Patrick Lindner über seine Vergangenheit: „Als Kind vergisst man vieles nicht“

Er gilt seit jeher als Liebling aller Schwiegermütter, ist seit Jahrzehnten einer der beliebtesten Schlagersänger Deutschlands – und hat lange ein Doppelleben geführt. Am Samstag (27. September) wird der Münchner Schlagerstar Patrick Lindner 65 Jahre alt.

Im Geburtstags-Interview mit der AZ spricht Lindner über seine Anfänge auf der Bühne, sein unfreiwilliges öffentliches Outing im Jahr 1999 und darüber, wie es die Beziehung wegsteckt, wenn der Ehemann gleichzeitig der Manager ist.

AZ: Herr Lindner, am Samstag steht Ihr 65. Geburtstag an – mit wem werden Sie feiern?
PATRICK LINDNER: Mein Geburtstag fällt ja immer in die Wiesnzeit. Deswegen werde ich ihn dieses Jahr natürlich auch auf dem Oktoberfest feiern – zusammen mit ganz lieben Freunden.

Patrick Lindner: „Ich bin jemand, der lieber andere feiert“

Sind Sie jemand, der gerne Geburtstag hat? Oder scheuen Sie die wachsende Zahl?
Im Grunde bin ich immer jemand, der lieber andere feiert, als seinen eigenen Geburtstag zu feiern. Mit der Zahl habe ich überhaupt keine Probleme! Früher war man mit 65 gefühlt uralt – heute ist 65 ja eigentlich kein Alter. Und ehrlich gesagt fühle ich mich auch nicht wie 65 – ich muss immer noch an die Anfangszeit denken, als ich auf die Bühne kam. Irgendwie hat man immer noch so das Gefühl, dass man da noch drinsteckt, in diesem jugendlichen Typen. Sicher, wenn man in den Spiegel schaut, sieht man schon, dass sich einiges verändert hat (lacht). Ich glaube, es ist auch wichtig, dass man sich seine Jugendlichkeit innerlich behält. Und als Person der Öffentlichkeit schaut man ja sowieso ein bisschen auf sich. Ich glaube also, ich muss mich nicht verstecken.

„Schlager wurde schon des Öfteren totgesagt – war es aber nie“

Wenn Sie an Ihre Anfangszeit auf der Bühne denken – was hat sich seitdem verändert?
Unser Publikum hat sich eigentlich überhaupt nicht verändert. Der Schlager wurde ja schon des Öfteren totgesagt, war es aber nie. Und der Schlager hatte schon immer ein treues, ein tolles Publikum. Einzig, dass heute auch viele junge Leute dazukommen, das hat sich vielleicht ein bisschen verändert. Sicher auch dank einiger junger Interpretinnen und Interpreten wie zum Beispiel Helene Fischer.

Er ist sein Ehemann und gleichzeitig Manager: Patrick Lindner (r.) und Peter Schäfer sind seit 2020 verheiratet.
Er ist sein Ehemann und gleichzeitig Manager: Patrick Lindner (r.) und Peter Schäfer sind seit 2020 verheiratet.
© Felix Hörhager/dpa
Er ist sein Ehemann und gleichzeitig Manager: Patrick Lindner (r.) und Peter Schäfer sind seit 2020 verheiratet.

von Felix Hörhager/dpa

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Von Friedrich Günther Raab zu Patrick Lindner

Ein kleiner Rückblick auf die Zeit, als Sie noch nicht berühmt waren. Was haben Sie noch mit dem Friedrich Günther Raab von damals gemein?
Der Mensch, der ich bin, hat sich von damals bis heute überhaupt nicht verändert. Ich bin immer noch der Gleiche. Sicher ist es so, dass man sich automatisch ein bisschen verändert, wenn man plötzlich in der Öffentlichkeit steht. Wobei ich sagen muss, dass ich mir von Anfang an selbst gesagt habe: „Pass bitte auf dich auf, verliere jetzt nicht den Kopf und vergiss nie, wo du herkommst.“ Das ist auch eine Charaktersache – das wäre nie ich gewesen, wenn ich plötzlich die Nase ganz hoch getragen hätte.

