Gefahr durch Hitze: Warum vergessen Eltern ihr Kind im Auto?

Es sind Vorfälle, die erschüttern und ratlos machen: Immer wieder sterben im Sommer Säuglinge und Kleinkinder, die von ihren Eltern im Auto vergessen wurden. In Spanien kam im Juli ein Zweijähriger ums Leben, der von seinem Vater im Auto vergessen wurde. In Frankreich fiel einem Vater im Juni erst beim Anruf der Frau auf, dass er den Sohn morgens nicht im Kindergarten abgegeben, sondern bei bis zu 36 Grad im Schatten im Wagen auf dem Firmenparkplatz gelassen hatte. Das Kind konnte nicht mehr wiederbelebt werden. Auch in Deutschland und anderen Ländern sterben immer wieder Säuglinge und Kleinkinder unter ähnlichen Umständen.

Längst beschäftigt das auch die Forschung. Dort spricht man vom „Forgotten Baby Syndrom“, auf Deutsch: Vergessenes-Baby-Syndrom. In den USA, in Brasilien und auch in Italien ist dieses Phänomen bereits umfangreich erforscht worden. Dabei geht es um die Frage, wie es passieren kann, dass Eltern ein Säugling im eigenen Auto vergessen, nachdem sie ihn dort erst selbst hingesetzt hatten. Parallel dazu wird an Sicherheitssystemen gearbeitet, die Eltern und Menschen auf der Straße alarmieren sollen, wenn ein Säugling alleine in einem Auto zurückbleibt.

Alleine in den USA sind nach Angaben der US-Informationsplattform „No Heat Stroke“ in diesem Jahr bereits 21 Kinder so gestorben. Im gesamten Jahr 2024 waren es demnach 39, seit 1998 insgesamt 1030 Kinder, die in einem Auto vergessen wurden und an einem Hitzschlag starben.

Ein geparktes Auto heizt lebensbedrohlich stark auf

Die Plattform stützt sich auf die Auswertung von Medienberichten, denn Behörden führen weder in den USA noch in anderen Ländern exakte Statistiken. Nicht zum Vergessenes-Baby-Syndrom zählen Fälle, bei denen Eltern kleine Kinder wissentlich im Auto zurücklassen, etwa um eine Besorgung zu erledigen, und sich der Gefahr des Hitzetods schlicht nicht bewusst sind.

Ein in direkter Sonne geparktes Auto heizt sich schnell auf. Die Temperatur im Inneren wird dadurch in kurzer Zeit lebensbedrohlich. Der ADAC rechnet vor, dass es selbst bei moderaten 24 Grad Außentemperatur im Wageninnern bereits nach zehn Minuten 31 Grad warm ist. Nach einer halben Stunde sind es bereits 40 Grad und nach einer Stunde schon 50 Grad. Bei hochsommerlichen 30 Grad Außentemperatur ist es im Wageninnern nach einer Stunde bereits 56 Grad heiß.

Hitze ist für Säuglinge und Kleinkinder dabei noch schneller kritisch als für Erwachsene: Das liegt unter anderem daran, dass sie weniger schwitzen und ihren Körper deshalb schlechter abkühlen können, wie das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit erklärt. Gleichzeitig haben sie eine höhere Stoffwechselrate und produzieren deswegen mehr Wärme. Je jünger das Kind, desto größer das Risiko einer gefährlichen Überhitzung.

Routinen als Auslöser

US-Psychologieprofessor David M. Diamond forscht seit rund 20 Jahren zum Vergessenes-Baby-Syndrom und gilt als Begründer des Begriffs. Laut seinen Studien können Stress, Schlafmangel oder veränderte Routinen Auslöser für das Vergessen des Kindes sein. Im Gehirn entstehe etwa eine falsche Erinnerung daran, das Kind wie üblich im Kindergarten abgegeben zu haben, weil Routinehandlungen wie die Fahrt zur Arbeit quasi per Autopilot absolviert würden.

Normalerweise hilft laut Professor Diamond das sogenannte Intentionsgedächtnis den Menschen, ihre in der Zukunft geplanten Handlungen später auch umzusetzen – also beispielsweise mit dem Auto am Kindergarten zu stoppen, um dort ein Kind abzugeben.

Bei Fällen von vergessenen Kleinkindern und Säuglingen hingegen werde das Intentionsgedächtnis vom Gewohnheitsgedächtnis ausgetrickst. Mit fatalen Folgen: Die Absicht, das Kind am Kindergarten abzugeben, werde vergessen und dennoch entstehe eine Erinnerung daran, das Kind abgegeben zu haben.

Spielzeug auf den Beifahrersitz legen

Immer wieder vergessen Eltern laut Forscher Diamond während Autofahrten zeitweise, dass ihr Kind mit an Bord ist. Besonders häufig passiere das, wenn der Nachwuchs im Wagen eingeschlafen ist. Die meisten erinnern sich aber dann wieder an die Kleinen, weil sie etwa eine Wickeltasche, die im Auto steht, oder ein Geräusch des Kindes wahrnehmen. Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde rät, ein Spielzeug oder eine Wickeltasche auf den Beifahrersitz zu legen, um an die Anwesenheit des Säuglings erinnert zu werden. Man könne auch die eigene Tasche oder das Mobiltelefon auf die Rückbank neben das Kind legen, damit man beim Aussteigen nach hinten schaue.

In Italien sind seit rund fünf Jahren für Kinder bis vier Jahren Kindersitze mit einem Alarmsystem vorgeschrieben. Wird das Kind versehentlich im Auto zurückgelassen, sendet der Sitz akustische und optische Alarmsignale. Zudem werden die Eltern via Smartphone benachrichtigt. Diese Anti-Vergessens-Einrichtung, der „dispositivo anti abbandono“, kann in älteren Autos auch nachgerüstet werden.

Manche Automodelle haben zudem Rücksitz-Erinnerungssysteme: Sie sollen den Fahrer nach dem Abstellen des Fahrzeugs daran erinnern, auf den Rücksitz zu gucken. Das System registriert, wenn vor oder während der Fahrt die hinteren Türen geöffnet wurden. Ebenso schlägt es Alarm, wenn das Auto ohne erneutes Öffnen der Türen abgestellt wird. Fortgeschrittene Systeme nutzen Druck-, Ultraschall- oder Infrarot-Sensoren, um Bewegung oder Körperwärme auf den Rücksitzen zu erkennen. Automobilzulieferer arbeiten zudem an weiteren Systemen, auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI).