
Stürmerin Lea Schüller schießt für die DFB-Frauen so regelmäßig Tore wie schon lange keine deutsche Nationalspielerin mehr. Trotzdem stand sie bisher bei den großen Turnieren immer irgendwie im Schatten von Alexandra Popp. Doch bei der EM in der Schweiz ist sie nun im Rampenlicht angekommen.
Und hat auch im ersten EM-Spiel gegen Polen (2:0) prompt wieder geliefert. In der 66. Spielminute stahl sie sich im Rücken der Verteidigerinnen Sylwia Matysik und Emilia Szymczak davon und nickte die Flanke von Jule Brand zur Vorentscheidung ein.
Es war ihr 53. Tor im 76. Einsatz für die A-Nationalmannschaft. Mehr Rampenlicht geht eigentlich kaum. Doch weil die Öffentlichkeit meist auf Popp schaute, ist nach dem Rücktritt der langjährigen Kapitänin, die oft mit Schüller um den Platz im Sturmzentrum konkurrierte, nun doch etwas anders.
Schüller anders als Popp
Die 27-jährige Schüller findet es „generell schade für das Team, dass ‚Poppi‘ nicht mehr da ist. Sie hat einfach etwas ausgestrahlt“, hatte sie vor dem EM-Start erklärt. Sie habe aber nicht etwa vor, in diese Lücke zu stoßen: „Wir waren schon sehr unterschiedlich. Ich werde niemals eine Alexandra Popp ersetzen. Ich bin nicht so ein Kapitänstyp, ich bin einfach nicht so wie ‚Poppi'“, sagte Schüller im Gespräch mit der Sportschau.
Ich werde niemals eine Alexandra Popp ersetzen. Ich bin einfach nicht so wie ‚Poppi‘.
Eine Lautsprecherin wird Schüller nicht mehr werden – das ist sicher. Besonders die Öffentlichkeits- und Medienarbeit ist ihr eher eine lästige Pflicht. Die Kapitänsrolle hatte Giulia Gwinn übernommen (nach Gwinns Verletzung Janina Minge) und ihre Rolle sehr zum Gefallen des Teams ausgefüllt. Schüller will nach eigener Aussage weiter ihr eigenes Ding machen – und auf dem Platz mit Leistung vorangehen.
Schüllers Vorbilder? „Frauenfußball für mich nicht sichtbar“
Ihre ersten Schritte im Fußball machte Schüller einst bei den Jungs. „Ich hatte gar keinen Frauenverein in der Nähe, als ich jung war. Der Frauenfußball wurde nicht so übertragen, wie es jetzt der Fall ist – und war so für mich einfach nicht sichtbar“, erinnert sich die Stürmerin. Auch mit Vorbildern war es deshalb schwierig.
Von einer Heidi Mohr hatte Schüller deshalb auch noch nie gehört, bis sie mal auf die effektivste DFB-Stürmerin aller Zeiten angesprochen wurde. Die dreifache Europameisterin und Vize-Weltmeisterin von 1995 erzielte in 104 Länderspielen 83 Tore. Das entspricht einem Schnitt von 0,8 Treffern pro Spiel. Dahinter folgt in der ewigen Bestenliste schon Schüller (0,7). Zu einem Treffen kann es nicht mehr kommen, Mohr starb bereits 2019 im Alter von gerade einmal 51 Jahren an Krebs.
Gespräche mit DFB-Sturm-Ikone Birgit Prinz
Aber auch ohne Vorbild ging Schüller ihren Weg. Bei der SGS Essen nahm ihre Karriere Fahrt auf. Schon mit 16 Jahren debütierte sie in der Bundesliga. Bis 2020 spielte sie für den heute letzten reinen Frauenfußball-Klub der ersten Liga, bevor sie zu den Bayern wechselte. Da war sie längst A-Nationalspielerin geworden und hatte mit Birgit Prinz eine andere Ikone des Frauenfußballs in Deutschland kennengelernt.
Als die Rekordnationalspielerin als Mentaltrainerin für das Frauenteam des DFB tätig war, suchte Schüller immer mal wieder das Gespräch, um mit ihr „über Stürmerangelegenheiten“ zu sprechen, wie sie sagte.
Lea Schüller als 16-Jährige bei ihrem Bundesliga-Debüt für die SGS Essen.
Mitspielerin Bühl lobt Schüller in den höchsten Tönen
Wie Prinz heute hält sich Schüller in der Öffentlichkeit am liebsten raus – und gibt sich eher wortkarg: Hat sie ein Lieblingstor? „Nein, ich bin generell niemand, der so die ‚Banger‘ macht.“ Sie sei keine Spielerin für die besonders schönen Tore. Erinnert sie sich an ein besonders wichtiges Tor? „Da fällt mir spontan keines ein.“ Und wie steht es um ihr Erfolgsrezept für viele Tore? „Das verrate ich nicht. Das könnte ja sonst jeder machen.“
Lea macht das, was eine Stürmerin machen soll: Sie steht richtig und macht die Dinger rein.
Klara Bühl kennt Schüller seit Jahren. Im Verein wie im Nationalteam sind die Linksaußen und Schüller ein eingespieltes und auch erfolgreiches Duo. „Ich spiele ja eigentlich immer mit ihr zusammen. Ich kenne sie extrem gut. Und ich glaube, man merkt es auch, wie wir da kombinieren, wie ich sie immer wieder in der Box finde“, erkärte Bühl.
Schüller mache dann zuverlässig genau das, was die Hauptaufgabe einer Mittelstürmerin sei: „Sie steht richtig und macht die Dinger rein. Wir brauchen so einen klassischen Stürmer vorne drin, der einfach die Tore macht und so der Mannschaft hilft.“
Schüller: „Alle gucken nach vorne“
Schüller ist bewusst, dass sie als Mittelstürmerin auf dem Platz eine besondere Position inne hat: „Alle gucken nach vorne. Und da stehe halt nur noch ich. Deswegen ist es wichtig, dass man auch etwas ausstrahlt.“
Ihre Rolle im Team habe sich über die Jahre verändert. „Ich gehöre jetzt auch schon zu Team Alt und den erfahrenen Spielerinnen“, sagte Schüller. Aber in die Rolle sei sie mit der Zeit hineingewachsen. Etwas Spezielles vornehmen müsse sie sich da für die Endrunde nicht extra.
Sie übernehme „einfach anders Verantwortung im Team“. Nicht zuletzt durch Tore. Und zumindest in diesem Punkt sind sich Popp und Schüller eben doch recht ähnlich.