„The Toxic Avenger“: Superheld mit Wischmop

Die fiktive
US-amerikanische Stadt Tromaville hat mit Springfield, der fiktiven
US-amerikanischen Heimatstadt der Simpsons, etwas gemeinsam: Ein böses Kernenergieunternehmen thront
auf einem Hügel, leitet seinen Giftmüll in die Umgebung ab und ist Ursprung allen möglichen
Übels.

Die
Filmproduktionsfirma Troma Entertainment hat diesen Ort erfunden und zum
Schauplatz einer Reihe von Trashtiteln gemacht. Seit mehr als 50 Jahren
produzieren die Gründer Lloyd Kaufman
und Michael Herz Kino für den
schlechten Geschmack. „Uncle Lloyd“, wie Kaufman sich selbst nennt, reist jedes
Jahr mit einer Gruppe von Anhängern zum Filmfestival in Cannes, nur um auf der
Croisette gegen die ihrer Ansicht nach hochnäsige Arthouse-Elite zu
protestieren.

Die Troma-Filme
sind eine Mischung aus Horror, Comedy und Sci-Fi, mit viel Splatter, enthemmtem schwarzem Humor, aber auch mit gesellschaftskritischen Zwischentönen und
einem Herz für Loser. In der Highschoolkomödie Class Of
Nuke ‚Em High
(1986)
etwa konsumieren die Kids kontaminierte Drogen und fallen übereinander
her, in Poultrygeist: Night
of the Chicken Dead
(2006) drehen mutierte Hühner in einem
Fast-Food-Restaurant den Spieß um und braten die Menschen. Und im wohl
berühmtesten Werk The Toxic Avenger (1984)
stürzt der Hausmeister eines Fitnessstudios in ein Fass mit Giftmüllsuppe und
mutiert zum wohl hässlichsten Superhelden der Filmgeschichte: Toxie. Mit
einem Wischmob, der mit giftgrüner Schmiere überzogen ist, zieht er in den
Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Toxie wird nun
wiederauferstehen, der fast 80-jährige Lloyd Kaufman hat ein Remake seines
größten Hits produziert, in Kooperation mit den Blockbuster-Spezialisten von
Legendary Pictures. Der neue Toxic Avenger kommt diesmal nicht nur
mit einer hochkarätigen Besetzung und sichtlich höherem Budget daher, sondern
auch mit einer liebenswerten Hauptfigur und ernst gemeinter Emotionalität. Eine
gute Entscheidung, denn allzu forcierter moderner Trash kann selten mit der
Anarchie alter B-Movies mithalten. Statt eines Films, der so schlecht ist, dass
er schon wieder gut ist, hat Regisseur Macon Blair einen guten Film gemacht,
der sich vor schlechten Filmen verneigt.

Peter Dinklage spielt Winston Gooze vor seiner Verwandlung in Toxie. © TM&2025 Legendary

Die Hauptfigur
Winston Gooze, gespielt von Game-of-Thrones-Star Peter Dinklage, ist nun
nicht nur Hausmeister, sondern auch der Stiefvater von Wade (Jacob Tremblay).
Er hat also soziale Bindungen und damit etwas zu verlieren. Während er im
Original von miesen Bodybuildern gemobbt wird, muss er sich diesmal gegen eine
profitorientierte Gesundheitsindustrie zur Wehr setzen. Der korrupte CEO der
Firma auf dem Hügel – der Mr. Burns von Tromaville, gespielt von Kevin Bacon –
verdankt seinen Reichtum nun dem Verkauf von Arzneimitteln und
Krankenversicherungen.

Der ursprüngliche
Toxie war eine Parodie auf die Superheldenfiguren, aber auch auf den Körperkult und die
Bodybuilding-Bewegung der 1980er-Jahre. Inzwischen hat sich das Genre noch mehr
spezialisiert. Neben heutigen Superheldenfiguren wie den Avengers, die in einer
perfekten computergenerierten Welt immer die perfekte Mischung aus Action, Drama
und Comedy abfeuern, wirkt der Toxie von heute erneut wie eine Parodie. Weil er
so unperfekt ist: Die Schauspielerin Luisa Guerrero, die den Helden nach seiner
Transformation spielt, trägt statt eines Motion-Capture-Suits, wie ihn zum
Beispiel Mark Ruffalo trägt, um sich in den Hulk zu verwandeln, offensichtlich
nur ein unbequemes, klobiges Plastikkostüm, in dem sie ziemlich unbeholfen
durch die Gegend wackelt.

The Toxic
Avenger
ist aber auch eine Hommage an ein anderes Superheldenkino, vor
allem das der Neunzigerjahre. Superhelden waren ja nicht immer schon die
Götterfiguren der CGI-Welten moderner Blockbuster. Filme wie Spawn, The
Crow
, Barb Wire, Tank Girl oder Blade mussten ihr
Publikum eher durch billige Tricks, durch Sex, Gewalt und Rockmusik locken –
aber auch durch Mut zum Gefühl. Toxie passt in diese Reihe von Vorbildern.
Obwohl er auch diesmal wieder Feinden mit bloßen Händen ganze Gliedmaßen
abreißt und das Blut in Fontänen spritzt, fühlt man mit diesem Helden mit, vor
allem wenn es um die Beziehung zu seinem Sohn geht.

Und der Tribut an die alten Troma-Werke? Das Herz für Außenseiter: Während sich die Staatsgewalt im Film auf die Seite der Reichen und Mächtigen stellt und
einen Fackelmob gegen den neuen Superhelden anstachelt, ist es ein Obdachloser,
der Toxie hilft, und sogar so etwas wie eine Sensei-Figur wird.

Macon Blair hat das
enthemmte, stümperhafte Außenseiterkino von Troma in die Jetztzeit gerettet. Toxie
ist genau der miserable Superheld, mit dem wir mitfühlen können. Im Gegensatz
zum neuen Superman von James Gunn – übrigens einem ehemaligen Troma-Drehbuchautor –, in dem eine einzige Figur tatsächlich die Konflikte
der Welt befriedet. Toxie kann die Welt nicht retten, aber mit seinem giftigen
Wischmop streichelt er die Gemüter seiner Zuschauer.

„The Toxic
Avenger“ läuft ab 25. September im Kino.