
Der Ausbau des Mobilfunks in Hessen könnte demnächst erkennbare Fortschritte machen. Anlass zu dieser Einschätzung geben Beschlüsse des Landtags und des Bundestags, die in Hessen eine stärkere Wirkung auslösen dürften als andernorts.
40 Prozent der Grundfläche Hessens sind bewaldet. In keinem anderen Bundesland stehen mehr Bäume. Sie bilden mit Tälern und Höhenlagen eine Topographie, die den Ausbau der Infrastruktur erheblich erschwert. So jedenfalls stellt es das Digitalministerium dar. Und darauf deuten auch die Karten hin, die der F.A.Z. auf Nachfragen zur Verfügung gestellt wurden.
Hessen umfasst rund 21.100 Quadratkilometer. 650 Quadratkilometer sind weiße, also nicht mit dem Mobilfunkstandard 4 G versorgte Flächen. Davon wiederum liegen 87 Prozent nach den Angaben des Ministeriums in Waldgebieten, in denen naturschutzrechtliche Auflagen dem Ausbau des Mobilfunks bislang im Wege stünden.
Vor allem der Nationalpark Kellerwald fällt ins Auge, aber auch unbewohnte Teile des Spessarts sowie abgeschiedene und unwegsamen Teile des Rheingaugebirges. Daneben sind der Burgwald im Landkreis Waldeck-Frankenberg, das Naturschutzgebiet Reinhardswald bei Kassel und die Taleinschnitte des Odenwalds schlecht versorgt.
Es verbleiben aber 13 Prozent, in denen es nicht an den natürlichen Gegebenheiten liegt. So hatten die Mobilfunkbetreiber nach den Angaben des Ministeriums in Höchst im Odenwaldkreis in der Vergangenheit „keine Ausbauabsicht“. Das Land unterstütze die Errichtung eines Mobilfunkmasts nun über ein Förderprogramm.
Im nordhessischen Lichtenfels sei man in Verzug geraten, weil sich die Anbindung des ursprünglich ausgewählten Standorts als schwierig erwiesen habe und die Unternehmen einen neuen Platz suchen müssten. „Die Gründe für weiterhin bestehende weiße Flecken sind vielfältig“, stellt der Sprecher des Digitalministeriums fest.
476 absolute Funklöcher in Hessen
Die Grundstücke müssten geeignet und die Eigentümer bereit sein, sie zu vermieten. Für die Unternehmen spielten bei der Entscheidung für oder gegen einen Standort neben der eigentlichen Errichtung die Kosten der Strom- und Datenanbindung via Glasfaser oder Richtfunk eine wichtige Rolle.
Während die weißen Flecken nicht mit dem 4-G-Standard versorgt sind, es dort aber zumindest Mobilfunkempfang gibt, bestehen darüber hinaus noch Funklöcher. An diesen Stellen ist überhaupt kein Empfang möglich. Dort lässt sich auch kein Notruf absetzen. Die Zahl dieser „absoluten Funklöcher“ gibt das Digitalministerium mit 476 an. Sie befinden sich innerhalb der weißen Flächen und machen insgesamt nur 0,2 Prozent der Landesfläche aus. Sie sind eine Kennziffer in der politischen Debatte, aber im Alltag der Bürger eher eine Randerscheinung.
Die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) ist wie ihre Kollegen im Bund und in den anderen Ländern bestrebt, die weißen Flächen auf der Mobilfunkkarte zu minimieren. Dafür wurde die hessische Bauordnung in den zurückliegenden Jahren mehrfach geändert.

Die Masten dürfen nun höher gebaut werden. Die nötigen Abstände der Masten zu angrenzenden Grundstücken wurde verringert, sodass kleinere Flächen ausreichen. Antennenanlagen sollen nicht mehr als Sonderbauten gelten und können schneller genehmigt werden, selbst wenn sie mehr als 30 Meter hoch sind.
Seit diesem Sommer gilt für die Errichtung von Masten eine Genehmigungsfiktion. Sie gelten als erlaubt, wenn die Behörde innerhalb von drei Monaten nicht über den Antrag entschieden hat. Auf diese Weise habe man die Auswahl von Standorten vereinfacht und das Verfahren beschleunigt, erklärt Sinemus.
Noch wichtiger dürfte aber der Beschluss sein, mit dem der Bundestag am 26. Juni das Telekommunikationsgesetz änderte. Danach liegt der Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze „im überragenden öffentlichen Interesse“. Die Einstufung, die seit 2022 der Windkraft zugutekommt, wurde der digitalen Infrastruktur durch die Ampelregierung wegen des Widerstands des früheren Umweltministeriums vorenthalten. Jetzt wurde sie aber auch auf das Drängen der Länder hin durchgesetzt. Dafür habe sie lange gekämpft, sagt Sinemus. Dies sei vor allem für das waldreiche Hessen „ein wichtiger Meilenstein, der den Netzausbau beschleunigen wird“.
Die besondere Bedeutung, die dem Mobilfunk nun zuerkannt wird, fällt beispielsweise dann ins Gewicht, wenn dem Ausbau Belange des Naturschutzes entgegenstehen und eine Abwägung erforderlich ist. Der Netzausbau soll in solchen Fällen künftig Vorrang haben.