Klub-WM in den USA – die Frage ist doch: Wann ist ein Fußballturnier erfolgreich? – Sport

Man muss die Aussage von Hans-Joachim Watzke über die Klub-WM und die seiner Meinung nach arrogante Haltung der Europäer dazu zweimal lesen. Sie enthält nämlich eine zweite Botschaft neben dem Arroganz-Vorwurf. „Hier vor Ort bekommen wir mit, wie begeistert die Südamerikaner, die Asiaten und die Afrikaner dieses Turnier begleiten. Für sie hat es einen Wert wie für uns die Champions League“, hatte Watzke der Sport Bild gesagt und damit für Aufregung gesorgt. Die Botschaft, die massenhaft zitiert wurde in US-Medien: Gibt doch Spiele, bei denen gefeiert und getanzt wird, wo Kinder Autogramme bekommen – nur diese Laune-Verderber aus Europa motzen mal wieder. Diesmal über Hitze, leere Stadien und fußballerische Qualität.

Das wirklich Spannende an diesem Satz ist jedoch, was Watzke nicht gesagt hat; also die Region, die er nicht erwähnt hat: die USA. Den Spielort also, wo nächstes Jahr (plus Kanada und Mexiko), wie sie in Amerika sagen,  „The Real World Cup“ stattfinden wird. Die richtige WM also, und kurze Frage: Sagt man das in Deutschland auch so? Fakt ist: Das Turnier 2026 mit 48 Nationalteams ist nicht vergleichbar mit diesem Event, das es in dieser Form zum ersten Mal gibt und Experiment sein soll für … ja, wofür eigentlich?

Ob das mit der Fußballbegeisterung in den USA tatsächlich klappen kann? Deren Ankunft wird so oft versprochen und dann vertagt wie Robotaxis von Elon Musk oder das Videospiel GTA 6. Klar, Partien mit südamerikanischer Beteiligung liefern Bilder begeisterter Fans – aber: Das würden sie auch vom Nordpol aus tun. Es gibt aber auch die Bilder aus Orlando vom Spiel Mamelodi (Südafrika) gegen Ulsan (Südkorea). Offizielle Zuschauerzahl: 3412. Chat-GPT-Bilderanalyse bei Anpfiff: weniger als 700.

Fifa-Chef Gianni Infantino war höchstselbst zur Partie Dortmund gegen Ulsan FC in Cincinnati gekommen; er hatte US-Vizepräsident J.D. mitgebracht. Chat-GPT-Bilderanalyse beim Abspielen der US-Hymne vor dem Spiel: etwa 4000 Leute in der 27 000- Zuschauer-Arena. Am Ende waren es laut Fifa 8000.

Infantino hat mit eigenen Augen gesehen, worüber die Dortmunder danach auf Suggestiv-Fragen der Reporter (Europäer, natürlich!) sprachen. Zum Beispiel Karim Adeyemi: „Wäre schön, wenn richtig Atmosphäre herrscht und jeder mitfiebern würde, aber wir sind froh über jeden, der kommt.“ Sportdirektor Sebastian Kehl: „Heute waren 8000 Zuschauer da, das ist nicht die größte Werbung für den Fußball hier.“

Moment mal: Darum geht es doch bei diesem Turnier, Werbung für den Fußball – oder etwa nicht? Oder sind die Fragen möglicherweise andere, nämlich: Wann ist die Klub-WM erfolgreich, und: aus wessen Sicht? Und welche Lehren wird man daraus ziehen müssen?

Findet die nächste Klub-WM in Brasilien statt? Oder doch wieder in Nordamerika? Oder gar in Australien?

2029 soll die zweite Version stattfinden, es gibt bereits Bewerber. Brasiliens Verbandschef Samir Xaud meinte vergangene Woche nach einem Treffen mit Infantino regelrecht verzückt: „Er sagte, dass es absolut möglich sei – nun lasst uns das realisieren.“ Im Dezember hatte es noch geheißen, dass die USA erneut Spielort sein könnten. Aber, da hat Watzke völlig recht, man muss seine Analyse umkehren: Ohne die Südamerikaner wäre doch kaum was los in den Stadien!

Die Gründe dafür waren vorhersehbar: Es gab parallel zu viele andere Höhepunkte wie die Finalserien in NBA und NHL, Golf-US-Open, Formel 1 in Montréal. Aber, und das ist das viel größere Problem für Amerikaner: Gleichzeitig läuft tatsächlich noch anderer soccer in den USA, nämlich das Kontinental-Länderturnier Gold Cup und die heimische Liga MLS. Die hat am Mittwoch den Spielbetrieb wieder aufgenommen, mit elf Partien – warum sollten die Leute in Cincinnati bei gefühlten 43 Grad ins Stadion zu BVB-Ulsan, wenn sie abends in einer der vielen Fußballkneipen in der Stadt den 3:1-Auswärtssieg des FC Cincinnati in Montréal feiern können? Oder die WM-Teilnehmer Seattle Sounders und Los Angeles FC, die am Wochenende schon wieder in der US-Liga gespielt haben. Jetzt können sie ohnehin noch immer nicht besonders viel mit Fußball anfangen – aber wie sollen sie das kapieren: Drei zeitgleich stattfindende Wettbewerbe in den USA, allesamt als Premium-Produkt vermarktet?

