
Es herrscht ein breiter Konsens, der deutsche Staat könne sein
enormes finanzielles Defizit in den kommenden Jahren nur durch eine Kombination
aus höheren Steuern und weniger Ausgaben schließen. Doch das greift zu kurz.
Denn es gibt eine zumeist wirtschaftlich und sozial klügere Option: den Abbau
von Steuerprivilegien und Subventionen. Dadurch ließen sich jährlich dutzende Milliarden Euro einsparen und zusätzliche Vorteile erzielen. Die eigentliche
Frage lautet also nicht, wie das Haushaltsloch geschlossen werden kann, sondern
ob die Politik den Mut hat, mächtigen Lobbygruppen die Privilegien zu entziehen.
Der Bundeshaushalt für 2026 und die Folgejahre zeigt, dass
die Bundesregierung nicht mehr so weitermachen kann wie bisher. Schon jetzt
fehlen ihr erhebliche Mittel, die Schuldenbremse einzuhalten, obwohl bereits
heute ein Großteil der Investitions- und Verteidigungsausgaben daran
vorbeigeführt wird. In den kommenden Jahren wird sich die Lage verschärfen. Die
Alterung der Gesellschaft lässt die Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege stark steigen, während die Steuereinnahmen kaum noch wachsen dürften.
Trotz des angekündigten „Herbstes der Reformen“ blockieren
sich die Koalitionspartner gegenseitig. Die SPD möchte Kürzungen, insbesondere
im Sozialbereich, weitgehend verhindern und fordert Steuererhöhungen. Die Union
will genau das Gegenteil: Steuererhöhungen vermeiden und die Finanzierungslücke
vor allem durch Einsparungen schließen. Ganz übersehen wird die Möglichkeit,
Subventionen zu streichen und Privilegien im Steuersystem abzubauen.
Jährlich 58 Milliarden Euro
Mein Kollege Stefan Bach vom DIW Berlin hat das Potenzial
dieser Einsparungen bereits berechnet.
Der deutsche Staat könnte jährlich mehr als 58 Milliarden Euro, also 1,4 Prozent
der Wirtschaftsleistung, durch die Streichung steuerlicher Privilegien
mobilisieren. Privilegien und Subventionen bedeuten, dass bestimmte Gruppen für
bestimmte Tätigkeiten weniger Steuern zahlen als andere.
Beispiele dafür sind: 7,2 Milliarden Euro durch die Abschaffung
des Dieselprivilegs, womit die steuerliche Begünstigung von Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin bezeichnet wird. 2,5 Milliarden Euro wären durch den Wegfall des
Dienstwagenprivilegs möglich, also die geringe Besteuerung, wenn Arbeitnehmer einen Firmenwagen auch privat nutzen. Fünf Milliarden Euro könnten bei der Pendlerpauschale gespart werden sowie fast drei
Milliarden Euro beim Abbau von Steuervergünstigungen für Landwirtschaft,
Biokraftstoffe und Flugkerosin.
Eine Begrenzung des Ehegattensplittings brächte knapp sieben
Milliarden Euro, die Abschaffung von Minijobs 2,3 Milliarden Euro und das Ende
der Steuerbefreiung für Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit weitere 3,3
Milliarden Euro.
Auch die steuerliche Begünstigung von Immobiliengewinnen
belastet den Staat mit rund 7,5 Milliarden Euro jährlich. Die reduzierte
Mehrwertsteuer für Hotels, Gastronomie und andere privilegierte Branchen (ohne
Lebensmittel) verursacht weitere 13 Milliarden Euro. Zusammengerechnet ergeben
diese Subventionen und steuerlichen Vergünstigungen 58 Milliarden Euro pro Jahr.