
In der iranischen Hauptstadt Teheran haben am Samstag Zehntausende Iraner an der Trauerzeremonie für die von Israel getöteten Militärführer und Atomwissenschaftler teilgenommen. Anders als in der Vergangenheit blieb der Oberste Führer Ali Khamenei der Veranstaltung fern. Bislang hatte er sich bei Staatsbegräbnissen als Vorbeter gezeigt. Seit Beginn des Krieges mit Israel ist Khamenei nicht mehr öffentlich aufgetreten.
Insgesamt wurden am Samstag 60 Särge durch die Straßen von Teheran gefahren, darunter auch jene von Frauen und Kindern. Unter den Teilnehmern der Zeremonie waren Präsident Massud Peseschkian, Außenminister Abbas Araghchi und der Kommandeur der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Einheit der Revolutionsgarde, Esmail Qaani. Insgesamt waren auffallend wenige Militärführer anwesend.
Khameneis Berater in Atomfragen hat überlebt
Zu sehen war auch Khameneis Berater in Atomfragen Ali Schamkhani, der zwischenzeitlich für tot erklärt worden war. Er überlebte schwer verletzt einen nächtlichen Angriff auf seine Wohnung. In seinem ersten Interview nach dem Angriff, welches das Staatsfernsehen am Samstag ausstrahlte, sagte Schamkhani: „Ich weiß, warum sie mich kriegen wollten.“ Den Grund nannte er nicht.
Schamkhani war als Verteidigungsminister und Sekretär des nationalen Sicherheitsrats jahrelang eng mit dem Atomprogramm und dem Militär verbunden. Über die Atomverhandlungen mit den USA, die zum Zeitpunkt des israelischen Angriffs noch andauerten, sagte Schamkhani, sie seien von Washington nie mit dem Ziel einer Einigung geführt worden. Sie seien darauf ausgerichtet gewesen, „innerhalb des Landes eine Atmosphäre zu schaffen, in der zu Protesten aufgewiegelt werden kann“. Er rief die iranische Führung auf, „Konflikte“ mit der Bevölkerung durch „gegenseitige Verständigung“ zu lösen.
Ähnlich hat sich Präsident Peseschkian geäußert. Manche Iraner hoffen, dass der Krieg das moderatere Lager des Regimes gestärkt haben könnte. Andere sehen dagegen die Festnahmen von mehr als 700 Personen wegen angeblicher Spionage als Vorzeichen für eine neue Repressionswelle.
Außenminister spricht von Märtyrern
Offizielle Trauerzüge wie am Samstag ziehen in Iran regelmäßig Menschenmengen an. Das Regime in Teheran präsentiert sie als Beleg für eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung. Außenminister Araghchi schrieb auf der Plattform X: „Die Wellen an Patrioten, die in Iran auf die Straße gingen, . . . haben alle eine Botschaft: Anders als das schwächliche israelische Regime verbergen wir unsere Verluste nicht. Wir sind stolz auf unsere Märtyrer, die unsere Vorbilder sind.“
Seit Beginn des Krieges beschwört das Regime mit patriotischer Rhetorik den nationalen Zusammenhalt. Zahlreiche inhaftierte Oppositionelle haben die israelische Militäroffensive als Angriff auf ihr Land verurteilt, während Israel von Angriffen auf das Regime spricht. So ist es in Teherans Sinne, dass der israelische Angriff auf das Evin-Gefängnis sich zu einem Symbol für den Krieg entwickelt hat. Die Justizbehörde teilte am Sonntag mit, dabei seien 71 Personen getötet worden, darunter Mitarbeiter der Gefängnisverwaltung, Wärter, Gefangene und Angehörige von Gefangenen. Die Schicksale der Getöteten haben in der Bevölkerung und unter Gefangenen für Empörung und Anteilnahme gesorgt.
Unterdessen sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, in einem Interview mit dem Sender CBS, Iran könne „innerhalb von Monaten“ mit „wenigen Kaskaden von Zentrifugen“ wieder Uran anreichern. Die Angriffe hätten zwar „schwere Schäden“ verursacht, „aber keinen totalen“ Schaden. Die Atomfrage sei „militärisch nicht abschließend zu lösen“.