Lindner: „Selbst meine Mutter hat von Anfang an Patrick gesagt“

Gibt es heute noch jemanden, der Sie bei Ihrem Geburtsnamen nennt?
Das kommt eigentlich so gut wie gar nicht mehr vor. Selbst meine Mutter hat von Anfang an Patrick zu mir gesagt.

In den „Lebenslinien“ des BR sprechen Sie auch über das Verhältnis zu Ihrem Vater, das ja teils sehr schwierig und auch teilweise gewaltsam war. Was hat das rückblickend mit Ihnen gemacht?
Man muss sagen, dass das damals natürlich auch noch eine andere Zeit war. Mein Vater war ein Kriegskind und in den 60er Jahren wurden die Kinder ganz anders großgezogen, als das heute der Fall ist. Das Familienoberhaupt hatte das Sagen und sonst keiner. Wenn du da ein strenges Elternhaus hattest, dann musstest du schon einiges einstecken. Als Kind vergisst man vieles nicht und hat dann einen großen Schmerz in sich, den man nicht so leicht verarbeiten kann.

Als Baby in Russland adoptiert: Patrick Lindner über Sohn Daniel 

War das etwas, das Sie als Vater anders machen wollten?
Auf jeden Fall. Mein Sohn hat gelernt, dass man anderen mit Respekt gegenüber tritt. So eine Strenge, dass man sogar Schläge verteilt, das hat es bei uns nie gegeben.

Vom Sternekoch im Bayerischen Hof zum Schlagerstar

Bevor es bei Ihnen mit der Musik richtig losging, haben Sie in der Sterneküche gearbeitet. Haben Sie sich da ein paar Kniffe behalten, wenn Sie jetzt privat in der Küche stehen?
Natürlich! Das ist etwas, das ich nach wie vor sehr gerne mache. So wie die Musik früher mein Hobby war, ist es heute das Kochen. Natürlich nicht mehr jeden Tag sternemäßig, aber die Küche ist mein Bereich und ich bin auch unglaublich gerne Gastgeber.

Lindner: „Bin jemand, der gerne mal etwas Neues ausprobiert“

Und was kredenzt der Gastgeber Patrick Lindner?
Das ist ganz unterschiedlich. Grundsätzlich bin ich jemand, der gerne mal etwas Neues ausprobiert, wenn man aber Besuch von auswärts hat, ist natürlich die bayerische Küche sehr gefragt. Dann koche ich eher sehr traditionell.

Mit ihrem zweiten Platz beim Grand Prix der Volksmusik 1989 dann plötzlich ihr raketenähnlicher Start als Sänger – so viel Erfolg in so kurzer Zeit, hat Sie das auch mal überfordert?
Auf jeden Fall! Es ging ja wirklich sehr rasant los, da gab es schon Momente, in denen du kaum Zeit hattest, durchzuschnaufen, wo man manchen Erfolg gar nicht richtig genießen konnte, weil man gedanklich schon wieder im nächsten Termin steckte. Aber das lässt sich eben schwer planen: Wenn es losgeht, geht es los und dann musst du natürlich auch am Ball bleiben. Ich kann mich noch gut an so manche Veranstaltung erinnern, bei der oft die Feuerwehr anrücken musste, um mir irgendwie einen Weg aus der Menschenmasse herauszubahnen. Aber das gehört auch dazu und ich hatte auch immer tolle Leute um mich herum, die mich da wahnsinnig gut begleitet und beschützt haben.

Der Schlagerstar über Prominenz und Öffentlichkeit in München

Wie ist es heute? Können Sie in München überhaupt vor die Tür gehen, ohne erkannt zu werden?
Sicherlich erkennt einen mal jemand, aber oft ist es auch so, dass die Leute in dem Moment gar nicht damit rechnen – und dann sind sie schon vorbeigelaufen (lacht). Und ich meine, es wäre ja schlimm – man arbeitet ja auch viele Jahre darauf hin, dass man erkannt wird. Da kann ich manch andere Prominente auch nicht verstehen. Wenn du deine Haustür verlässt, dann bist du halt in der Öffentlichkeit.

