Sommer: Sterne gucken – SZ.de

Vertuschen

Wie so vieles in der griechischen Mythologie ist auch die Entstehung der Milchstraße das Ergebnis komplexer Beziehungsdramen. Der italienische Renaissance-Maler Jacopo Tintoretto hat seine Version dieses kosmischen Moments in einem Bild festgehalten: Der notorisch untreue Zeus hält seinen Sohn Herakles an die Brust der schlafenden Hera, in der Absicht, der kleine Herkules möge über die Muttermilch in die Welt der Götter aufgenommen werden. Der Neugeborene ist nämlich das Ergebnis eines Seitensprungs mit einer Sterblichen. Als Hera bei diesem etwas plumpen Unterfangen aufwacht, spritzt die Muttermilch quer über den Himmel und formt die Milchstraße.

Von dieser Sage gibt es viele Varianten, andere Geschichtenerzähler der Antike gingen etwa davon aus, dass die Milchstraße die einstige Bahn der Sonne markiert. Es ist wahrscheinlich, dass sich die alten Griechen, Römer und Tintoretto an lauen Sommerabenden ihre Inspiration geholt haben: Im August sieht man die Milliarden Sterne der Milchstraße klarer als im Winter, wenn nur der Rand der galaktischen Scheibe zu sehen ist. Noch deutlich besser ist der Blick von der Südhalbkugel aus, da man von dort direkt in das helle Zentrum unserer Galaxis blickt.

Die Faszination an der Milchstraße ist erdkugelübergreifend, sonst hätten Marketingmenschen nach ihr wahrscheinlich auch keinen Schokoriegel benannt – zwar steckt keine Milch in einem „Milky Way“, dafür aber so viel Zucker wie Protosterne im Sagittarius-Arm. Geruchstechnisch tendiert unsere Galaxis ohnehin in eine andere Richtung. Vor einigen Jahren haben Forscher im Zentrum der Milchstraße Moleküle gefunden, die man auf der Erde in Obst und Aromen findet. Die Milchstraße ist demnach nicht schokoladig, sondern riecht eher nach Rum und schmeckt nach Himbeeren.