
Der Bademantelphilosoph Udo Jürgens hat einst die grundlegende Einsicht von der Bühne gesungen, wonach es der Teufel gewesen sei, der den Schnaps gemacht hat. In der Tat handelt es sich um ein diabolisches Getränk, das den Verfall von Körper und Geist Schluck für Schluck beschleunigt und fast immer satanisch schmeckt. Womöglich war aber nicht Luzifer allein für die Erschaffung hochprozentiger Getränke verantwortlich. Ganz vielleicht leistete der Gott der Liebe – Eros, Amor, Krishna oder einer von den vielen anderen – dem CEO der Finsternis dabei ein kleines bisschen Hilfestellung. Es lässt sich schließlich schwer leugnen, dass Alkohol Liebesanbahnungsdroge Nummer Eins ist. Die enthemmende Wirkung hilft, die Angst vor Zurückweisung und Lächerlichkeit zu unterdrücken und erotisches Interesse zu offenbaren.
Unter Menschen, die noch nie in ihrem Leben Sex gehabt haben, finden sich jedenfalls auffällig viele, die keinen oder nur wenig Alkohol trinken und auch mit höherer Wahrscheinlichkeit auf andere (teuflische) Rausch- und Genussmittel wie Cannabis oder Tabak verzichten. Ob das ursächlich miteinander zu tun hat, darüber lässt sich erst mal nichts sagen: Es handelt sich um eine Korrelation, von der Forscher um Abdel Abdellaoui von der Universität Amsterdam und Laura Wesseldijk vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik im Fachjournal PNAS berichten. Für die Studie fahndeten sie danach, was Menschen in fortgeschrittenem Alter auszeichnet, die nie in ihrem Leben Sex gehabt haben.
Hochgebildet, wohlhabend – aber kein Sex
Dazu analysierte das Team einen Datensatz aus dem Vereinigten Königreich, für den mehr als 400 000 Teilnehmer zwischen 39 und 73 Jahren umfangreich Auskunft gegeben hatten. Etwa ein Prozent der Probanden gab an, noch nie Sex gehabt zu haben. Ob der Verzicht auf die körperliche Liebe freiwillig oder unfreiwillig zustande kam, verrieten die Daten nicht. Auch ein geschlechterspezifischer Effekt ließ sich nicht nachweisen: Der Anteil von Frauen und Männern mit einem Leben ohne Sex fiel in der Stichprobe in etwa gleich groß aus.
Was sich hingegen neben dem Alkoholabstinenz-Effekt zeigte: Jungfräulichkeit im Alter ging mit höherer Bildung, Intelligenz sowie einem höheren Haushaltseinkommen einher. Zudem lebten in Gegenden mit größerer ökonomischer Ungleichheit mehr jungfräuliche Menschen. Körperliche Merkmale spielten bei einsamen Männern eine größere Rolle: Wer schon von ihnen in jungen Jahren eine Brille tragen musste, einen eher laschen Händedruck hatte und generell physisch schwächer war, lebte häufiger ohne das Erleben erotischer Körperkontakte.
Wer noch nie Sex erlebt hatte, war zudem generell einsamer, ängstlicher, nervöser und unglücklicher als Menschen mit sexuellen Erfahrungen. Der Zusammenhang mit eingetrübter psychischer Gesundheit fiel bei Männern etwas ausgeprägter aus. Ob es sich dabei wie auch bei anderen Faktoren um Ursache oder Folge eines Lebens ohne Sex handele, sagt Wesseldijk, ließe sich aus den Daten nicht ableiten. Was man hingegen grundsätzlich sagen könne, so die Autoren in PNAS: dass Sex wesentlich zu Lebenszufriedenheit beiträgt.