
Mit einer Machtdemonstration im Halbfinale beendet der Weltranglistenerste Jannik Sinner den Traum von Novak Djokovic vom achten Wimbledon-Triumph. Im Finale trifft er auf den Ranglisten-Zweiten Carlos Alcaraz, der zuvor in der prallen Sonne Taylor Fritz souverän besiegt hat.
Jannik Sinner gegen Carlos Alcaraz – in Wimbledon kommt es zwischen den derzeit besten Tennisprofis der Welt zur Neuauflage ihres epischen Finals von den French Open. Mit einer Machtdemonstration beendete der Weltranglistenerste Sinner den Traum von Novak Djokovic vom achten Triumph beim Rasen-Klassiker. Der Italiener setzte sich mit 6:3, 6:3, 6:4 gegen den angeschlagenen Serben durch und wackelte nur kurz im dritten Satz.
Das Spiel hielt nur selten, was die großen Namen versprochen hatten. Zu dominant agierte Sinner von Beginn an, Djokovic wirkte nicht auf Höhe seines Könnens. Der 38-Jährige war kurz vor seinem Viertelfinalsieg böse ausgerutscht und hart auf den Rasen geschlagen. Sinner trat wieder mit einem weißen Armling an, nachdem er sich im Achtelfinale den rechten Ellenbogen überdehnt hatte.
Nur kurzes Aufbäumen von Djokovic
Doch vor allem Djokovic wirkte eingeschränkt, bewegte sich nicht gut. Sinner erwischte einen Traumstart. Beim zweiten Aufschlag setzte er Djokovic früh unter Druck, hatte ein höheres Tempo in den Grundschlägen und schaffte das frühe Break. Fast alle langen Ballwechsel entschied der Südtiroler für sich, nach nur 33 Minuten holte er den ersten Satz.
Auch im zweiten Durchgang lag Djokovic schnell hinten und wirkte phasenweise verzweifelt. Mit „Nole“-Rufen versuchte das Publikum, ihm Mut zu machen. Doch Sinners Aufschlag blieb unantastbar, keinen einzigen Breakball erarbeitete sich Djokovic bis zum dritten Satz. In der Pause wurde er am Oberschenkel behandelt und bäumte sich noch einmal auf. Doch auch eine 3:0-Führung war zu wenig, Sinner gewann fünf Spiele in Serie und wenig später das Match.
Für Sinner war es der fünfte Sieg in Serie gegen Djokovic, bereits im Halbfinale der French Open hatte er den 24-maligen Grand-Slam-Titelgewinner glatt in drei Sätzen bezwungen. Dass Djokovic in seiner Ausnahmekarriere noch Roger Federers Herren-Rekord von acht Wimbledon-Titeln einstellen kann, erscheint angesichts seines Alters kaum noch vorstellbar.
„Mein Traum“: Drittes Wimbledon-Finale für Alcaraz
Zuvor hatte bereits der Topfavorit Carlos Alcaraz das Finale von Wimbledon erreicht und darf auf seinen dritten Titel in Serie beim Tennis-Klassiker auf Rasen hoffen. Der 22 Jahre alte Spanier bezwang im Halbfinale den Amerikaner Taylor Fritz mit 6:4, 5:7, 6:3, 7:6 (8:6) und steht zum sechsten Mal im Endspiel bei einem Grand-Slam-Turnier. Die vorigen fünf hat er alle gewonnen.
„Es war ein wirklich schwieriges Match. Es waren sehr schwere Bedingungen bei den Temperaturen hier“, sagte Alcaraz, der bei mehr als 30 Grad im vierten Durchgang zwei Satzbälle abwehrte. „Das ist mein Traum hier“. Direkt nach seinem Finaleinzug fieberte auch er auf das zweite Duell des Tages hin. „Das ist eines der aufregendsten Duelle, das wir auf der Tour haben. Djokovic gegen Jannik“, sagte er. „Als großer Tennisfan werde ich versuchen, zu viel wie möglich davon zu sehen.“
Vor den Augen zahlreicher Prominenter wie den Star-Schauspielern Leonardo DiCaprio, Benedict Cumberbatch und Tobey Maguire leistete sich Alcaraz nur gegen Ende des zweiten Satzes eine längere Schwächephase.
Wie schon mehrfach im Turnier gab es kurz zuvor mehrere kurze Unterbrechungen, weil es Fans nicht gut ging. Sie saßen auf der unteren Tribüne des Centre Courts in der prallen Sonne. Fritz holte einmal Wasser aus der Kühlbox, das ein Balljunge Richtung Tribüne brachte. Bei einem anderen Vorfall musste eine Frau gestützt von der Tribüne gebracht werden. Die Partie konnte jeweils nach wenigen Minuten fortgesetzt werden.
Alcaraz macht es Boris Becker nach
Ansonsten zeigte der Weltranglistenzweite Alcaraz das ganze Repertoire seines Extrakönnens: Mit starken Aufschlägen, zahlreichen Netzangriffen und reichlich Finesse beendete er den Traum von Fritz vom ersten Grand-Slam-Titel. Für Alcaraz war es der 20. Sieg in Wimbledon nacheinander, auch diese Saison ist er nun bereits seit 24 Partien ungeschlagen.
Alcaraz ist der zehnte Spieler in der Geschichte des Profi-Tennis der Herren, der dreimal nacheinander im Wimbledon-Finale stand – darunter auch Boris Becker. Drei oder mehr Titel in Serie haben nur der Schwede Björn Borg, der das Halbfinale aus der Royal Box verfolgte, Pete Sampras (USA), der Schweizer Roger Federer und Djokovic in der modernen Ära im All England Club gewonnen.
Alcaraz startete rasant, nahm Fritz mit einem Netzroller direkt im Auftaktspiel den Aufschlag ab. Erstmals langsam kam der Amerikaner in seinem ersten Wimbledon-Halbfinale an. Mit den Titeln bei den Vorbereitungsturnieren in Stuttgart und Eastbourne hatte der Weltranglistenfünfte seine starke Form auf Rasen bewiesen, kam jedoch bei Aufschlag seines Gegners lange Zeit nie in die Ballwechsel.
Beim Stand von 3:1 schien Alcaraz etwas ins rechte Auge geflogen zu sein, der Spanier ließ sich wenig später behandeln. Doch auch dies beeinträchtigte ihn nicht. Nach nur 35 Minuten nutzte er seinen ersten Satzball.
Es dauerte bis zum vierten Spiel im zweiten Satz, bis Fritz einen Punkt gewinnen konnte, wenn Alcaraz seinen ersten Aufschlag ins Feld brachte. Nach mehreren kurzen Pausen geriet plötzlich der Spanier doch ins Wackeln. Einen Breakball wehrte er noch ab, kassierte jedoch durch einen Doppelfehler und leichte Patzer das Break zu Null zum 5:7.
Fritz ging zum Umziehen in die Kabine, Alcaraz blieb in der prallen Sonne stehen. Schnell fand er wieder seine Konzentration und seinen Rhythmus, gewann zeitweise 13 Punkte in Serie und holte sich souverän Satz Nummer drei.
Im vierten Durchgang erlaubten beide Spieler bei eigenem Aufschlag keine Breakbälle. Im Tiebreak heizte Alcaraz das Publikum nach einem Überkopfball zum Abschluss eines spektakulären Punkts an, wehrte zwei Satzbälle ab – und jubelte wenig später über den Matchgewinn.
dpa/luwi/saha