Drogenpolitik in Frankfurt: Crack-Suchthilfezentrum beschlossen

Nach einer äußerst lebhaften, zweistündigen Debatte im Frankfurter Römer haben sich 54 der anwesenden 88 Stadtverordneten für die Einrichtung eines neuen Suchthilfezentrums ausgesprochen, das sich insbesondere an Crack-Abhängige richten soll. Die FDP, obwohl Teil der in Frankfurt regierenden Koalition, hat gegen das Projekt gestimmt. Der in dem Antrag formulierte Satz, wonach auswärtige Drogenkonsumenten abgewiesen werden sollen, hat keine Mehrheit gefunden.

„Die Entscheidung der Stadtverordneten ist ein eindeutiges Bekenntnis für eine moderne Drogenpolitik“, sagte die für das Suchthilfezentrum zuständige Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) im Anschluss an die Abstimmung. „Als erste Stadt in Deutschland reagiert Frankfurt mit einem klaren Schritt auf Crack und Fentanyl.“ Nicht nur für drogenkranke Menschen in der Stadt werde sich die Situation verbessern, „sondern gerade im Bahnhofsviertel für alle Menschen“.

Zentrales Ziel Frankfurts mit dem Suchthilfezentrum ist es, die zum Teil katastrophalen Zustände im zentral gelegenen Frankfurter Bahnhofsviertel, dem Ort der Drogenszene, aber auch Ausgehviertel und Eingangstor zur Innenstadt, zu verändern. Das Hilfsangebot richtet sich an eine neue Generation von Drogensüchtigen, die durch den Crack-Konsum verstärkt auf der Straße konsumieren, aber auch größere und schnellere Verelendungserscheinungen zeigen.

Als Standort für das neue Suchtzentrum sieht Voitl eine Immobilie an der Niddastraße 76, in der Nähe des Hauptbahnhofs und an der Grenze zum Bahnhofsviertel, vor.

Der Frankfurter Weg wird fortgesetzt

Mit der nun getroffenen Entscheidung des Stadtparlaments setzt Frankfurt den sogenannten Frankfurter Weg fort. Er beruht vor allem darauf, Drogenabhängige als Suchtkranke zu behandeln und die Repressionen gegen Dealer und den Handel mit illegalen Drogen zu richten.

Frankfurt hat als erste deutsche Stadt diesen Weg Anfang der neunziger Jahre beschritten, um Menschenleben zu retten. 1991 hatte es in Frankfurt noch beinahe 150 tote Heroin-Abhängige gegeben. Seit dem Beginn des Frankfurter Wegs werden jährlich zwischen 20 und 40 Drogentote registriert.

Am Rand des Bahnhofsviertels: An der Niddastraße soll das neue Crackzentrum entstehen.
Am Rand des Bahnhofsviertels: An der Niddastraße soll das neue Crackzentrum entstehen.Maximilian von Lachner

Bis zuletzt strittig war die Frage, ob mit dem Beschluss zum neuen Suchthilfezentrum auch zwangsläufig die Vorgabe der Stadt Frankfurt verbunden ist, dass auswärtige Konsumenten abgewiesen werden sollen. Für diese Maßgabe hat es im Stadtparlament am Donnerstagabend keine Mehrheit gegeben, obwohl sich der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) dafür in Absprache mit der Frankfurter Polizei massiv eingesetzt hatte.

Linke fordert Hilfsangebote für alle

Josef hatte erst kürzlich in einer eigens anberaumten Pressekonferenz mitgeteilt, dass „wir nicht mehr ganz Süddeutschland mitversorgen können“. Die Stadt müsse deutlich machen, dass „Frankfurt kein Ort mehr ist, an dem jeder Drogen kaufen und konsumieren kann“. Insbesondere die Fraktion der Linken im Römer hatte dagegen Hilfsangebote für alle gefordert. Betroffene beim Ausstieg aus der Sucht zu begleiten, müsse „oberste Priorität“ haben, das sei „eine humanitäre Pflicht“. Dem Oberbürgermeister warf die Linken-Fraktionschefin Dominike Pauli in der Debatte vor, er nutze seinen Vorschlag, „um sich auf Kosten der Betroffenen und des gesamten Projektes populistisch zu profilieren“.

Während einige nun befürchten, dass der Verzicht auf die Formulierung im Beschluss, auswärtige Konsumenten abzuweisen, das gesamte Konzept des neuen Hilfezentrums in Frage stellen könnte, es sogar zu einem neuen „Suchtmagneten“ machen könnte, wie es die FDP formuliert hatte, teilt SPD-Fraktionschefin Ursula Busch diese Bedenken nicht.

Sie ist, wie sie in der Debatte deutlich gemacht hat, überzeugt, dass am Ende planungsrechtliche Vorgaben wie die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots und die Ausformulierung des Konzepts für die Einrichtung sehr wohl dafür sorgen werden, dass es Aufnahmebeschränkungen im Sinne der Stadt geben wird.

