
Während viele Unternehmen wieder Präsenzarbeit anordnen, belegt eine Studie am Beispiel von Wien, wie stark und offenbar dauerhaft der Trend zum hybriden Arbeiten den Wohnungsmarkt verändert hat. Die Stadtplanung müsse auf solche Trends schneller reagieren. Instrumente dafür gäbe es.
Die Schrecken der Corona-Zeit verblassen, je länger die Pandemie zurückliegt. Doch das Virus hat auch Veränderungen erzwungen, die nicht mehr vollständig verschwinden werden. Aus der Pflicht zum Home-Office – wo es möglich war – wurde nach den strengen Lockdowns ein hybrides Arbeiten, eine Kombination aus Büro- und mobiler Arbeit.
Zwar geben in Umfragen rund 30 Prozent der Unternehmen an, die Heimarbeit einschränken oder ganz abschaffen zu wollen, doch blieb der Anteil der Firmen, die ihren Angestellten wenigstens teilweise das flexible Arbeiten ermöglichen, noch 2024 auf konstant hohem Niveau. Etwas also wird vermutlich bleiben aus der Corona-Zeit.
Das Arbeiten während der Pandemie hat auch die Erwartungen der Menschen an ihre Art zu wohnen verändert. Eine Studie, an der unter anderem eine Forschungsgruppe der Universität Oxford sowie das Institut Agenda Austria mitgewirkt haben, hat nun untersucht, wie stark die Corona-Pandemie auf den Mietmarkt eingewirkt hat – und was daraus für die Zukunft des Wohnens abzulesen sein könnte.
Die Verfasser weisen selbst auf methodische Limitationen hin, etwa, dass durch die Stützung der Analyse auf Online-Daten potenzielle Verzerrungen der Stichprobe auftreten könnten, da die Demografie der Online-Nutzer nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sein könnte. Dennoch liefert die Studie interessante Ansätze und Erkenntnisse für das Wohnen der näheren Zukunft.
Als Objekt für ihre Studie haben die Wissenschaftler nicht ohne Grund Wien ausgewählt. „Die Stadt ist bekannt für ihren erschwinglichen kommunalen Wohnraum sowie für ihre vielfältige Landschaft von Bezirken, die von der dicht besiedelten historischen Innenstadt bis hin zu ständig wachsenden Vororten reichen“, heißt es in der Studie.
So diene die Stadt, die auch für ihre starke Regulierung bekannt ist, als Fallstudie, die einen Mikrokosmos unterschiedlicher Wohnstrukturen und urbaner Dynamiken biete und mustergültig für Trends von hybriden und dezentralen Arbeitsmustern diene, die Städte auf der ganzen Welt betreffen. Für die Untersuchung wurden 120.000 Online-Wohnungsanzeigen aus den Jahren 2018 sowie 2021/22 ausgewertet. Das Ziel war es, zu erfassen, wie sich die Wohnpräferenzen der Vor-Corona-Zeit durch die Pandemie verändert haben.
Die Kernaussage der Studie: Die Wertigkeit einzelner Merkmale von Wohnungen hat sich deutlich verschoben. Eigenschaften, die das Arbeiten von zu Hause erleichtern, haben für die Menschen an Bedeutung gewonnen. Das zeigt etwa der relative Preisaufschlag im Verhältnis zur durchschnittlichen Monatsmiete für ein zusätzlich verfügbares Zimmer – das das Home-Office deutlich erleichtert – der sich gegenüber 2018 in etwa verdoppelte. Doch auch die begehrter gewordene Möglichkeit, sich in der Innenstadt außerhalb der Wohnung aufzuhalten, etwa auf Terrassen oder Balkonen, spiegelte sich in der Preisentwicklung.
Auch der Drang zum städtischen Wohnen hat über die Jahre abgenommen. Durch die fehlende Notwendigkeit, täglich in die Innenstadt zu pendeln, haben die Außenbezirke an Beliebtheit gewonnen. Der Stellenwert einer perfekten ÖPNV-Anbindung ist deshalb gesunken. Außerhalb der Innenstädte sind auch weitere beliebt gewordene Features wie zusätzliche Bäder leichter zu bekommen. Gleichzeitig hat das Zentrum Wiens, zumindest auf dem Mietmarkt, an Attraktivität eingebüßt. Wohnungen ohne Homeoffice-Potenzial, oft in alten Gebäuden mit Gasetagenheizung und ohne Außenbereich, erzielten mittlerweile geringere Mieten.
Eine Entwicklung, die auch durch jüngste Preisdaten etwa aus Deutschland bestätigt wird: Laut dem Wohnungsportal ImmoScout stieg die Nachfrage von Mietern nach Wohnungen im ländlichen Raum im zweiten Quartal 2025 um neun Prozent, so kräftig wie zuletzt 2023. Auch das Umland der Großstädte war um sieben Prozent stärker gefragt als bisher. Die Metropolen selbst verzeichneten dagegen nur ein moderates Nachfragewachstum von vier Prozent.
Was kann Wien, was können aber auch andere Großstädte als Erkenntnisgewinn aus der Studie mitnehmen? Die Wissenschaftler appellieren an die Politik, die Stadtplanung stärker an die hybrid gewordenen Arbeitswelten anzupassen. Dazu zählen sie eine Förderung dezentraler Infrastruktur, den Ausbau von Homeoffice-fähigem Wohnraum, und zwar auch im sozialen Wohnungsbau, neue Mobilitätskonzepte wie Carsharing oder verbesserte Radwege sowie eine belastbare Internet-Infrastruktur.
Um die Attraktivität der Präsenzarbeit zu fördern und Arbeitnehmer in die Büros zurückzuholen, sollten Gewerbeimmobilien den zeitgemäßen Anforderungen angepasst werden, um Produktivität, Innovation und Wohlbefinden zu stimulieren. Weiterhin könnten Echtzeitdaten von Immobilienplattformen dabei helfen, Wohnpräferenzen besser und schneller zu erfassen und in die Wohnungsbaupolitik einfließen zu lassen.
Michael Höfling schreibt für WELT über Immobilien, Wirtschaftspolitik und Gold. Gemeinsam mit Michael Fabricius ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig, den Sie hier abonnieren können.