
DFB-Pokal-Heimsiege von Arminia Bielefeld gegen favorisierte Bundesligisten sind so ziemlich die erwartbarste Überraschung, die der deutsche Fußball gegenwärtig zu bieten hat. Vor zwei Jahren besiegte Bielefeld auf der heimischen Alm als Drittligist den VfL Bochum, vergangene Saison gewann man als Drittligist gegen Union Berlin, den SC Freiburg, Werder Bremen und Bayer Leverkusen. Und am Freitagabend im Erstrundenspiel des neuen Wettbewerbs bezwang Bielefeld diesmal als Zweitligist erneut Werder Bremen.
Den sechsten Pokal-Heimsieg gegen einen Bundesligaklub binnen 24 Monaten kann man wirklich nicht mehr als Überraschung gelten lassen. Oder etwa doch?

:90.+3! Bielefeld wirft Werder raus
Arminia erweist sich wie vergangene Saison als Pokalschreck. Drei Außenseiter wehren sich ohne Erfolg gegen das Aus. Bayer Leverkusen erlebt eine ungewöhnliche Partie bei einem Regionalligisten.
„Das ist auf keinen Fall Normalität“, erklärte Bielefelds Kapitän Mael Corboz geradezu trotzig am Sky-Mikrofon. Kurz zuvor hatte seine Arminia zum zweiten Mal binnen sechs Monaten (am 25. Februar war es ein 2:1 im Viertelfinale) den Bundesligisten Bremen aus dem Wettbewerb geworfen. Das Siegtor zum 1:0 erzielte in der dritten Minute der Nachspielzeit der eingewechselte Stürmer Isaiah Young auf Vorlage des eingewechselten Stürmers Benjamin Boakye. Bremen spielte zu diesem Zeitpunkt bereits seit 40 Minuten in Unterzahl, nachdem Leonardo Bittencourt wegen zweier Fouls in der 52. und 54. Minute binnen 120 Sekunden zweimal Gelb und damit Gelb-Rot gesehen hatte.
„Der Knackpunkt“: Werder hadert mit der gelb-roten Karte für Bittencourt
Wenn man Pokal-Überraschungen im Abonnement bezieht, dann singt es sich darüber umso routinierter. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen die Bielefelder Fans in der mit 26 247 Zuschauern ausverkauften Schüco-Arena. Diese gesungene Behauptung war allerdings genauso geflunkert wie jene, dass man etwas so Schönes „lange nicht mehr gesehen“ habe. Erstens fährt man im DFB-Pokal nach einem Erstrundensieg nicht gleich zum Finale nach Berlin; zweitens haben die Bielefelder etwas so Schönes wie einen Pokal-Heimsieg gegen einen Bundesligisten binnen 24 Monaten schon zum sechsten Mal gesehen.
Was man in Bielefeld wirklich lange nicht gesehen hat, ist eine Niederlage in einem Pokalheimspiel gegen einen Bundesligisten: Am 29. Oktober 2019 war das in einem Zweitrundenspiel ein 2:3 gegen Schalke 04.
Gegen die Bremer hatten die Bielefelder diesmal den Vorteil, dass sie bereits mit zwei Siegen in die stets früher beginnende Zweitliga-Saison gestartet waren, während im Umbruch befindliche und unter dem neuen Trainer Horst Steffen spielende Bremer noch kein Pflichtspiel absolviert hatten. Bei der Arminia standen diesmal zehn jener 15 Spieler auf dem Platz, die auch ein halbes Jahr zuvor beim 2:1 im Viertelfinale mitgespielt hatten. Bei Bremen waren es sieben von 16 Spielern. Vor einem halben Jahr war Ole Werner noch der Trainer, nun ist es Steffen. Der sagte hinterher: „Die Unterzahl war ausschlaggebend.“ Sportgeschäftsführer Clemens Fritz bestätigte: „Gelb-Rot war der Knackpunkt.“ Für Werder war es das dritte Erstrunden-Aus binnen fünf Jahren.
Den womöglich entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Klubs an diesem Abend definierte Arminias Mittelfeldmotor Corboz, als er sagte: „Wir sind seit sieben Monaten auf einer Welle.“ Saisonübergreifend seit 13 Ligaspielen sind die Bielefelder unbesiegt und im Pokal haben sie nunmehr sechs Heimspiele nacheinander gewonnen: eines gegen den Zweitligisten Hannover 96, fünf gegen Bundesligisten. Bielefeld ist in dieser Zeit in die zweite Liga aufgestiegen und stand im DFB-Pokal-Endspiel in Berlin, wo man dem Bundesligisten VfB Stuttgart 2:4 unterlag. Doch diese Niederlage hat Arminias Welle nicht gebrochen.
„Berlin ist jetzt noch ganz weit weg“, sagte Trainer Mitch Kniat nach dem Sieg am Freitagabend. Vier Pokalsiege bräuchten die Bielefelder noch, um ein zweites Mal nacheinander das Pokalfinale zu erreichen. Gewährt ihnen das Los noch vier Heimspiele gegen Bundesligisten, dann dürfte das gelingen. Ob die Arminia Einspruch einlegt, sollte die nächste Auslosung ein Auswärtsspiel bescheren, ist Kniat nach dem Bremen-Spiel in der Pressekonferenz übermütig gefragt worden. „Nö“, hat er geantwortet, „dann ist das eben so, kann ruhig ein Auswärtsspiel geben, wäre auch kein Problem!“ Ein Arminia-Auswärtssieg im Pokal – das wäre eine echte Bielefelder Pokalsensation.