
Kirchenglocken und ein Gewitter eröffneten schon
1970 Black Sabbath, das Debütalbum der gleichnamigen Band. Tony Iommi spielt
dabei ein Gitarrenriff mit Tritonus, der berüchtigten übermäßigen Quarte, auch Teufelsintervall genannt, weil sie so schief klingt. Auf dieser verruchten Tonfolge baute Iommi den
ganzen Song auf. In das Gruselhörspiel setzt Sänger Ozzy Osbourne ein, auch mit
Anfang 20 klingt er schon uralt. Seine Stimme erkennt man unter Tausenden heraus,
seine Überbetonungen, sein Klagen. „Oh no„, jault er auf, als sei er die
Van-Helsing-Figur in einem alten britischen Horrorfilm, die in diesem Moment
gerade dem Monster begegnet. Black Sabbath gilt heute als erster
Heavy-Metal-Song der Musikgeschichte.
55 Jahre später schlagen die Glocken wieder, ein
letztes Mal. In ihrer Heimatstadt Birmingham feiern Black Sabbath ihre letzte
Messe. Sie sind mit ziemlicher Sicherheit die älteste
weltbekannte Band, deren Gründungsbesetzung nicht nur vollständig am Leben
ist, sondern sogar noch einmal gemeinsam auf einer Bühne steht. Oder eben sitzt,
wie Frontmann Ozzy Osbourne. Während im Fußballstadion Villa Park vor 42.000 Fans das legendäre Intro ertönt, wartet der Sänger in der Mitte
der Bühne auf einem großen Thron, eine Fledermausfigur sitzt oben auf seiner
Lehne, als würde sie über ihn wachen. Natürlich denkt man sofort an die Geschichte,
wonach Osbourne einmal auf der Bühne einer Fledermaus den Kopf abgebissen haben
soll.
„Wir alle sollten tot sein“
Ozzy Osbourne ist 76 Jahre alt, leidet an
Parkinson und hat eine kaputte Wirbelsäule. Im Laufe seines Lebens hat er viele
Drogen genommen. „Ich sollte längst tot sein“, hat er eben noch in einem
Videoeinspieler gesagt. „Wir alle sollten tot sein.“
Die geplante Tour zu seinem letzten Soloalbum musste
Osbourne 2023 aus gesundheitlichen Gründen absagen. Seitdem hatte er immer
wieder betont, dass er dieses eine Abschiedskonzert noch spielen werde, koste
es, was es wolle. Und wenn es das Letzte sei, was er tue. Nun sitzt er also,
allen Rückenproblemen zum Trotz, dem Tod selbst zum Trotz, sichtlich berührt im Stadtion von Birmingham. Fast fünf Millionen verfolgen die Show Back to the Beginning via Livestream.
Manchmal schneidet Osbourne an diesem Abend noch seine berühmten
Grimassen, reißt die Arme auseinander wie ein Zauberkünstler auf dem Rummel,
der vorgibt, mit dem Jenseits zu kommunizieren. Dann spürt man noch das
alte Feuer hinter seinen weit aufgerissenen, kajalumrandeten Augen.
Die guten alten teuflischen Geschichten
Früher soll das Konzertpublikum vor diesem
Anblick manchmal schreiend davongelaufen sein. Erzählt zumindest Ozzy Osbourne
gerne in Interviews. Das konnte er, den unheimlichen Märchenonkel geben,
der noch einmal die guten alten teuflischen Geschichten erzählt. Osbourne ist aber
auch deswegen eine außergewöhnliche Popkulturfigur, weil ihn nicht nur die
älteren Metal-Fans kennen, sondern auch eine jüngere Generation über seine Reality-Soap The Osbournes, die in den Nullerjahren bei MTV lief.
Es verabschieden sich bei diesem Konzert also
gleich zwei Acts: die überlebensgroße Popkulturfigur Ozzy Osbourne und die
Heavy-Metal-Pioniere Black Sabbath. Es ist kein Zufall, dass gerade Birmingham,
das schon im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum der Industriellen Revolution
und vor allem der Metallverarbeitungsindustrie war, den Heavy Metal
hervorgebracht hat.
Gitarrist und Sabbath-Gründungsmitglied Tony Iommi verlor als 17-Jähriger bei der Fabrikarbeit seine Fingerkuppen in einer
Metallpresse. Wenn man genau hinsieht, kann man die kleinen Prothesen an seinen
Fingerspitzen erkennen, die er bis heute trägt, Fingerhüte aus Plastik und
Leder. Weil das Gitarrespielen damit nicht ganz so einfach ist, stimmte Iommi
damals die Saiten tiefer, sodass sie lockerer sind. Seine schwerfällig dröhnenden
Riffs klangen dadurch noch böser als das, was die Hard-Rock-Kollegen bei Deep
Purple oder Led Zeppelin damals aufboten.