Nach Gipfel bilaterales Treffen von Selenskyj und Putin geplant

Es war Bundeskanzler Friedrich Merz, der die zur Schau gestellte Harmonie im Weißen Haus am Montag für einen Moment ins Wanken brachte. Wer Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und die versammelten europäischen Verbündeten auf dem hastig einberufenen Gipfel bis dahin beobachtet hatte, konnte den Eindruck gewinnen, der Weg zum Frieden in der Ukraine sei schon geebnet. Im Kontrast zur entgleisten Begegnung zwischen dem amerikanischen und dem ukrainischen Präsidenten im Februar herrschte im Oval Office diesmal eine freundschaftliche Atmosphäre.

Selenskyj, der zur Freude Trumps ein schwarzes Hemd mit Jacke statt seines gewohnten Pullovers trug, vermied jede Formulierung, die dem Gastgeber hätte missfallen können. Nachdem ihm der Vizepräsident J.D. Vance vor sechs Monaten Undankbarkeit vorgeworfen hatte, bedankte sich Selenskyj im Laufe des Tages gleich mehrfach bei Trump – für dessen Engagement und für die Einladung etwa.

Trump wiederum verzichtete auf die üblichen Spitzen gegen Kiew. Stattdessen sagte er, die Ukraine sei „durch die Hölle gegangen“ und könne mit „sehr gutem Schutz“ durch die Vereinigten Staaten rechnen. Sogar eine Stationierung amerikanischer Truppen in der Ukraine schloss er nicht aus. Zwar stünden die Europäer bei den Sicherheitsgarantien „an vorderster Verteidigungslinie“, doch auch Washington werde seinen Teil beitragen. Anschließend zeigte sich Trump zuversichtlich, dass es schon bald zu einem Dreiertreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kommen werde.

Auch im Beisein der sieben mitgereisten europäischen Staats- und Regierungschefs blieb der Ton zugewandt. Trump begrüßte jeden Einzelnen mit einem Kompliment – im Falle des Bundeskanzlers lobte er dessen „starke Führung“ und sonnengebräunten Teint – und sprach von einer „großen Ehre“, sie alle in Washington willkommen zu heißen. Der vorangegangene Gipfel in Alaska, fuhr Trump fort, habe ihn in seiner Überzeugung bestärkt, dass ein Frieden zwar schwierig, aber erreichbar sei.

Allein Merz spricht das heikle Thema Waffenstillstand an

Den Auftakt auf europäischer Seite machte NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Er dankte Trump für den „Durchbruch“, den dessen Dialog mit Putin gebracht habe, sowie für die zugesagten Sicherheitsgarantien. Dann war Bundeskanzler Merz an der Reihe. Auch er sprach dem amerikanischen Präsidenten seinen Dank aus – verwies jedoch auf eines der größten Streitthemen zwischen den Vereinigten Staaten und ihren europäischen Partnern im Ukrainekrieg: die Frage eines Waffenstillstands. „Ehrlicherweise wollen wir alle einen Waffenstillstand sehen“, sagte Merz auf Englisch. Er könne sich nicht vorstellen, dass das nächste Treffen ohne eine solche Vereinbarung stattfinde. „Also lasst uns daran arbeiten und Druck auf Russland aufbauen.“ Die Glaubwürdigkeit der nächsten Schritte hänge von einem Waffenstillstand ab, deswegen wolle er diesen Punkt unterstreichen.

Trump, der noch vor seinem Treffen mit Putin einen Waffenstillstand von Moskau gefordert hatte, wiegelte ab. Bei den anderen „sechs Frieden“, die er ausgehandelt habe, sei es auch ohne Waffenruhe gegangen. Zwar gefalle ihm die Idee, weil das Töten dann „sofort“ aufhöre, doch notwendig sei sie nicht. Und so blieb Merz’ Bemerkung, die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron unterstützt wurden, eine Erinnerung daran, dass es zwischen den transatlantischen Partnern weiterhin grundlegende Differenzen in der Ukraine-Politik gibt.

Während der Verhandlungen am Montag trat der amerikanische Präsident als Fürsprecher Putins auf. Der russische Präsident wolle eine Lösung finden, beteuerte Trump, und behauptete, Moskau werde „mehr als tausend“ Gefangene freilassen, sofern man sich auf ein trilaterales Treffen einigen könne – „sehr bald“, vielleicht sogar „sofort“. Auf einer Aufnahme, die kurz vor dem Treffen in großer Runde entstand, war zu hören, wie Trump zu Emmanuel Macron sagte, Putin wolle „für ihn“ einen Deal machen – „so verrückt sich das auch anhört“. Noch vor wenigen Wochen hatte Trump sich wiederholt über dessen Untätigkeit empört. Doch offenbar hat der russische Präsident ihn bei ihrem Treffen am vergangenen Freitag umgestimmt. Auch Sanktionen gegen Russland spielten am Montag, anders als zuvor angedroht, keine Rolle mehr. Stattdessen soll Trump das Gespräch mit den Europäern vorzeitig verlassen haben, um Putin anzurufen. Laut Kreml sprachen die beiden Männer vierzig Minuten.

Bei den Sicherheitsgarantien zuckt Russland kurz

Nachdem Trumps Sondergesandter Steve Witkoff dies schon am Vortag angekündigt hatte, sagte auch Trump am Montag, Putin habe Sicherheitsgarantien für die Ukraine zugesagt. Das sei „einer der wichtigsten Punkte“. Doch in einer Stellungnahme des russischen Außenministeriums, die noch während des Gipfels veröffentlicht wurde, klang das anders. Dort hieß es, man bekräftige die wiederholt geäußerte Position, dass man „jegliche Szenarien“ ablehne, die NATO-Militärkontinente auf ukrainischem Boden beinhalteten. Eine solche Entwicklung würde zu einer Eskalation mit „unvorhersehbaren Folgen“ führen.

