
Deutschland hat sein Auftaktspiel bei der Frauen-EM mit 2:0 gegen Polen gewonnen. Nachdem es in der ersten Hälfte im Offensivspiel noch hakte, brach ein Traumtor der überragenden Jule Brand den Bann. Das DFB-Team in der Einzelkritik.
Ann-Katrin Berger (Tor): Der 34-Jährigen wird extreme Coolness bescheinigt. Aber auch nachgesagt, es gegen schwache Gegnerinnen zuweilen nicht konzentriert genug anzugehen. Gegen Polen zeigte sich die deutsche Keeperin hellwach. Schon in den ersten zwei Minuten musste sie zweimal entschlossen eingreifen. Im weiteren Verlauf des Spiels musste sie gegen konternde Polinnen immer wieder als eine Art Libero hinter den Verteidigerinnen absichern. Das gelang ihr fehlerlos. Starkes Spiel!
Sarai Linder (Abwehr): Eine defensiv weitgehend souveräne Partie der Linksverteidigerin, die hauptsächlich im deutschen Aufbauspiel gefordert war. Immer wieder spielte sie gute Flachpässe auf die linke Außenbahn, kam aber überhaupt nicht dazu, selbst einmal bis auf die Grundlinie durchzustarten. Da war vor ihr stets Klara Bühl im Weg, die den erforderlichen Raum besetzte. Das deutsche Spiel blieb so im ersten Abschnitt auf der linken Außenbahn etwas zu statisch. Das änderte sich nach dem deutschen Führungstor. Plötzlich konnten die Polinnen den Sturmlauf über die linke deutsche Seite kaum noch eindämmen.
Rebecca Knaak (Abwehr): Undankbare Partie für die beiden deutschen Innenverteidigerinnen. Knaak und Minge wurden bei fast ständigem deutschem Ballbesitz weit nach vorn gezogen. Bei Ballverlust war hinter ihnen eine Menge Raum für die schnellen Polinnen. Mit viel Konzentration und gutem Stellungsspiel bekamen beide diese heikle Aufgabe wirklich gut in den Griff.
Janina Minge (Abwehr): Übernahm nach Gwinns Ausscheiden die Kapitänsbinde. Das zeigt schon den Stellenwert der Wolfsburgerin im Team. Wie Knaak war sie viel ins deutsche Aufbauspiel eingebunden, daneben musste sie immer ein Auge auf die polnische Top-Stürmerin Ewa Pajor behalten. Bis auf eine Ausnahme im ersten Abschnitt, als Pajor plötzlich auf und davon war, machte sie das ausgezeichnet.
Giulia Gwinn (Abwehr): Bitterer Abend für die deutsche Kapitänin. Erst hatte sie auf ihrer rechten Abwehrseite kaum Aktionen – die Polinnen griffen, wenn sie es überhaupt einmal taten, eher über die andere Seite an. Als sie dann defensiv gefordert war, musste sie es gegen Ewa Pajor in höchster Not mit einem Spreizschritt tun, bei dem sie sich am linken Knie verletzte. In der 40. Minute musste sie ausgewechselt werden.
Elisa Senß (Mittelfeld): Das 55-kg-Leichtgewicht von Eintracht Frankfurt ist eine leidenschaftliche Zweikämpferin. Das zeigte sie vor allem zu Beginn des Spiels eindrucksvoll, als sie im zentralen Mittelfeld ein ums andere Mal erfolgreich abräumte und wichtige Bälle gewann. Allerdings: Ihr passierten auch Leichtsinnsfehler. In der 14. Minute lief ihr bei einer gegnerischen Ecke im Rücken eine Gegenspielerin weg, was fast zum Gegentor geführt hätte. In der 35. Minute vertändelte sie den Ball vor dem eigenen 16er, was Kollegin Gwinn zur fatalen Rettungstat gegen Ewa Pajor zwang. Ausgewechselt nach 70 Minuten.
