SPD-Parteitag: Bye-bye Esken, hello schwierige Zeiten

Die emotionalsten Momente sind auf diesem SPD-Parteitag eher
die leisen. Gestern war es Lars Klingbeil, der mit belegter Stimme sprach, als
er sein schlechtestes Wahlergebnis als SPD-Vorsitzender in der Geschichte der
Partei entgegennahm. Und heute ist es seine ehemalige Co-Vorsitzende Saskia Esken, die sich sichtlich bewegt von ihrer Zeit an der Parteispitze
verabschiedet.

Mit brüchiger Stimme bedankt sich Esken zu Anfang ihrer Rede
für den davor gezeigten Videoeinspieler zu ihrem Abschied. „Macht ist für dich
kein Selbstzweck“, heißt es in diesem Video etwa, oder „Olaf wurde auch Kanzler
wegen dir“. „Ganz toll“ sei das gewesen, sagt Esken, „sehr wertschätzend“.

Das Video steckt voller Banalitäten, angefangen mit „Die schönsten Geschichten schreibt das Leben“, hier als glatt geschliffener Versuch,
Eskens ungewöhnlichen
Lebenslauf
einzufangen. Für Außenstehende ist das Video nichts Besonderes,
für Esken schon. Es sind die Zeichen aus ihrer Partei, auf die sie in den
Monaten des Machtkampfs vor und nach der Wahl vergeblich gewartet hat. Nun, wo
der Machtkampf entschieden und sie leer ausgegangen ist, erkennt ihre Partei
ihren Anteil an vergangenen Erfolgen an. Trotzdem ist Esken dankbar dafür:
„Olaf, du warst mein Kanzler“, sagt sie.

Es passt zur Haltung dieser Vorsitzenden, die
Person hinter die Partei zu stellen
, auch an diesem Tag keine lauten und
schon gar keine bösen Worte zu verlieren. Es sei „die Ehre ihres Lebens“
gewesen, SPD-Vorsitzende zu sein. Darüber, was ihr dabei persönlich wichtig war,
spricht sie auch heute nur indirekt: Basisarbeit.

Der große Auftritt lag ihr hingegen weniger. Dafür wurde sie
auch parteiintern hart kritisiert. Sie habe nicht das Format einer Parteichefin,
hieß es. Nur war ihr die große Rede auch persönlich weniger wichtig. In kleiner
Runde erzählte sie nach ihrem Rückzug gut gelaunt die Geschichte, wie sie als Vorsitzende einmal
zum 111.
Geburtstag des SPD-Ortsverbands Sulzfeld-Zaisenhausen
fuhr – die Feier zum
110. Geburtstag war wegen Corona verschoben worden. Als Fan klassischer
Fantasy-Literatur sei es bei der magischen Zahl 111 keine Frage gewesen, ob sie
dort hinfahre. Ob ihr dieser Termin persönlich etwas bringt, war ihr nicht nur
hier völlig egal.

Späte Anerkennung für Esken

Die Politikerin Saskia Esken, die hart in der Sache für ihre
Themen und weniger für persönliche Macht kämpfen will, wirkt in diesem Moment daher
vor allem befreit. Ohne die formale Macht der Parteivorsitzenden ergeben sich für sie deutlich
geringere Einflussmöglichkeiten. Aber zugleich ein großer Spielraum, eigene
Prioritäten zu definieren und danach zu handeln.

Dabei wird sie auf
diesem Parteitag
mit einem Mal auch für ihre Erfolge auf der großen Bühne
gewürdigt. Und das von ihrem härtesten Konkurrenten und Co-Chef Klingbeil. „Ich
kann dir bescheinigen, du bist ganz schön hartnäckig, wenn es um deine Themen
geht“, sagte Klingbeil am vergangenen Freitag in seiner Rede. Das
500-Milliarden Sondervermögen, das habe „nicht ich erfunden, nicht Friedrich
Merz, nein, das warst du, liebe Saskia!“ Als Erste habe sie sich schon 2018 für
diese massiven Investitionen in Infrastruktur eingesetzt.

Genützt hätten Esken diese Worte, als sie noch um ein
Ministeramt in der neuen Regierung kämpfte. Doch damals ließ Klingbeil die
Debatte um ihre Person über Monate laufen. Erst in dem Moment, in dem dieses
Ringen entschieden war, bezeichnete Klingbeil den Umgang
mit ihr
öffentlich als „beschämend“.