentierte es auf Papier.
Strom ist mittlerweile der „Lebenssaft“ unserer modernen Gesellschaft. Umso geschockter war ich, als ich in derselben Woche, in der wir keinen Strom hatten, in der Zeitung las, dass wir uns in diesem Herbst auf sogenannte „Brownouts“ vorbereiten sollten. Ja, Sie lesen richtig. „Blackout“ kennen Sie vermutlich – das bedeutet, ganze Regionen bekommen plötzlich keinen Strom mehr, mit massiven Folgen. „Brownout“ hingegen bedeutet, dass bestimmte Großverbraucher, Regionen oder auch Stadtteile kontrolliert und mit voller Absicht vom Netz genommen werden und dann stundenweise ohne Strom sind.
Was heißen solche Pläne für die Patientenversorgung?
Diese Szenarien werden wohl regelmäßig geübt. Der Grund, warum wir uns auf derartige Sparmaßnahmen unseres Stromsystems vorbereiten müssen, soll im Winter die sogenannte „Dunkelflaute“ sein. Sie merken, ich habe mich eingelesen: Dunkelflaute heißt, dass, weil die Sonne nicht scheint und weniger Wind weht, weniger Strom erzeugt werden kann. Außerdem liefern uns die Nachbarländer nicht genügend Strom, mit dem wir das ausgleichen könnten. Es entsteht eine Strommangellage.
Im Sommer ist das Problem anders gelagert: Die erneuerbaren Energien liefern zu viel Strom; das Netz kann die riesige Strommenge nicht weiterleiten, es kommt zu Notabschaltungen, um Kurzschlüsse und Blackouts zu verhindern.
Ob das auch der Grund für den mehrtägigen Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel war, wird wohl noch geklärt.
Als ich das alles las, war ich beunruhigt. Der Kurzschluss bei uns in der Praxis war nach kurzer Zeit behoben. Aber was soll aus unserer Arbeit werden, wenn gezielt Regionen vom Netz genommen werden?
Entwarnung: keine Abschaltungen geplant
Ich wollte nicht im Dunkeln tappen und beschloss, die Pressesprecherin von Amprion anzurufen – das ist die Gesellschaft, die das Stromnetz in NRW zum größten Teil betreibt.
Gott sei Dank habe ich das gemacht, denn danach war ich beruhigt und kann Sie auch beruhigen: Es gibt Entwarnung, zumindest für dieses Jahr. Die Pressesprecherin sagte, zum jetzigen Zeitpunkt seien keine Abschaltungen innerhalb unseres Stromnetzes geplant! Auch seien riesige Geldsummen vorgesehen, um das Stromnetz zu sichern und Stromautobahnen vom Norden (Ort der Windkraft) nach Süden (Ort des Verbrauchs) zu errichten, um das Netz weiter abzusichern. Was jedoch in fünf oder zehn Jahren ist, kann keiner sagen.
Wie erzählt, hatten wir diesmal zumindest nach etwa einer Stunde wieder Strom und konnten unsere Patienten weiter versorgen. Trotzdem habe ich jetzt vorgesorgt: Wir haben nun Batterien, Taschenlampen und ein Kurbelradio – ich hoffe, dass ich das alles nie benutzen muss, aber man weiß ja nie!
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich stets genügend Energie im Leben und eine gute Woche – Ihr Landarzt