
Ein Glas Wasser aus der Küche holen, einen Schalter betätigen, etwas in den Mülleimer werfen: Alltagsverrichtungen, die Robody mit Leichtigkeit meistert. Genauer: der Operator, der mit einer VR-Brille auf dem Kopf und einem Steuergerät in jeder Hand die direkte Kontrolle über ihn ausübt.
Robody ist mit einem schwarzen Rock und einem hellen Pulli bekleidet. Er bewegt sich auf zwei großen und vier kleinen Rädern. Wer ihm auf dem Flur im Thorsten-Goos-Haus in Wiesbaden-Erbenheim begegnet, sieht im Kopf des etwa 1,60 Meter großen Roboters das Video-Livebild seines menschlichen Operators. Und nicht nur das: Dank Kameras und Mikrofonen kann man sich auch mit ihm unterhalten.
Denn Robody ist kein autonomer, von einer KI gesteuerter Roboter, sondern ein ferngelenktes Assistenzsystem mit humanoider Gestalt, das mit zwei Greifarmen ausgestattet ist. Mit ihnen kann der Operator zwar nur ein Gewicht von eineinhalb Kilogramm stemmen, aber das genügt für viele Hilfen im Behinderten- oder Pflegeheim oder der häuslichen Umgebung. Dabei ist Robody genauso geschickt wie sein Operator.
Eine Antwort auf den Personalmangel in der Pflege?
Der Clou: Der Operator kann überall da sitzen, wo er über eine Internetverbindung verfügt, also auch in einem anderen Haus, einer anderen Stadt oder einem anderen Land. Hersteller ist das Münchner Tech-Start-up Devanthro. Testweise zu Gast ist der kurz vor der Markteinführung stehende Robody aktuell in Wiesbaden-Erbenheim in einer Einrichtung der IFB-Stiftung. IFB steht dabei für Inklusion, Förderung und Betreuung. Es ist laut Digitalministerium das erste Pilotprojekt in Deutschland zum Einsatz von Robotik zur Schaffung inklusiver Arbeitsplätze. Von Erbenheim zieht Robody am Mittwoch weiter in die Villa Brosius in Heidenrod-Laufenselden, ins IFB-Mehrgenerationenhaus nach Hünstetten-Görsroth und in den inklusiven Zuhause-Markt in Schlangenbad-Georgenborn. Dort soll Robody unter anderem Ordnung in den Verkaufsregalen schaffen.
Die Hoffnung: Robody soll modernste Robotik mit menschlicher Präsenz kombinieren und so die Betreuungsqualität verbessern. Er soll dabei menschliche Betreuung ergänzen, nicht ersetzen. Der Roboter könnte auch inklusive Arbeitsplätze schaffen, wenn er beispielsweise von gehbehinderten oder querschnittgelähmten Menschen gesteuert wird. Die intuitive Steuerung sei schnell erlernbar, heißt es. Laut Rafael Hostettler vom Hersteller Devanthro ist Robody auch eine mögliche Antwort auf den größer werdenden Mangel an Arbeitskräften in der Pflege.
Für die IFB erhofft sich Jürgen Zaunbrecher in der Testwoche Aufschluss darüber, wie der Roboter auf die Menschen wirkt, denen er im Pflegealltag begegnet. Beispielsweise wenn der Operator über Robody beim Altennachmittag Brettspiele mit den Senioren spielt. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
Der Akku hält acht Stunden
Über Robody könnten beispielsweise auch demente Senioren rund um die Uhr und regelmäßig überwacht werden, Sensoren könnten Notfälle wie Stürze melden. Robody könnte auch aktiviert werden, wenn ein Pflegebedürftiger zu bestimmten Zeiten an die Einnahme von Medikamenten erinnert werden muss. Auch entfernt wohnende Angehörige könnten sich gegebenenfalls über die verschlüsselte Verbindung auf Robody aufschalten und zu einem Brettspiel verabreden.
Zaunbrecher sieht die Zukunft des Roboters als ergänzendes Mittel für Pflegedienste. Getestet wurde am Dienstag in Wiesbaden auch, wie eine auf den Rollstuhl angewiesene Frau von Robody Unterstützung erfahren kann, wenn dieser von einem Operator gesteuert wird, der ebenfalls mit Einschränkungen zurechtkommen muss.
„Robody eröffnet neue Möglichkeiten für inklusive Arbeitsplätze und kann dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenwirken“, meint Melissa Groh, Vorsitzende der IFB-Stiftung. Tatsächlich könnte ein Gehbehinderter mit Robody und seinen Greifern einfache Tätigkeiten überall auf der Welt ausüben. Der Akku hält acht Stunden, in 20 Minuten ist er zu 80 Prozent geladen. Im nächsten Jahr soll die Markt- und Serienreife erreicht sein.