Gemeint sein dürfte damit auch die von den Europäern geplante Sicherheitsgarantie nach dem Vorbild von Artikel 5 des NATO-Vertrags, der vorsieht, dass Bündnispartner im Falle eines Angriffs gegenseitig Beistand leisten. Im Fall der Ukraine könnten sich demnach einzelne Länder in einer solchen Vereinbarung zusammenschließen, außerhalb des formalen NATO-Rahmens.

In einer abendlichen Bilanz des Treffens auf seiner Plattform „Truth Social“ zeigte Trump sich zufrieden. Es sei ein „sehr gutes Treffen“ gewesen, bei dem man über Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen habe. Diese würden von den Europäern „in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten“ bereitgestellt. Alle seien „sehr glücklich“ über eine Chance für Frieden für „Russland/Ukraine“. Dann folgte eine kleine Überraschung. Trump kündigte an, er habe damit begonnen, ein direktes Treffen zwischen Selenskyj und Putin vorzubereiten – nicht etwa den ursprünglich geplanten Dreiergipfel, den der ukrainische Präsident am Montag ausdrücklich gutgeheißen hatte. Der soll nun erst nach einer bilateralen Begegnung stattfinden. Das Treffen zwischen Selensky und Putin soll nach Angaben von Merz binnen zwei Wochen stattfinden.

Selenskyj signalisiert Bereitschaft zum Dialog

Selenskyj hob am Montagabend hervor, er sei „ohne Bedingungen“ zu einem solchen Treffen bereit, also auch ohne einen vorherigen Waffenstillstand. In Moskau zeigte man sich zurückhaltender. NATO-Generalsekretär Rutte äußerte nach dem Treffen zwar, Putin habe einer solchen Begegnung zugestimmt. Doch in einer Stellungnahme des außenpolitischen Beraters Putins, Jurij Uschakow, hieß es nur verklausuliert: Moskau halte es für „lohnenswert“, die Möglichkeit zu prüfen, ob man die Verhandlungen auf höherer Ebene führen könne.

Eines der größten Streitthemen zwischen Kiew und Washington kam am Montag  in den öffentlichen Äußerungen kaum zur Sprache: die Frage nach Gebietstauschen. Selenskyj sagte im Beisein der europäischen Partner, derlei „sensible Fragen“ sollten im Rahmen des trilateralen  (oder nun bilateralen) Treffens erörtert werden. Das „Wall Street Journal berichtete unter Berufung auf europäische Beamte, Selenskyj habe einen Gebietstausch während der Gespräche mit Trump nicht rundweg abgelehnt. Er habe jedoch darauf hingewiesen, es werde schwierig, Bevölkerungsgruppen umzusiedeln und Hürden in der Verfassung zu umgehen. Demnach soll der ukrainische Präsident „proportionale Tauschgeschäfte“ in Erwägung ziehen.

Als zentrale Punkte für die Ukraine nannte Selenskyj öffentlich Sicherheitsgarantien, zu denen auch eine starke ukrainische Armee gehöre, sowie einen vollständigen Gefangenenaustausch, einschließlich der entführten Kinder.  Zu Sicherheitsgarantien könnte laut Selenskyj der Kauf amerikanischer Waffen für die Ukraine über die Europäer im Wert von 100 Milliarden Dollar gehören. Laut dem „Wall Street Journal“ einigten sich Trump und die Europäer am Montag außerdem darauf, dass der amerikanische Außenminister Marco Rubio eine Gruppe Nationaler Sicherheitsberater und NATO-Beamter anleitet, die Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausarbeiten sollen. Diese sollen vier Komponenten umfassen: eine Militärpräsenz, Luftverteidigung, Bewaffnung und eine Überwachung der Einstellung der Kämpfe.

„Das hätte auch ganz anders verlaufen können.“

Dass Selenskyj sein Treffen mit Trump am Montag als das „bisher beste“ bezeichnete, dürfte auch an der Rückendeckung aus Europa gelegen haben; namentlich durch Merz, Rutte, Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den britischen Ministerpräsidenten Keir Starmer, den finnischen Präsidenten Alexander Stubb sowie die italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Es war sicherlich kein Zufall, dass Macron in seiner kurzen Ansprache hervorhob, „alle an diesem Tisch“ wollten einen Frieden. Putin behauptet wiederholt, die Ukraine stehe mit ihren Bedingungen einer Lösung des Krieges  im Weg.

Bundeskanzler Merz zog nach dem Treffen eine positive Bilanz: Seine Erwartungen seien übertroffen worden. „Das hätte auch ganz anders verlaufen können.“ Laut Merz soll ein Treffen zwischen Selenskyj und Putin innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden. Bis dahin müssen auch in der deutschen Innenpolitik noch Fragen zur Rolle Deutschlands bei Sicherheitsgarantien für die Ukraine geklärt werden.

Auf die Frage, ob Deutschland bereit sei, Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden, sagte Merz am Montagabend, darüber wolle er mit den europäischen Partnern sowie der Koalition sprechen. Außenminister Johann Wadephul hatte am Morgen aber noch geäußert, zusätzliche Truppen in der Ukraine – neben der Stationierung einer Bundeswehr-Brigade in Litauen – würden die Bundeswehr „voraussichtlich überfordern“.