

Eigentlich wollte Felix Banaszak bei einer Pressekonferenz im Mai nur einen harmlosen Vergleich ziehen. Bei seiner Kritik an Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte der Bundesvorsitzende der Grünen: „Kretschmer ist nicht der Kreiskassierer der CDU in Rüsselsheim“. Das Zitat verbreitete sich durch die Medien, und Rüsselsheim stand plötzlich als kleine Provinzstadt da. So fasste es jedenfalls Oberbürgermeister Patrick Burghardt (CDU) auf. Als ehemaliger Staatssekretär in Wiesbaden im Umgang mit den Grünen in der damaligen Koalition gut vertraut, lud der CDU-Politiker den Grünen prompt ein.
Am Montagmorgen ist es nun soweit gewesen: Zwei Stunden lang hat Burghardt für Banaszak den Fremdenführer gegeben. „Da isser ja“, sagte der Oberbürgermeister, der seinen Gast nicht etwa vor dem Rathaus, sondern im Innenhof empfing. Banaszak, ganz Staatsmann, war vor dem Haupteingang des Rathauses aus seinem E-Auto gestiegen um die Eingangstreppe hinaufzuschreiten, wurde dann aber galant um das Rathaus herum in den Innenhof gelotst.
Banaszak: „Ich entschuldige mich in aller Form für alles“
Vom Oberbürgermeister bekam er einen Rüsselsheim-Schriftzug überreicht, damit er sich immer an die Opel-Stadt erinnere. Und seine grünen Parteifreunde, mit denen er sich später noch einmal im Opel-Altwerk traf, bevor er mit dem Opel-Chef einen Werksrundgang machte, schenkten ihm das Fahrrad der Opel-Brüder. Noch vor dem Rundgang durch die Stadt tat der Bundespolitiker Buße: „Ich entschuldige mich in aller Form für alles. Es war keine Glanzleistung“, sagte er. Er habe mit seiner Aussage lediglich darstellen wollen, dass Ministerpräsident Kretschmer ein stellvertretender Bundesvorsitzenden der CDU und nicht irgendein Kommunalpolitiker sei. „Ich hätte statt Rüsselsheim auch Berchtesgaden sagen können.“
Der Rüsselsheimer Oberbürgermeister hörte es wohl und bekannte, er habe Banaszaks Äußerungen damals auch gar nicht mit Zorn, sondern mit einem Schmunzeln aufgenommen. Und so schlenderten die beiden nach dem Austausch der Höflichkeiten – begleitet von einem Medientross – in trauter Eintracht zunächst zum Mainufer. Der Gast aus Berlin bewunderte den Leinenreiter, den Opel-Manta aus Beton und die Kunstwerke am Mainufer. Die Opelvillen verglich er mit der Villa Hügel. Und der Oberbürgermeister schilderte während des Rundgangs die Sorgen der Stadt. Vor allem die Finanzen drückten die einst wohlhabende Kommune schon seit den Neunzigerjahren, sagte er. Gewerbesteuereinnahmen von nur rund 25 Millionen Euro im Jahr seien für eine Stadt dieser Größe zu wenig, vor allem vor dem Hintergrund ständig steigender Sozialausgaben.
Vergleiche zu seiner Heimatstadt Duisburg
Nicht besser sah es im Opel-Altwerk aus. Dunkle, teilweise dem Zerfall preisgegebene Werkshallen, aus denen später einmal etwas Neues werden soll und die nach den ursprünglichen Plänen heute schon eine Einkaufsmeile sein könnten, beeindruckten den Grünen nachhaltig. Bisher habe er Rüsselsheim nur mit Opel in Verbindung gebracht, jetzt habe er viel mehr erfahren, sagte Banaszak. Der Oberbürgermeister habe ihm alles gezeigt – sogar die erste Werkshalle von Opel, in der einst noch Fahrräder, Nähmaschinen und Kühlschränke gebaut worden seien und in der heute Skater ihre Bahnen zögen.
So machte sich der Grünen-Chef am Ende dankbar und geläutert auf dem Weg zu seinem nächsten Besuch: Am Nachmittag wollte er sich in Eisenach über den Strukturwandel in einer Automobilstadt informieren.
