
Es sei doch auch mal ganz schön, so eine kurze Anfahrtszeit zu haben, sagte Thomas Dähne am vergangenen Dienstagabend. Diesmal standen im Toto-Pokal nämlich keine 300 Kilometer in ein fränkisches Dorf an, sondern nur 35 Kilometer zum TSV Geiselbullach, wo der TSV 1860 München seine Pflichtaufgabe erfüllte. Am Montag folgt die Auslosung für das Achtelfinale, der nächste Gegner wird anspruchsvoller werden. Etwas schade ist es natürlich, dass die Löwen umgekehrt an diesem Wochenende kein Außenseiter in einem Heimspiel sein können, denn für den bundesweiten DFB-Pokal-Wettbewerb haben sie sich nicht qualifiziert. Es ist ungewohnt, aber somit ist fast schon so etwas wie eine stade Sommerzeit angebrochen bei den Löwen. Mit einstweilen sehr klaren Verhältnissen.
Beim Bezirksligisten konnten sich zumindest einmal auf kleiner Bühne einige zeigen, die zum Drittliga-Start wenig bis gar nicht zum Zug gekommen waren: Angreifer Patrick Hobsch etwa erzielte vier Tore beim 8:0-Sieg, Max Christiansen gleich das erste nach sieben Minuten. Da könne man sich zeigen, sagt Trainer Patrick Glöckner. Dabei zeigen diese Einsätze vor allem, dass die Startelf für die wichtigen Spiele im Moment sehr genau feststeht, alle anderen müssen sozusagen über die Dörfer tingeln, um auf sich aufmerksam zu machen. Da kann noch so viel die Rede davon sein, dass für die aktuelle Saison mit ihren hohen Zielen wirklich alle gebraucht werden: Ab Spieler Nummer zwölf müssen sich zurzeit alle noch gedulden.
Der einzige Saisonstart-Stammspieler, der in Geiselbullach beim Anpfiff auf dem Feld stand, war der Torwart. „Der Trainer ist gestern zu mir gekommen und hat gesagt, dass ich mindestens die erste Halbzeit spiele“, sagte der beschäftigungslos gebliebene Thomas Dähne kurz nach Abpfiff. Oft, und das war auch zu den Zeiten von Dähnes Vorgänger Marco Hiller so, kommt ja der zweite Torwart im Pokal zum Zuge, doch der 20-jährige Paul Bachmann wurde nur eingewechselt.
Dähne wiederum ist einer von sechs neu Verpflichteten, die in den ersten beiden Drittliga-Spielen aufliefen. Für den 31-jährigen Bayer war der Wechsel nach München aus vielerlei Gründen von Vorteil: Bei Holstein Kiel machte er zwar Bundesliga-Erfahrung, Stammkraft war er dort aber nicht. Hier kann er „die Nummer eins sein, ich spiele jedes Spiel, das ist für mich schon extrem geil“, sagt er. Zugleich sei Sechzig ein „Riesenverein“ mit einer enormen Strahlkraft, das sehe man ja auch bei Spielen mit Volksfeststimmung wie in Geiselbullach. Und so sei er sehr gut angekommen: „Es ist schon so, dass ich jetzt absolut viel Selbstvertrauen habe, ich glaube, das sieht man auch in den letzten Spielen“, sagt er in einem leicht bayerischen Dialekt, den er sich bei seinen früheren Stationen wie Kiel und den polnischen und finnischen Erstligisten Wisla Plock und HJK Helsinki ein wenig abtrainiert hat.
Die Zugänge bei Sechzig, außer freilich Florian Niederlechner und Kevin Volland, agieren rein medial gesehen auffällig unauffällig. Der ebenfalls neue Angreifer Sigurd Haugen zum Beispiel sagt, es sei für ihn „eine Ehre“, mit den beiden Rückkehrern zusammenzuspielen, darüber hinaus redet er noch recht wenig Deutsch – nach seinem ersten Tor, dem zwischenzeitlichen 3:0 gegen den VfL Osnabrück, trat er zum ersten Mal vor die Presse („Supergeiler Tag, I think“). Siemen Voet ist bisher nur als zuverlässiger Rackerer in der neu gestalteten Fünferkette aufgefallen, Manuel Pfeifer als so genannter Schienenspieler ebenso. Dähne wiederum wurde auch deswegen geholt, um voranzugehen, ohne laut zu sein. „Ich bin in einem Alter, wo ich schon einiges miterlebt habe. Wir haben einige junge Spieler. Die versuche ich, an die Hand zu nehmen“, sagt er. Und: „Ich möchte mit Leistung vorangehen, mit Worten gewinnst du keine Spiele.“ Solche Worte hören sie gerade in einem Verein, der selten eine stade Zeit hat, gerne.
Möglicherweise ist die erste, allergrößte Begeisterung aufgrund des wohl besten Kaders seit langer Zeit ein wenig abgeebbt, weil man in Essen nur einen Punkt holte und beim 3:1 gegen Osnabrück in der Schlussphase beinahe noch in Bredouille geriet. Doch Dähne fungiert auch hier als verlängerter Arm der Vereinsführung, wenn er im Namen der Mannschaft über die Euphorie sagt: „Das darf uns überhaupt nicht beschäftigen. Wer hoch träumt, kann sehr schnell fallen.“ So etwas wie die letzten 20 Spielminuten gegen Osnabrück „kann uns in manchen Spielen das Genick brechen“. Also: Nicht so viel reden, bevor man Erfolg hat.