Das führt direkt zur nächsten Frage: Ist diese Klub-WM wirklich ein Premium-Produkt? Das Beste vom Besten, wie es Weltverband Fifa den Amerikanern und dem Rest der Welt zu erklären versucht? Europäische Nationalspieler hatten am Ende der Saison noch Nations-League-Partien, danach etwa eine Woche Urlaub. Es folgte die Reise auf einen anderen Kontinent zu Partien, die wegen der Sendezeiten in Europa in der Mittagshitze angepfiffen werden. „All das muss man in Kontext setzen“, sagt BVB-Trainer Niko Kovac: „Jedem Trainer ist klar, dass es hier keine Höchstleistungen geben kann.“ BVB-Sportdirektor Kehl fand: „Die Qualität war nicht hoch, das sieht man aber auch auf anderen Plätzen. Ich glaube nicht, dass überragende Spiele über 90 Minuten zu sehen sind.“

Also, auch aus Zuschauersicht eher keine Werbung für den Fußball. Was indessen der US-Sport-Fan will: das Beste vom Besten, deshalb nennen sie Meister im Football und Baseball ganz selbstverständlich „World Champions“ – und deshalb werden bei der richtigen WM die Stadien rappelvoll sein. Was sie noch akzeptieren: Spektakel wie bei den Sommerbesuchen der Fußballvereine. Die sportliche Qualität darf dabei überschaubar sein, wenn es dafür Unterhaltung gibt wie bei den All-Star-Spielen ihrer Ligen.

Die Klub-WM bietet beides nicht. Für allzu viel Drumherum ist keine Zeit, die Vereine nehmen das Turnier wegen des üppigen Preisgeldes sehr ernst – doch bis auf Klubs aus Südamerika hat kein Teilnehmer das Prädikat „Weltklasse und in Topform“ verdient.

Warum? Dafür muss man zu eben jenen Südamerikanern, die für Stimmung auf den Tribünen und Spektakel auf dem Platz sorgen. Botafogo besiegte Champions-League-Sieger PSG; der Verein stand damit im Achtelfinale – wie alle anderen brasilianischen Vertreter, nämlich Palmeiras, Fluminense und Flamengo (gegen den FC Bayern). Das Achtelfinale Botafago gegen Palmeiras am Samstag in Philadelphia bot dann bei Temperaturen bis zu 36 Grad trotz eines mauen 1:0 Prachtbilder. Und zwar vom Ex-Leverkusener Paulinho, wie er nach feinstem Abschluss zum Siegtreffer in 100. Spielminute zu den ekstatischen Palmeiras-Fans sprintet und mit ihnen feiert.

Ohne jegliche europäische Arroganz gibt es aber eine Einschränkung. Die Saison der brasilianischen Serie A begann am 29. März, sie pausiert wegen der Klub-WM. Die Akteure sind voll im Saft und zudem mit der Hitze vertraut. Die Europäer kamen nach ihren jeweiligen Spielzeiten, brachten Zugänge und Transferdebatten mit. Keine Ausrede – aber durchaus ein Faktor. Die Begeisterung in Südamerika ist freilich umso größer, weil sie es den Europäern mal ordentlich gezeigt haben. Auch das sei ihnen gegönnt – man sollte den Verantwortlichen europäischer Vereine aber auch gestatten, die Ergebnisse einzuordnen, ohne ihnen gleich Abgehobenheit zu unterstellen.

Damit zurück zu den Fragen: Wann ist diese Klub-WM erfolgreich, und: aus wessen Sicht? Und welche Lehren wird man daraus ziehen müssen?

Was die europäischen Vereine aus dieser Klub-WM lernen sollten: Sie werden auch künftig auf andere Kontinente reisen müssen; das Turnier ist für Europa nur als TV-Markt (dafür aber zur allerbesten TV- und Streamingzeit) gedacht. Die klare Botschaft der Fifa: Wir brauchen euch nicht mehr als Ausrichter, es gibt genügend andere Bewerber. Wenn Ihr die Millionenprämien haben wollt, steigt in die Flugzeuge.

Die Nordamerikaner haben sich mit ihrem Desinteresse auch eher disqualifiziert – wie Watzke völlig richtig analysierte: Südamerika füllt die Stadien. Brasilien bewirbt sich bereits offensiv. Die anderen Interessenten sind Marokko, Katar und Saudi-Arabien. Und, tatsächlich, noch ein Ort, den Watzke nicht erwähnte, der aber Ambitionen hat: Australien, das in diesem Jahr keinen Vertreter schickte – als Gastgeber jedoch einen Teilnehmer-Platz sicher hätte und bereits damit wirbt, am Bondi Beach von Sydney eine Fußball-Party feiern zu können.

Aus Fifa-Sicht hat Infantino also erreicht, was er wollte – und dürfte die Klub-WM demzufolge als gelungenes Experiment mit wichtigen Erkenntnissen feiern.