Seelsorge mit KI: Bruder-David-Bot von David Steindl-Rast


Anselm Grün könnte jetzt aufmerken: Sein benediktinischer Mitbruder David Steindl-Rast, der vor gut einer Dekade vor allem in den USA mit einem TED-Talk über die von ihm praktizierte und gelehrte Spiritualität der Dankbarkeit derart bekannt wurde, dass ihn die Talkkönigin Oprah Winfrey zum Gespräch einlud, geht medial neue Wege. Seit Mittwoch gibt es von Steindl-Rast einen virtuellen Doppelgänger, den Bruder-David-Bot.

Ausgestattet mit Künstlicher Intelligenz tritt der Bot auf einer Website oder per App mit Nutzern ins Gespräch und beantwortet Fragen nach einem Leben in Einklang mit dem „großen Geheimnis“ – diesen Ausdruck zieht Bruder David, der in Zen-Meditation geschult und dem interreligiösen Dialog mit dem Buddhismus verpflichtet ist, dem Wort „Gott“ vor. Sein Bot antwortet auf Deutsch, Englisch oder Spanisch, wahlweise schriftlich oder in der generativ nachgebildeten Stimme Steindl-Rasts, deren Diktion die Herkunft des Ordensbruders verrät. Er wurde in Österreich geboren und schloss in Wien ein Psychologiestudium mit Promotion ab, bevor er 1953 im US-Bundesstaat New York in ein Benediktinerkloster eintrat und die meiste Zeit seines Lebens in den USA verbrachte

Als wäre er auf ewig ansprechbar

Das Alter dürfte eine nicht unerhebliche Rolle bei seiner Innovationsfreude gespielt haben. Im Juli wird Steindl-Rast, so Gott will, 99 Jahre alt. Da mögen Gedanken zur eigenen Diskursfähigkeit der Zukunft aufkommen, selbst wenn man, wie Bruder David, viele Schriften verfasst, Vorträge gehalten, Interviews gegeben und eine Website hat einrichten lassen. Mehr als 800 seiner Texte bilden die Datengrundlage des Bots. Konstruiert hat ihn der Informatik-Professor Wolfgang Pree. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Universität Salzburg, die den Vorlass Bruder Davids bewahrt, dem Europakloster Eich, in dem der Mönch inzwischen lebt, und der Online-Bibliothek David Steindl-Rast, die von der Stiftung Via Cordis betrieben wird.

Nun schafft KI die Illusion, Bruder David werde auf ewig ansprechbar bleiben und als Dialogpartner niemals sterben – eine unheimliche Vorstellung, die ein Hauch Ego anweht. Bei der recht rumpelig online live übertragenen Präsentation in Salzburg konnte der echte David Steindl-Rast auf offener Bühne die Probe aufs Exempel machen und quasi mit sich selbst reden. Die erste Frage an das Tech-Double: „Was hältst du von KI?“

Nicht ganz wie das Original

Die Antwort des Bots, der von Chancen und Gefahren sprach, befriedigte ihn nicht ganz. Er selbst hätte anders formuliert und Chancen zum Schluss erwähnt. Ärger wurde es nach einer Frage zum Leben nach dem Tod. Steindl-Rast, das Original, monierte an der Bot-Antwort, dass diese religiöse Termini wie „Auferstehung“ enthalte, die er vermeide: „Das müsste man dem Bot verbieten. Ich weiß gar nicht, wo er das her hat.“ Dass die KI überdies geographische Unsicherheiten zeigte, ist eher eine Petitesse. Lobende Worte fand Bruder David für den Habitus des Bots, jede Antwort mit einer Gegenfrage abzuschließen, etwa: „Wie kannst Du heute einen bewusst ruhigen Moment einplanen?“

Soweit, so halbgut. Man könne als Nutzer Antworten des Bots bewerten und ihn dadurch verbessern helfen, räumte Pree ein. Wie es aussieht, müsste damit Bruder David beschäftigt werden. Doch gesetzt den Fall, die Simulation wäre perfekt und das Sprachmodell würde nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip als absolut authentische Bruder-David-Sentenzen produzieren: Ist das die Seelsorge der Zukunft oder ein avancierter Kalenderspruch-Automat?

Womöglich beides. Statt vor der Abwägung zwischen Risiken und Chancen – KI kann etwa in der Psychotherapie wohl positiv unterstützen, andererseits hat ein Bot schon einen Jugendlichen in den Suizid getrieben – steht der Bruder-David-Bot mit solidem Datenschutz und stabilen ethischen Leitplanken eher vor der Frage nach seiner Tauglichkeit als spiritueller Begleiter für den Alltag. Und darüber werden letztlich die Nutzer entscheiden.