Nach zehn Jahren im Geschäft dann der Schockmoment – eine Boulevard-Zeitung titelt „Patrick Lindner: ,Ich bin schwul!’“ Ein Interview, das Sie aber nie gegeben haben. Wäre dieses unfreiwillige Outing nicht gewesen, glauben Sie, Sie hätten den Schritt irgendwann selbst gemacht?
Das kann ich schwer beantworten, aber mit Sicherheit wäre das irgendwann so gewesen, ja. Die Zeit war damals auch eine andere, vielleicht hätte ich mich später viel leichter damit getan. In dem Moment ist es aber passiert und ich wusste, ich muss mich jetzt damit auseinandersetzen. Es gibt andere Beispiele, wie etwa Ralf Schumacher, der sich erst mit 49 geoutet hat. Das finde ich dann schon schade, weil man so lange, wie man so schön sagt, ein Doppelleben führen musste.

Patrick Lindner engagiert sich seit Jahren für junge, queere Menschen

Heute setzen Sie sich viel für junge, queere Menschen ein. Welche Schicksale begegnen Ihnen da?
Viele junge Menschen können sich mittlerweile grundsätzlich viel freier durchs Leben bewegen – trotzdem merkt man auch, dass einiges wieder schwieriger wird. Es kommt dazu, dass viele mit den ganzen Ausdrücken rund um LGBTQ überfordert sind. Aber wir haben mit der Stiftung schon wahnsinnig viel erreicht. Und ich finde es einfach großartig, dass auch in den Schulen dieses Thema einfach mal angesprochen wird. Das hat früher gefehlt. Und heute spricht man mit jungen Menschen auch mal über diese Lebensform, die ja ganz normal ist – die es gibt, seit es Lebewesen auf der Welt gibt.

Sie selbst haben Ihren Mann Peter Schäfer ja in München kennengelernt. Er ist gleichzeitig ihr Manager – führt das auch mal zu Reibereien?
Auf der einen Seite ist es schön, weil man immer zusammen unterwegs ist, weil man jemanden hat, auf den man sich 100-prozentig verlassen kann. Auf der anderen Seite ist es schon auch anstrengend, weil die Meinungen auch mal sehr verschieden sind und sich Berufliches und Privates natürlich auch vermischen. Wenn man zusammen arbeitet und auch sonst seine Zeit miteinander verbringt, muss man sich schon mögen (lacht). Wir haben das aber bislang immer super hingekriegt, muss ich sagen.

Lindner: „Am Anfang bringt dich das Lampenfieber fast um“

Nach all den Jahren: Was bedeutet es Ihnen noch heute, auf der Bühne zu stehen?
Ich liebe es und könnte es mir gar nicht mehr anders vorstellen. Seit fast 40 Jahren ist es ein riesengroßer Teil meines Lebens. Das Schöne ist, dass ich heute mit einer unglaublichen Gelassenheit auf die Bühne gehe, dass man eine Leichtigkeit und nicht mehr diesen Druck verspürt, alles machen zu müssen. Ich kann mir die Sachen heute aussuchen. Und ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich immer noch mein Publikum unterhalten darf und ich habe es nie schöner empfunden als im Moment, muss ich sagen. Am Anfang lernt man natürlich sehr viel, aber das Lampenfieber bringt dich fast um. Das gibt es natürlich auch heute noch, weil das meines Erachtens auch der Respekt dem Publikum gegenüber ist. Und trotzdem geht man heute ganz anders raus, weil man weiß, was man kann. Jeder Abend auf der Bühne ist für mich einfach wunderbar.


Die BR-Lebenslinien unter dem Titel „Patrick Lindner – Freigesungen“ sind nach wie vor in der ARD Mediathek zu sehen. Zum Geburtstag des Schlagerstars erscheint außerdem an diesem Freitag ein Best-of-Album des Sängers.