Josef will weiter abweisen

Am späten Abend äußerte sich auch Oberbürgermeister Mike Josef zu dem Ergebnis, dass in dem nun beschlossenen Antrag zumindest an einer Stelle die Abweisung von auswärtigen Konsumenten gestrichen worden ist. An einer anderen Stelle im Antrag steht der entsprechende Passus weiterhin drin.

Josef sagte, es sei „gut, dass das Zentrum kommt“. Jedoch bedaure er, dass der entsprechende Satz, der den Zugang zu dieser Einrichtung reglementieren sollte, nun nicht mehr vorhanden sei. Er halte den Weg, die städtische Drogenhilfe nur lokalen Konsumenten zur Verfügung zu stellen, weiterhin für richtig. Die Debatte darüber sei keineswegs beendet. Sie stelle sich spätestens dann wieder, wenn es um die baurechtlichen Vorschriften gehe. Das Rücksichtnahmegebot gegenüber den Anwohnern müsse eingehalten werden. Schon allein deshalb sei es nicht möglich, „unkontrolliert den Zugang für alle zu öffnen“.

Das Pilotprojekt, das die Stadt mit dem Drogennotdienst vom Verein „Jugendberatung und Jugendhilfe“ vor kurzem begonnen hat, soll fortgeführt werden. Josef sagte, bisher gebe es „gute Rückmeldungen des Vereins“.

Zum Abstimmungsergebnis sagte Josef, er sei „schon erstaunt darüber, dass sich ausgerechnet die Partei, die sich am stärksten dafür eingesetzt hatte, dass es eine Abweisung von Auswärtigen gibt“, namentlich die FDP, nun dagegen ausgesprochen habe, obwohl sie auf ihrem eigenen Parteitag noch die Notwendigkeit einer Reduzierung der Drogenszene hervorgehoben habe.

Die getrennte Abstimmung zum Suchtzentrum einerseits und zu dem umstrittenen Passus andererseits „hätte der FDP die Möglichkeit gegeben, gegen die Einrichtung zu stimmen, aber trotzdem für eine striktere Reglementierung der Drogenszene zu sein. Dann wäre bei diesem knappen Ergebnis auch die Reglementierung nun beschlossen“.

Stattdessen müsse die Stadt nun weiter damit zurechtkommen, dass das Bahnhofsviertel an seine Belastungsgrenze komme. Er habe Verständnis für das Schicksal von Drogenabhängigen. „Aber wir haben auch eine Verantwortung für die Allgemeinheit in dieser Stadt. Frankfurt braucht diesen Paradigmenwechsel.“ Die Akzeptanz für solche Projekte werde nicht größer, „wenn man nicht wenigstens einen Rahmen schafft“.

Heftiger Streit in der Koalition

Die jetzt beschlossene Einrichtung des neuen Crack-Suchthilfezentrums an der Niddastraße 76 hat dazu geführt, dass sich in den vergangenen Wochen die Koalition im Römer aus Grünen, SPD, FDP und Volt zerstritten hat. Gezeigt hat sich das auch in der Abstimmung, bei der die FDP das Suchthilfezentrum mitsamt dem Kauf der Immobilie am vorgesehenen Standort in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs abgelehnt hat. Die FDP hatte mehrfach ihre Partner im Römer aufgefordert, den Koalitionsvertrag in dem Sinne einzuhalten, dass man nur gemeinsam als Viererbündnis abstimme.

Doch Grüne, SPD, Volt haben nun gemeinsam mit Stimmen aus der Opposition, etwa der Linken, Ökolinx-ELF und „Die Fraktion“, für das Suchthilfezentrum gestimmt. Dagegen hatten neben der FDP auch die Fraktion der CDU, der AfD und BFF-BIG gestimmt.

Protest von Anwohnern, Hauseigentümern und Hoteliers

Welche Konsequenzen die FDP in Frankfurt aus dieser Abstimmung zieht, ob die Entscheidung neun Monate vor der hessischen Kommunalwahl tatsächlich zu einem Bruch der Koalition im Römer führt, ist noch nicht sicher. Der Frankfurter FDP-Parteichef Frank Maiwald teilte noch am Abend mit, dass „wir nach so einem Tag nicht zur Tage Tagesordnung übergehen können“. Maiwald warnte vor einem Schnellschuss. Wie es nun in der Zusammenarbeit im Römer weitergehe, „das werden wir in den Gremien beraten“.

Kritik an der Einrichtung an einem zentralen Standort haben in den vergangenen Wochen vor allem Anwohner, Immobilieneigentümer, Gastronomen und Hoteliers geübt. Auch die Industrie- und Handelskammer als Vertreterin der Frankfurter Wirtschaft hatte noch am Dienstag betont, „erheblichen Diskussionsbedarf beim Standort des Crack-Suchthilfezentrums zu sehen“.

Zudem hatte die Industrie- und Handelskammer angeregt, mit Blick auf die Herausforderungen im Bahnhofsviertel auch jenseits der offenen Drogenszene eine Stabsstelle beim Frankfurter Oberbürgermeister einzurichten, um das Vorgehen effektiv und dauerhaft zu koordinieren.