
Philippine Jean hat sich kürzlich in einem Dorf im Département Gironde als Tierosteopathin niedergelassen. Seitdem fährt sie täglich von Hof zu Hof: Sie behandelt Schafe, Ziegen, Kühe und manchmal sogar Stiere.
„Wir sind hier in einer Weinregion, Viehzucht gibt es kaum. Was die tierärztliche Versorgung von Nutztieren angeht, ist das eine echte Wüste. Viele Landwirte kennen unseren Beruf gar nicht und sind anfangs misstrauisch“, sagt die Sechsundzwanzigjährige.
Als Tochter und Enkelin von Landwirten will Philippine Jean die Tierosteopathie bekannter machen. Ihr Beruf erinnert an die früheren „Knochenrichter“, die sowohl den Bauern als auch seine Tiere behandelten. Auch sie selbst stieß eher zufällig darauf: Als sie noch auf dem Lycée war, löste eine Tierosteopathin bei ihrer Stute „wie durch ein Wunder“ eine Blockade. Diese Erfahrung beeindruckte sie so sehr, dass sie nach dem Baccalauréat zunächst ein Kurzstudium in Viehzucht absolvierte und anschließend eine fünfjährige Ausbildung zur Tierosteopathin an einer Fachschule in Rennes.



Kleintiere kamen für Philippine nie infrage. Von Anfang an interessierten sie die großen Tiere, vor allem Kühe. „Sie sind sehr ausdrucksstark, auch wenn man es nicht glauben mag. Sie sind viel freundlicher als viele andere Tiere und merken schnell, dass man ihnen helfen will“, sagt sie lächelnd.
Berührungen und Druckpunkte
Bei der Arbeit mit Viehzüchtern fühlt sich die Osteopathin nach eigenem Bekunden wohler als mit Katzen- und Hundebesitzern. „Landwirte müssen viel Kritik einstecken. Man unterstellt ihnen, ihre Tiere zu misshandeln und nur für den Teller zu züchten. Dabei lieben sie ihre Tiere – sie sind ihr ganzes Leben“, sagt sie.
In Fauguerolles im Département Lot-et-Garonne hat sich kürzlich ein Bauernpaar mit einem kleinen Betrieb wegen einer abgemagerten Ziege an sie gewandt, die Schwierigkeiten beim Laufen hatte. Mit hochgekrempelten Ärmeln und über dem Tier gespreizten Beinen tastet Philippine vorsichtig die Wirbelsäule ab. Während sie über das weiße Fell streicht, übt sie mit der anderen Hand leichten Druck auf den Rücken aus. Wenige Minuten später macht die Ziege, umgeben von ihren Besitzern und ein paar neugierigen Zicklein, ein paar Schritte.





An einem anderen Tag wurde sie von einem Rinderzüchter aus Saint-Sernin-de-Duran wegen einer Kuh zu Hilfe gerufen, die ausgerutscht war und sich „verrissen“ hatte. „Normalerweise hätte mir ein Tierarzt 150 Euro für die Behandlung und die Anfahrt berechnet; und zusätzlich Antibiotika und Schmerzmittel im Wert von 200 Euro verschrieben, ohne dass eine Verbesserung sicher gewesen wäre“, erklärt Marc Kéruzoré, der Prim’Holstein- und Blondes-d’Aquitaine-Kühe züchtet. „Philippine hat schnell erkannt, dass die Sehne gerissen war und dass man nichts mehr tun konnte, da Kühe in der Regel nicht operiert werden“, fügt er hinzu.



„Weniger medizinisch“
Der Züchter hat die Tierosteopathin auch für eine ältere Kuh hinzugezogen, die sich nur schwer fortbewegen konnte. „Sie verbrachte anderthalb Stunden mit dem Tier, führte Handgriffe und Bewegungen durch, die ich nicht wirklich verstand, aber zwei Tage später ging es der Kuh viel besser“, so der Landwirt, der sich darüber freut, auf „weniger medizinische“ Behandlungen für seine Herde zurückgreifen zu können.



Für François Lecuyer Gemeline, Projektleiter bei Biopraxia, der Schule in Rennes, an der Philippine Jean studiert hat, „bietet der Tierosteopath den Landwirten einen echten Mehrwert, weil seine Behandlungen keine Auswirkungen auf Milch oder Fleisch haben“.
„Landwirte sind pragmatisch. Wenn sie Ergebnisse sehen, die ihren Tieren helfen, und sie einen wirtschaftlichen Vorteil darin erkennen, werden sie den Osteopathen wieder anrufen“, betont der ehemalige Direktor der Schule.
Um von diesem Beruf leben zu können, brauche es jedoch Durchhaltevermögen, sagt Philippine Jean. Die Ausbildung dauert fünf Jahre und ist kostenpflichtig – fast 8000 Euro pro Jahr –, und zusätzlich ist eine Prüfung bei der Tierärztekammer notwendig, um praktizieren zu dürfen.
Noch übt Philippine Jean zwei weitere Berufe aus. Sie arbeitet als Reitlehrerin und unterrichtet an einer Landwirtschaftsschule, um finanziell über die Runden zu kommen. Doch ihre Hoffnung ist es, eines Tages ausschließlich von ihrer Arbeit als Tierosteopathin leben zu können.
