Münchner Kreispokal: Im bayerischen Amateurfußball geht das Licht aus – Sport

Eigentlich sollen Zeitschaltuhren bei Flutlichtanlagen sicherstellen, dass der Abend nicht zu lang wird, aber vor drei Wochen löste sie auf einer Münchner Sportanlage das genaue Gegenteil aus. So viele Diskussionen nämlich, dass viele der Beteiligten erst gegen Mitternacht im Bett waren, unter anderem der Schiedsrichter, der laut Augenzeugenberichten über das Telefon Rat einholte, weil er einen solchen Fall auch noch nie erlebt hatte. „Ein schlechter Scherz, Comedy“, sagt Trainer Christian Brummer auf die Frage, was ihm vor knapp drei Wochen um Punkt 22.15 Uhr durch den Kopf gegangen war. Versteckte Kamera vielleicht. Macht aber auch keinen Sinn, wenn es dunkel ist und niemand die verblüfften Gesichter gesehen hat. Brummer war schlicht Augen- und Ohrenzeuge eines wohl einmaligen Zufalls geworden.

Es war unheimlich viel zusammengekommen in einem Spiel, das dann in der ungünstigsten aller Spielsekunden endete. Das Kreispokal-Derby von Brummers FC Rot-Weiß Oberföhring gegen den SV Zamdorf zog sich, der 4:4-Ausgleich für Zamdorf fiel in der sechsten Minute der Nachspielzeit. Beim anschließenden Elfmeterschießen kam es auch noch einmal zu einer Verzögerung, denn der Unparteiische pfiff zunächst zu früh ab. Das Tornetz hatte ein Loch. Dieses war zwar vor dem Spiel geflickt worden, erzählt Brummer, es hatte sich aber im Laufe des Abends wohl wieder gelöst. Zamdorf hatte im Elfmeterschießen aber einmal getroffen, der Unparteiische jedoch sah den Ball hinter dem Tor und dachte, er sei vorbeigegangen. Deshalb pfiff er vor dem letzten Schuss ab, weil dieser aus seiner Sicht nicht mehr nötig war, Oberföhring der Sieger. Doch nun musste Oberföhrings letzter Elfmeterschütze, der 19-jährige Fat Hoti drei Minuten warten, bis wieder Klarheit herrschte.

Und dann hätte Hoti die Misere wahrscheinlich sogar noch verhindern können, wenn er seinen Anlauf nicht um ein Sekündchen verzögert hätte, denn nun ging tatsächlich mitten im Schuss das Licht aus, um Punkt 22.15 Uhr, die Zeitschaltuhr machte klick. Auf einem mittlerweile sehr viralen Video ist dieser Moment festgehalten, sofort nach dem Dunkelwerden folgen darauf empörte Rufe. Gefilmt hatte ein Spieler der zweiten Mannschaft Oberföhrings.

Das Münchner Sportamt erklärt, dass die Flutlicht-Deadline auf das Immissionsschutzgesetz zurückzuführen ist, ein zusätzlicher Faktor sei der Insektenschutz

Jeder wusste, dass der Ball im Netz gelandet war, doch der Treffer zum 8:7 konnte nicht gewertet werden, ebenso wenig konnte der Schuss wiederholt werden. Einige Tage später entschied ein Sportgericht zunächst, dass Zamdorf eine Runde weiterkommt, weil Oberföhring für das Abschalten des Flutlichts verantwortlich sei. Als nach einem Oberföhringer Protest ein Wiederholungsspiel angesetzt wurde, zog Zamdorf freiwillig zurück – „sie haben gesagt, sie sind gar nicht so scharf auf den Pokal“, erklärt Coach Brummer. Außerdem hätten sie damit die Fairness des Gegners belohnen wollen – Oberföhring hatte nämlich auch auf das Loch im Netz hingewiesen.

Das Münchner Sportamt erklärt auf Nachfrage, dass die Flutlicht-Deadline auf das Immissionsschutzgesetz zurückzuführen ist, ein zusätzlicher Faktor sei der Insektenschutz. Es handelt sich also um keine Energiesparmaßnahme, sondern eher um eine für eine gute Nachbarschaft, um Beschwerden von Anwohnern zu verhindern. Flutlicht dürfe bei Bedarf generell bis 22 Uhr genutzt werden, so das Sportamt. In der Praxis bleibt das Licht aber auf vielen Anlagen bis 22.15 Uhr eingeschaltet, die zusätzliche Viertelstunde ist für das Zusammenpacken und den Gang zur Kabine gedacht. Wie viele Plätze in München mit Zeitschaltuhren ausgestattet sind, vermag das Sportamt nicht zu sagen. In Oberföhring jedenfalls handele es sich um eine Freisportanlage, sodass „der dortige Verein die Anlage in eigener Regie und ohne städtische Platzwarte“ betreut.

Ausnahmen von der sportlichen Sperrstunde wird es also nicht geben, und deshalb könnte etwas Ähnliches wie in Oberföhring immer wieder vorkommen. Im Profifußball sind seit der WM 2022 die Nachspielzeiten zunehmend länger geworden, der Amateurfußball scheint dabei nachzuziehen. Früher anpfeifen ist für viele aber auch nicht möglich. „Wir haben die Anstoßzeit gemeinsam gewählt, weil davor viele Spieler von beiden Mannschaften noch in der Arbeit sind“, erklärt Brummer. Dabei handelte es sich ja schon um ein Derby ohne lange Anfahrtszeiten.

Laut Regelwerk steht vor der Antwort, wie mit einem abgebrochenen Spiel verfahren wird, zunächst einmal die Schuldfrage. Ob aber die gastgebende Mannschaft schuld ist, wenn das Flutlicht zu einer vorher festgelegten Uhrzeit ausgeht, scheint noch nicht endgültig geklärt zu sein. In den meisten Fällen aber ist der Fall klar. So wie im August 2017, als der damalige Regionalligist FC Pipinsried mit 2:1 gegen Greuther Fürth II führte. Nach einer Gewitterunterbrechung behaupteten die Kleeblätter, den Pfiff des Schiedsrichters zum Weitermachen nicht gehört zu haben, doch das glaubte ihnen niemand. Dann wurde es dunkel, aber nicht wegen einer eingebauten Zeitschaltuhr. In Pipinsried gibt es gar kein Flutlicht.