Übergewicht am Arbeitsplatz: Sie verdienen weniger, weil sie zu viel wiegen

Übergewicht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer großen gesundheitlichen Herausforderung mit pandemischen Ausmaßen entwickelt. Die WHO spricht schon seit 1997 von einer globalen Epidemie. Wir wissen zwar viel über die Auswirkungen von Übergewicht auf die Gesundheit und die Sozialsysteme, eine andere Dimension aber bleibt häufig unbeachtet. Menschen mit höherem Körpergewicht zahlen auf dem Arbeitsmarkt einen Preis, der weit über die gesundheitlichen Aspekte hinausreicht. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Übergewicht zu den Faktoren gehört, für die Menschen im Arbeitsmarkt mit am stärksten diskriminiert werden – allerdings vorwiegend Frauen. 

Ab einem Body-Maß-Index (BMI) von 25 bis 30 spricht man von Übergewichtigkeit, ab einem BMI von 30 von Fettleibigkeit. Beides hat sich in vielen Gesellschaften zu einem Massenphänomen entwickelt. Im Jahr 1960 waren noch 45 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner übergewichtig oder fettleibig, aktuell sind es nach offiziellen Zahlen 74 Prozent. Ähnliche Entwicklungen finden sich in anderen Industrie- und zunehmend auch in Schwellenländern. 

Die Kosten für die Gesundheit und für das Gesundheitssystem sind enorm. So werden für Deutschland die direkten Kosten durch Arztbesuche oder Medikamente und die indirekten Kosten, wie erhöhte Krankheitstage am Arbeitsplatz, auf 60 Milliarden Euro geschätzt – oder auf 1,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Frauen von Diskriminierung besonders betroffen

Was wenigen bekannt ist: Übergewichtige Frauen – und nur selten übergewichtige Männer – werden am Arbeitsplatz stark und wachsend diskriminiert. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie für die USA kann eine direkte Kausalität herstellen: Frauen erhalten eine deutlich schlechtere Bezahlung allein aufgrund des Übergewichts und nicht wegen anderer Faktoren, die mit Übergewicht einhergehen können (wie eine schlechtere Gesundheit). 

Wie stark diese Diskriminierung ausfällt, zeigte schon eine US-Studie aus dem Jahr 2011: Der Stundenlohn fettleibiger, weißer Frauen in den USA ist um zwölf Prozent geringer als der normalgewichtiger Frauen. Diese Unterschiede haben eine ähnliche Größenordnung wie der Gehaltsunterschied unter den Geschlechtern, der Gender Pay Gap. Oder in anderen Worten: Übergewichtig zu sein, führt fast genauso so stark zu einem geringeren Stundenlohn, wie eine Frau zu sein. Hinzu kommt, dass die Diskriminierung übergewichtiger Frauen mit dem Alter zunimmt.

In der aktuellen Studie können zudem die spezifischen Ursachen für die Diskriminierung von Übergewicht identifiziert werden. So entsteht die Diskriminierung vor allem in Berufen, in denen Frauen eine starke Interaktion und Kommunikation mit Kunden und mit den eigenen Vorgesetzten haben. Grund für die geringere Entlohnung ist also nicht ihre Leistung im Team, sondern das Feedback von Kunden und Vorgesetzten. 

Das Übergewicht lässt also die Kunden und die eigenen Vorgesetzten die Leistung von Frauen schlechter beurteilen, als sie wirklich ist. Andere Studien bestätigen ähnliche Resultate für Deutschland. Die Diskriminierung lässt sich nicht nur an den niedrigeren Löhnen ablesen. Auch das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist höher und die Chance, eine neue Beschäftigung zu finden, geringer.