Sjoeke Nüsken (Mittelfeld): Im ersten Abschnitt hatte die zentrale Mittelfeldspielerin vom FC Chelsea wie ihre Teamkolleginnen Mühe mit dem dichten Getümmel im Zentrum. Lief sich ein ums andere Mal fest. In der 62. Minute hätte sie das 2:0 machen müssen, als sie eine wunderbare Bühl-Flanke freistehend aus fünf Metern nicht im Tor unterbrachte. Mit der deutschen Führung fiel ihr eine regelrechte Last von den Schultern. Hatte am Ende die meisten Ballgewinne (10) und die meisten gewonnen Zweikämpfe (9) des deutschen Teams auf dem Konto.
Linda Dallmann (Mittelfeld): An der Spielmacherin vom FC Bayern lief das Spiel lange vorbei. Wie bei ihren Teamkolleginnen löste sich die Blockade erst so richtig nach dem deutschen Führungstreffer. Dann war sie mit dabei, als die Kombinationen flüssiger wurden. Ausgewechselt nach 70 Minuten.
Klara Bühl (Mittelfeld): Bühls Aufgabe gegen die tief stehenden Polinnen: Über links Druck machen und flanken – möglichst auf die kopfballstarke Schüller. Mit ihrem starken linken Fuß gelang das auch ein paarmal – allerdings in der ersten Hälfte wahrscheinlich bei weitem nicht so oft und zwingend, wie sich der Bundestrainer das gewünscht hätte.
Auf Touren in halbzeit zwei – Klara Bühl
Ein ums andere Mal blieb die 24-Jährige an ihrer routinierten Gegenspielerin Sylwia Matysik vom 1. FC Köln hängen. Nach dem 1:0 hatte sie endlich etwas mehr Raum und sah gleich viel besser aus. Da kamen sie plötzlich, die gewünschten Flanken.
Jule Brand (Mittelfeld): Die 22-Jährige ist mit ihrer Athletik und Schnelligkeit die geborene Konterspielerin. Aber wie sollen derlei Fähigkeiten zum Tragen kommen, wenn man quasi 90 Minuten lang den Gegner in die eigene Abwehr drängt? Brand fehlten lange Luft und Raum. Dennoch war sie gefährlichste deutsche Offensivspielerin. Vor allem, als sie mit Linda Dallmann die Position tauschte und von ihrer angestammten rechten Außenposition ins Zentrum wechselte. In der 24. Minute scheiterte sie mit einem guten Abschluss noch an der polnischen Keeperin. Ihr Treffer zum 1:0 war dann ein regelrechtes Traumtor.
Lea Schüller (Angriff): In der dicht gestaffelten Abwehr der Polinnen fand die Münchnerin nur wenig Raum zur Entfaltung. Hatte lange kaum eine Szene, bis ihr in der 45. Minute plötzlich ein flacher Ball von links vor die Füße fiel, den sie prompt verstolperte. Im zweiten Abschnitt bekam sie dann die gewünschten Zuspiele. In der 65. Minute vergab sie noch eine sogenannte 100-prozentige Chance. Eine Minute später war sie dann aber da und versenkte per Kopf stark zum 2:0. Durfte nach 70 Minuten raus.
Carlotta Wamser (Abwehr) ab 40. für Gwinn: Ganz abgeklärte Leistung der Leverkusenerin, die nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden von Gwinn deren Position rechts hinten übernahm. Machte ihre Sache unaufgeregt und quasi fehlerfrei. Ohne nach vorn zu glänzen. Aber das musste sie ja auch nicht.
Giovanna Hoffmann (Angriff) ab 70. für Schüller: Kam mit viel Elan und Lauflust ins Match und reihte sich ins spät funktionierende Angriffsspiel der Deutschen ein. Eine echte Torchance bekam sie aber nicht mehr.
Laura Freigang (Mittelfeld) ab 70. für Dallmann: Die Frankfurterin hätte sich sicher einen Platz in der Startelf gewünscht, musste sich aber erst einmal hinter Dallmann anstellen. In den verbleibenden Minuten hatte sie kaum noch Möglichkeiten, sich auszuzeichnen. Die Partie war quasi schon entschieden.
Sydney Lohmann (Mittelfeld) ab 70. für Senß: Was für Freigang gilt, ist auch Lohmanns Thema: Der Platz auf der Ersatzbank ist nicht ihr liebster. Sie zeigte sich in den verbleibenden 20 Minuten und war ein Aktivposten im zentralen Mittelfeld. Mehr ging auch kaum in der verbleibenden Zeit.