Konjunktur unter Schwarz-Rot: Ein Sondertopf als Verschiebebahnhof

Vertreter einer Ordnungspolitik, die den Staat vor allem als einen Setzer und Bewahrer eines Rahmens betrachten, in dem sich eine möglichst vitale private Wirtschaft bewegt, haben in den vergangenen Jahren eher Häme als Zustimmung erfahren. Eine vermeintlich moderne Wirtschaftspolitik stützte sich auf einen kräftigen Ausbau der Staatsverschuldung und eine lenkende Industriepolitik, die internationale Subventionswettläufe verstärkte. Als diese Mode wegen offenkundiger Unbrauchbarkeit in vielen Ländern an Zustimmung verlor, meinte die neue Bundesregierung, mit steigenden Schulden als Nachzügler noch mitmachen zu müssen.

Dass der Gedanke, man müsse nur Milliarden Euro auf die deutsche In­frastruktur werfen, um rasch einen wirtschaftlichen Neustart in Gang zu setzen, von Beginn an naiv war, dämmert mittlerweile. Der Staat nutzt, wie Kritiker früh voraussagten, den Sondertopf als Verschiebebahnhof, für viele neue Projekte ist kein Geld da, und der Regierung gelingt es nicht, die Stimmung in der Bevölkerung und in der Wirtschaft zu drehen. Die Hoffnungen auf einen „Herbst der Reformen“ schwinden von Tag zu Tag. In der Wirtschaft wie auch unter Ökonomen nimmt das Vertrauen in einen politischen Neuanfang ab.

Gefangen im selbst geschnürten Korsett

So bleibt als positive Nachricht des Herbstgutachtens der Wirtschafts­forschungsinstitute die Aussicht auf ei­nen durch die Staatsverschuldung bewirkten vorübergehenden Konjunkturschub in den kommenden beiden Jahren, der die Entwertung der Schul­denbremse jedoch in keiner Weise rechtfertigt. Die Forscher sehen die deutsche Wirtschaft vielmehr auf wackeligen Beinen, da Politik die fundamentalen Hemmnisse nur halbherzig anpackt. Nach dem kurzfris­tigen Schub drohen sich die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten zu verschlechtern.

Was zu tun wäre, haben zahlreiche Fachleute seit Monaten ausführlich beschrieben. We­niger Regulierung, bessere Ar­beitsa­nreize und ein kritischer Blick auf die Entwicklung der Sozialaus­gaben gehörten zum kleinen Einmaleins einer vorwärtsgewandten Wirtschaftspolitik. Die Politik bleibt jedoch gefangen in einem selbst ge­schnürten Korsett, das sie vor mu­tigen Entscheidungen zurückschre­cken lässt.