
Mika Rottenberg ist besessen von Löchern. „Wir bestehen aus ihnen“, hat sie kürzlich in Wien, bei einem Artist Talk im Kunsthaus, gesagt, „wir schauen durch sie auf die Welt, ja wir kommen auf die Welt, indem wir uns durch ein Loch zwängen.“ Der letzte Satz, fügte sie hinzu, stimme für sie selbst allerdings nicht, sie sei nämlich Produkt einer caesarean section, einer Kaiserschnittgeburt, vielleicht sei sie gerade deshalb so fasziniert von holes.
Es könnte natürlich auch sein, dass sie Lewis Carrolls Alice als geheimes Vorbild hat, jenes Mädchen aus Alice im Wunderland, das sich eines Tages, ein Kaninchen verfolgend, in dessen Bau wagt – und, ins Loch stürzend, eine verschobene, verrückte, aber in sich perfekte Gegenwelt entdeckt.
In Rottenbergs Videoarbeit Cosmic Generator (2017) ruht der Blick der Kamera auf dem leeren Teller eines China-Restaurants in Calexico, einer kalifornischen Stadt an der Grenze zu Mexiko. Plötzlich tut sich in dem Teller ein, nun ja, Loch auf, und der Kamerablick und wir, die Zuschauer, stürzen in einen Tunnel, dessen vage beleuchtete Windungen uns schließlich in China, in einem riesigen Billigmarkt in Yiwu, ausspucken.
So funktionieren viele Arbeiten dieser Künstlerin: Tunnel verbinden fernste Welten miteinander, winzige Ursachen haben gewaltige Folgen, alles hängt miteinander zusammen, aber nichts lässt sich erklären. Durch den Tunnel, der in Cosmic Generator eine entscheidende Rolle spielt, kriecht später ein beleibter blonder Herr, der nicht zufällig an Donald Trump erinnert, denn Calexico liegt an der vom Präsidenten geliebten festungsartigen Grenzanlage zwischen den USA und Mexiko. Dass Trump am Ende des Films als Tellergericht auf einem Bett von frischen Kräutern serviert wird, ist ebenso wenig zu fassen wie irgendetwas anderes in diesem Film, die Letzte, die es erklären könnte, ist die Künstlerin selbst.
Sie wisse nicht, was ihr da durch den Kopf gegangen sei, sagt sie gern, wenn sie nach dem Sinn ihrer Arbeiten gefragt wird, es sei Kunst, der Betrachter möge sich selbst einen Reim machen. Jedenfalls sei keines ihrer Bedeutungssysteme so absurd wie die Wirklichkeit, die uns umgebe.
Mika Rottenberg wurde 1976 in Buenos Aires geboren, wohin ihre Eltern einst, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, aus Polen geflohen waren. Als Mika noch sehr klein war, übersiedelte die Familie nach Tel Aviv. Ende der Neunzigerjahre ging sie nach New York, wo sie heute noch lebt. Heimisch fühle sie sich nirgendwo, sagte sie einmal, und vielleicht erklärt das ihren Drang, die seltsamsten Orte mit ihrem Blick zusammenzuführen und andererseits noch das Vertrauteste fremd erscheinen zu lassen.
Wir seien hineingeboren in ein riesiges Labyrinth von Systemen, die wir nicht durchschauen, hat sie einmal gesagt. Baut sie deshalb ihre eigenen Systeme? Um die Gesetze des großen Ganzen zu verstehen? Oder doch eher, um sich in ihrem Projekt gegen das große Ganze zu verschanzen?
Auf jeden Fall hilft ihre Arbeit dem Betrachter dabei, über das Weltsystem zu lachen – und die Ehrfurcht vor ihm zu verlieren.
Sie ist von Rube Goldberg inspiriert, jenem amerikanischen Ingenieur und Cartoonisten, der barock-komplizierte, grandios nutzlose, von Winden, Zahnrädern, Keilriemen angetriebene Maschinen schuf, die in ihrem Eigensinn beinahe schon subversiv wirken – törichte Turbinen, groteske Generatoren, die das besinnungslose Flutschen des kapitalistischen Produktionsprozesses verhöhnen.