Arminia Bielefeld: Erfolgreicher Saisonstart und Pokalspiel gegen Bremen – Sport

Der Fußballmanager Michael Mutzel ist auf dem Handy sehr gut zu erreichen, obwohl man meinen könnte, dort droben auf Wolke sieben gäbe es gar kein Netz. Die Wolke sieben als Ausdruck der Glückseligkeit stellt sich bei Arminia Bielefeld aber ziemlich bodenständig dar. Man vernimmt die Stimme des Sportgeschäftsführers Mutzel dann auch sehr klar, wenn er auf die Frage nach den nächsten Zielen von Wolke sieben aus durchs Telefon sagt: „Erst mal lange auf der Wolke bleiben!“

Der Zweitliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld ist nach zwei Siegen in den ersten beiden Spielen der neuen Saison auf Anhieb Tabellenführer. „Das fühlt sich schon wieder an wie letzte Saison“, hat Mutzel bei Sky gesagt, als nach dem 5:1-Auftaktsieg gegen Fortuna Düsseldorf die Arminia-Fußballer vor der Südtribüne von ihren Fans gefeiert wurden. Der Murmeltiertag in Ostwestfalen beginnt jeden Spieltag aufs Neue. Die Arminia ist saisonübergreifend in 13 Ligaspielen und seit fünf Monaten ungeschlagen und hat zehn dieser Spiele sogar gewonnen.

Ihre zweite Saisonpartie in der zweiten Liga gewannen die Bielefelder am vergangenen Sonntag 2:0 beim Bundesliga-Absteiger Holstein Kiel. Und um all die fröhlichen Déjà-vus komplett zu machen, empfangen sie am Freitagabend zum Erstrunden-DFB-Pokalspiel auch noch den Bundesligisten Werder Bremen (20.45 Uhr, ZDF). Gegen Bremen hatten sie im vergangenen Februar das Viertelfinale mit 2:1 gewonnen im Zuge eines Pokal-Triumphmarsches, der sie bis ins Endspiel nach Berlin führte. Dort zogen sie sich beim 2:4 gegen den Bundesligisten VfB Stuttgart achtbar aus der Affäre.

Der Aufstieg und das Pokalfinale haben in der ostwestfälischen 340 000-Einwohner-Stadt eine anhaltende Fußballeuphorie ausgelöst. Die Arminia konnte die vielen Mitglieder-Neuanmeldungen gar nicht so schnell bearbeiten, wie sie eingegangen sind, Trikots und Shirts verkaufen sich wie warme Brötchen, und erstmals musste der Klub den Dauerkartenverkauf bei 17 000 beenden. So viele Menschen haben sich in Bielefeld noch nie ein Arminia-Abonnement gegönnt. Auch das Pokalspiel gegen Bremen ist natürlich ausverkauft, und weil Bielefeld als Zweitliga-Tabellenführer ins K.-o.-Spiel geht gegen noch nicht in die Saison gestartete Bremer, könnte der eine oder andere womöglich denken, die Arminia sei diesmal Favorit.

„Wir müssen diesen Saisonstart richtig einordnen und dürfen uns nicht treiben lassen.“

Das sieht der Sportchef Mutzel aber gar nicht so. „Hier spielt immer noch ein Bundesligist gegen einen Zweitliga-Aufsteiger“, warnt der 45 Jahre alte Schwabe vor übertriebenen Erwartungen. Überhaupt genießt und schätzt Mutzel zwar die derzeitige Hochstimmung in Bielefeld ebenso wie seine kürzliche Vertragsverlängerung bei der Arminia – aber er relativiert die Euphorie in der Stadt vorsichtshalber ein bisschen, indem er sagt: „Wir müssen diesen Saisonstart richtig einordnen und dürfen uns nicht treiben lassen.“ Mutzel sitzt zwar auf Wolke sieben, aber er ist nicht komplett aus dem Häuschen. Er ordnet alles ganz sachlich ein.

Dass es im Fußball ebenso schnell rauf- wie runtergehen kann, wissen sie gerade im Fahrstuhlverein Arminia aus Erfahrung besonders gut. Bundesliga, zweite Liga, dritte Liga, dritte Liga, zweite Liga – das ist nur der jüngere Werdegang der Arminia. Über die Jahrzehnte ist es immer wieder dramatisch hinauf- und hinabgegangen.

Beim aktuellen Übergang von der dritten in die zweite Liga war dem Manager Mutzel zusammen mit dem Trainer Mitch Kniat wichtig, dass man den erfolgreichen, selbstbewussten und gefestigten Kader nicht unnötig durcheinanderwirbelt. „Wir gehen unseren Weg weiter“, sagt Mutzel als Ausdruck von Demut und Bescheidenheit. Für den an den FC St. Pauli verkauften Linksverteidiger Louis Oppie verpflichtete die Arminia von Jahn Regensburg den ablösefreien Tim Handwerker. Für die an Hannover 96 zurückgegebene Leihgabe Marius Wörl holte sie vom VfB Stuttgart II den Angreifer Benjamin Boakye und fürs offensive Mittelfeld gewann sie vom englischen Zweitligisten Hull City den zuletzt an Paderborn ausgeliehenen Marvin Mehlem hinzu. Boakye und Mehlem kosteten dem Vernehmen nach je eine halbe Million Euro. Alle drei Neuen trugen zu den Auftaktsiegen gegen Düsseldorf und in Kiel bereits tatkräftig bei.

Knapp zehn Millionen Euro hat Bielefeld vergangene Saison im Pokal verdient

Nun träumen die Fans davon, dass es Mutzel auch noch gelingt, Wörl aus Hannover zurückzuholen und fest zu verpflichten. Dafür müsste die Arminia allerdings eine Millionensumme in die Hand nehmen. Mehr als 1,5 bis zwei Millionen Euro spekuliert die Branche. Knapp zehn Millionen Euro hat Bielefeld vergangene Saison im Pokal verdient, und gut acht Millionen Euro erhält es diese Saison an TV-Geldern. Doch mit diesen Summen mussten erst mal Löcher gestopft werden. Zwei Jahre dritte Liga kosten richtig Geld.

Als Schwabe ist Mutzel von Natur aus vorsichtig. Es ist schließlich auch erst zwei Jahre her, dass er seinen Job in Bielefeld angetreten hat, als die Arminia gerade aus der zweiten Liga abgestiegen war und fast kein Spieler mehr da war. Aus dem Nichts baute Mutzel zusammen mit Kniat eine Mannschaft auf, die im ersten Jahr beinahe in die vierte Liga abgestiegen wäre, die sich aber am vorletzten Spieltag rettete, weil der Gegner Hallescher FC in der Nachspielzeit nur den Pfosten traf. Wäre dieser Schuss ins Tor gegangen, dann wäre der Abstieg dramatisch näher gekommen. Dann wäre Bielefeld womöglich in die Regionalliga West abgestürzt, und diese fabelhafte vergangene Saison mit dem Aufstieg in die zweite Liga und dem unglaublichen Durchmarsch bis ins DFB-Pokalfinale in Berlin hätte es nie gegeben.

Das Pokalspiel gegen Bremen am Freitag weckt in dieser Hinsicht ebenso Erinnerungen wie Aufbruchstimmung. „Die Vorfreude auf dieses Spiel ist riesig“, sagt Mutzel, „dieses Pokalgefühl wollen hier alle wieder erleben.“ Bei Arminia Bielefeld würden sie in der neuen Saison am liebsten einfach so weitermachen, wie sie in der vergangenen Saison aufgehört haben.