Jamal Musiala: Ein tragischer Tag für Musiala

Oft weiß man erst später, wie schwer eine Verletzung ist. Bei Giulia Gwinn war erst nach einem Tag klar, dass ihre Verletzung vom EM-Auftakt gegen Polen doch nicht ganz so schlimm ist wie befürchtet, zum Glück kein weiterer Kreuzbandriss. Bei Jamal Musiala wussten am Samstag alle sofort, dass es schlimm ist. Sehr schlimm. Man sah es an seinem Fuß, der in einem sehr unnatürlichen Winkel vom Unterschenkel abstand.

Im Klub-WM-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain stand Musiala zum ersten Mal seit drei Monaten wieder in der Startelf. Er war zuvor wegen eines Muskelbündelrisses ausgefallen. Der 22 Jahre alte deutsche Nationalspieler war in seiner noch jungen Karriere schon oft verletzt, aber noch nie so schwer wie jetzt. Wie die Bayern mitteilten, hat er sich das linke Wadenbein gebrochen und das Sprunggelenk ausgerenkt.

Das Unglück passierte in der dritten Minute der Nachspielzeit von Halbzeit eins. Der Verteidiger Willian Pacho lief einen Pass von Michael Olise locker ab, wartete auf seinen Torwart Gianluigi Donnarumma, damit der den Ball aufnehmen konnte. Aber Musiala, typisch für ihn, gab den Ball nicht auf. Er versuchte, sich zwischen Verteidiger und Torwart zu quetschen. Donnarumma hechtete nach dem Ball, erwischte ihn minimal vor Musiala, klemmte dabei aber dessen Bein ein. Ein Foul war es nicht, das Resultat war dennoch verheerend.

Die Bilder waren gruselig. Man brauchte kein Arzt zu sein, um zu erkennen, dass hier etwas gebrochen sein musste. Allen Spielern in der Nähe sah man den Schock an. Donnarumma ging in die Knie, vergrub das Gesicht in seinen Torwarthandschuhen und ging zur Mittellinie. Olise zog sich das Trikot über den Kopf. Ein paar Spieler, die es ertragen konnten, knieten noch während der Halbzeitpause bei Musiala.

Die Bayern gaben Donnarumma die Schuld

Eine gute Stunde später waren die Bayern aus der Klub-WM ausgeschieden, nach einer guten Leistung, aber einer 0:2-Niederlage im Viertelfinale gegen den Champions-League-Sieger. Doch das interessierte niemanden so richtig. Das Drama war Musiala.

Geld nehmen die Bayern von ihrer USA-Reise einiges mit, etwa 50 Millionen Euro wird ihnen die Fifa überweisen. Doch auch wenn die Verletzung Musialas genauso in einem Freundschaftsspiel hätte passieren können, haben die Bayern nun bei der Klub-WM einen ihrer besten Spieler verloren – und damit dieses neue Turnier, das selbst Fans nicht mitriss, teuer bezahlt. Wie lange Musiala ausfallen wird, ist nicht klar, aber es werden Monate sein.

Die Bayern, wahrscheinlich noch unter Schock, gaben direkt nach dem Spiel Donnarumma die Schuld. Max Eberl wollte dem Italiener zwar keine Absicht unterstellen, aber Rücksicht habe der auch nicht genommen: „Wenn ich mit 100 Kilo und im Sprint auf den Unterschenkel draufspringe, ist die Gefahr groß, dass etwas passiert.“ Manuel Neuer sagte, in der Situation müsse man nicht so reingehen. „Da nimmt man die Verletzung des Gegenspielers einfach in Kauf.“

Musste das sein? Das fragten sich im ersten Moment sicher viele. Im Wissen um die Wirkung seines Hechtsprungs würde Donnarumma wahrscheinlich nicht noch mal so reingehen. Wahrscheinlich würde Willian Pacho den Ball einfach auf die Tribüne schießen. Aber es ist schon wichtig, festzuhalten, dass nichts darauf hinweist, Donnarumma habe Musiala absichtlich verletzt. Torhüter haben schon weitaus Wilderes, Gefährlicheres, Unverantwortlicheres getan. Neuer müsste das eigentlich wissen. Im WM-Finale 2014 sprang er – Knie und Hüfte voran – in den Argentinier Gonzalo Higuaín, vor einem halben Jahr mit der Schulter zuerst in den Leverkusener Jeremie Frimpong (wofür er Rot bekam). Im Fußball, wo sich Spieler in Millisekunden für etwas entscheiden müssen, können solche Unfälle leider passieren.

Alle wissen: Die Bayern haben Geld und sie brauchen Spieler

Wer hat Schuld, wer nicht – diese Fragen helfen zudem weder Musiala noch den Bayern. Sie haben jetzt nicht nur einen Topspieler weniger, ihnen fehlt es nun auch generell an Offensivspielern. Leroy Sané haben sie ablösefrei gehen lassen, Thomas Müller wollten sie nicht mehr. Manche spekulieren bereits, Müller könne doch bei den Bayern bleiben, er wies das am Samstag zurück. Jedenfalls wissen nun alle Transfermarktteilnehmer dieser Welt, dass die Bayern Geld haben und Spieler brauchen. Das ist keine gute Kombination, wenn man günstig einkaufen will.

Max Eberl hat kürzlich eine rhetorische Frage gestellt: „Ist Nick Woltemade 80 Millionen wert?“ Die Antwort ist: jetzt vielleicht schon. Nicht, weil ein solcher Preis für Woltemade angemessen wäre, sondern weil sich die eh schon gute Verhandlungsposition des VfB Stuttgart gerade noch mal verbessert hat. So läuft es im manchmal irrationalen Fußballgeschäft.

Und so bringt Musialas Verletzung Eberl und die Bayern in eine sehr knifflige Situation, in der sie diesen Sommer wahrscheinlich mehr Geld ausgeben müssen als geplant.

Vor allem aber ist es tragisch für Jamal Musiala.