Großbritannien: Britische Wirtschaft wächst im zweiten Quartal überraschend deutlich

Die britische Wirtschaftsleistung hat von April bis Juni um 0,3 Prozent zugelegt. Das teilte die nationale Statistikbehörde ONS mit. Analysten hatten lediglich ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,1 Prozent erwartet. Allerdings verlangsamte sich das Wachstum im zweiten Quartal des Jahres im Vergleich zum vorausgegangenen deutlich. Von Januar bis März hatte das BIP noch um 0,7 Prozent zugenommen.

Wie aus den Daten hervorgeht, kompensierten insbesondere das Wachstum im Baugewerbe sowie bessere Zahlen im Dienstleistungssektor den Rückgang der Industrieproduktion. Liz McKeown, Direktorin für Wirtschaftsstatistiken beim ONS, sagte zu den jüngsten Zahlen: „Das Wachstum wurde von den Dienstleistungen angeführt, die in den Bereichen Computerprogrammierung, Gesundheit und Fahrzeugleasing zulegten.“

Finanzministerin Rachel Reeves äußerte sich zufrieden über die Zahlen. „Die heutigen Wirtschaftszahlen sind positiv, denn das Jahr hat gut begonnen und das Wachstum hat sich im zweiten Quartal fortgesetzt“, sagte Reeves. Offiziellen Daten vom Mittwoch zufolge hat die Arbeitslosigkeit in Großbritannien im zweiten Quartal mit 4,7 Prozent jedoch ein Vierjahreshoch erreicht. Der Anstieg wird vor allem auf erhöhte Unternehmensteuern sowie auf die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zurückgeführt.

„Die grundlegenden Bedingungen bleiben fragil“

Trotz der positiven Zahlen sind Ökonomen weiter skeptisch. So geht beispielsweise Ruth Gregory, stellvertretende Chefvolkswirtin für Großbritannien bei der Forschungsgruppe Capital Economics, davon aus, dass die schwache Weltwirtschaft das britische BIP-Wachstum weiterhin dämpfen wird. Ihr zufolge haben sich zudem die Auswirkungen der seit April geltenden Steuererhöhungen auf die Unternehmensinvestitionen bislang nicht vollständig entfaltet. „Die anhaltenden Spekulationen über weitere Steuererhöhungen im Herbsthaushalt werden die Verbraucher wahrscheinlich in einer vorsichtigen Stimmung halten“, sagte Gregory.

Mit Blick auf den Rückgang des Wachstums zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal sagte der Chefökonom des Industrieverbands CBI, Ben Jones: „Die Zahlen bestätigen, dass das starke Wachstum vom Jahresanfang einmalig war und die grundlegenden Bedingungen fragil bleiben.“ Großbritannien bewege sich auf einem schmalen Grat zwischen Widerstandsfähigkeit und Stagnation. Grund hierfür seien „steigende Unternehmenskosten, eine Abkühlung des Arbeitsmarktes, nachlassende Investitionsabsichten und ein allgemein gedämpftes Vertrauen“.

Ein weiteres Problem ist die hohe Inflation. Dadurch sind die Zinsen vergleichsweise hoch, was Investitionen teurer macht. Trotz einer Senkung vorige Woche ist das Zinsniveau doppelt so hoch wie in der Eurozone. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt der britischen Wirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von 1,2 Prozent voraus, 2026 von 1,4 Prozent. Das Tempo wäre damit etwas schneller als in der Eurozone und in Japan, jedoch langsamer als in den USA und Kanada.