Hat Sabrina Carpenter es mit diesem Albumcover zu weit getrieben?

Es gibt für Sabrina Carpenter nichts Bemitleidenswerteres als ihr eigenes Begehren. Es ist ein Dilemma: Die Männer in ihrem Leben sind ein bisschen doof. Haben ihr Leben nicht im Griff, oder erzählen Quatsch wie „Telefon kaputt“, obwohl sie nur vergessen haben, den Akku zu laden. Richtige Riesenbabys eben. Und sie liebt sie trotzdem! Oder gerade deswegen?

Das ist in etwa die Erzählung, die uns die Popsängerin nun in ihrer neuesten Single „Manchild“ auftischt. Ganz ähnlich hatte sie schon in „Please, please, please“ über eine Liaison gesungen, die ihr eigentlich peinlich ist: Alle warnen sie vor diesem Typen. Aber ihr Ego ist so groß, dass sie darauf besteht, den besten Geschmack zu haben. Es liegt, so Carpenter, in der Ironie der Sache, dass nur sie selbst von ihrer Geschmackssicherheit überzeugt ist. Darum muss sie nun ihren Freund anflehen, die Vorurteile der anderen nicht zu bestätigen. Wieder das ewige Carpenter-Dilemma: Sie steht auf Männer, aber die sind halt – Männer.

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Carpenters Humor, den sie selbst in „Espresso“ als verdreht bezeichnet, ist so: Er bricht mit Erwartungen und enttarnt stets Carpenter, den schönen und perfekt zurechtgemachten Popstar, als eigentlichen Kindskopf. Sie ist diejenige, die im Video zu „Manchild“ mit Schweinen in der Badewanne sitzt, in einen Pool mit einem Hai darin springt und von Mann zu Mann, von Beziehung zu Beziehung wandert – indem sie als Tramperin von Auto zu Auto hüpft. Eine für junge Frauen eigentlich nicht ungefährliche Angelegenheit, und es ist dieses Spiel mit Grenzen, das Carpenter jüngst einen Shitstorm einbrachte.

Erst einmal kündigte Carpenter, die Anfang des Jahres ihren ersten Grammy für ihren Sommerhit „Espresso“ gewann, ein neues Album an. Das allein ist schon Grund für Riesenaufregung: Es gibt gerade wohl keinen vielversprechenderen Popstar als sie. Gemeinsam mit Chappell Roan steht sie für eine neue Generation Musikerinnen: Beide sind ausgesprochen sexpositiv, fluchen in ihren Songs gerne, brechen mit Konventionen und sind lustig. Es ist vor allem der Humor, der Carpenter so abhebt von Popstars wie Taylor Swift, deren Songs stets aufgeladen sind mit Pathos, bei der es immer ein bisschen Drama gibt. Carpenter macht sich über ihr eigenes Drama lustig, sie ist promiskuitiv und explizit, und nimmt das alles nicht so ernst. Gleichzeitig ist ihr Pop oft glossy, sie spielt mit ihrem Auftritt als Sexsymbol, das an die Fünfziger- und Sechzigerjahre erinnert. Ihr Vorbilder sind unter anderen Brigitte Bardot und Dolly Parton.

Ein Album von ihr also, nur ein Jahr nach dem Durchbruch ihrer letzten Platte „Short’n’Sweet“, ist für sich genommen schon ein Riesenereignis. Doch Carpenter trumpfte noch mehr auf: Auf dem Albumcover ist sie zu sehen, wie sie in schwarzem Mini-Kleid vor einem Mann kniet, der sie am Haarschopf packt; sie ist schon ganz zerzaust. „A Man’s Best Friend“ heißt das Album dann auch noch, ein weiteres Bild zeigt ein hellblaues Hundehalsband, auf dem Anhänger steht der Titel.

Ist auch bekannt für ihren Look: Popstar Sabrina Carpenter bei der Met Gala 2025
Ist auch bekannt für ihren Look: Popstar Sabrina Carpenter bei der Met Gala 2025AFP

Der Shitstorm war perfekt. „Thanks, I hate it“, ist noch einer der netteren Kommentare unter Carpenters Instagram-Post mit dem Albumcover. „Das ist nicht subversiv“, schreiben Fans, andere berichten, wie unwohl sie sich mit dem Bild fühlten, als Frauen, als Fans, als Überlebende häuslicher Gewalt. All diese Kommentare sind mit Zehntausenden Likes versehen. Darüber hinaus wird Carpenter gerade von jungen Mädchen und Frauen verehrt, die in ihr auch ein Vorbild sehen. „Kein junges Mädchen, das leicht zu beeindrucken ist, sollte das hier sehen“, schreibt eine Nutzerin. Andere feiern das provokante Bild: Carpenter sei schon immer ironisch gewesen, breche mit Stereotypen und sei empowernd, eben weil sie ihre Sexualität selbstbestimmt auslebe. Dazu könnten schließlich auch unterwürfige Positionen zählen. Und auf Tiktok gibt es zahlreiche Videos, in denen junge Frauen das Marketinggenie Sabrina Carpenter lobpreisen. Sie habe mit dem provokanten Post genau das erreicht, was sie wollte: größtmögliche Aufmerksamkeit.

Nun lässt sich darüber streiten, ob das Bild plump ist, bloße Provokation – oder beides. Das Album ist schließlich noch nicht da. Sollte „Manchild“, das gleich auf Platz eins der Billboard Charts eingestiegen ist, ein Vorgeschmack darauf sein, dann könnte die Ironie-Erklärung stimmen. Allerdings ist es auch verständlich, dass gerade Frauen in den USA, die immer mehr um die Autonomie des eigenen Körpers fürchten müssen, Gewalt gegen Frauen nicht besonders lustig finden. In einem Land, in dem der Prozess gegen einen bekannten Rapper gerade so verläuft, dass er als ganz normaler Frauenschläger verharmlost wird und der Präsident persönlich sich um den Angeklagten sorgt, ist Ironie im Angesicht des Feindes in der Ferne für manche vielleicht eine Bewältigungsstrategie. Aber ganz bestimmt nicht für Frauen, die sich ohnehin schon in bedrohlichen Situationen befinden.

Gleichzeitig beschweren sich übrigens etliche muskelbepackte männliche Influencer darüber, dass „Manchild“ männerfeindlich sei. Da geht es zum Beispiel um die Zeilen: „Wie nennt sich das? Dumm? Oder doch: langsam? Ach nein, es ist: nutzlos! Aber es gibt ein niedlicheres Wort dafür: Manchild!“ oder auch darum, dass Carpenter singt, sie habe ihre Männer gern inkompetent. Dass es eigentlich um Carpenters eigene Inkompetenzen geht, haben die Männerrechtler wohl nicht verstanden. Und es gibt noch einen Shitstorm: Es sind Aufnahmen von Sabrina Carpenter aufgetaucht, auf denen sie nicht geschminkt ist. Naturgemäß sieht sie darauf anders aus als in ihren Musikvideos – auch wenn sie noch immer bildhübsch ist. Dass Frauen jedoch ohne Schminke weder dunkelrote Lippen, noch pfirsichfarbene Apfelbäckchen oder glitzernde Augenlider haben, ist einigen Nutzern der Sozialen Medien offenbar nicht bekannt. „Das sollte ein Verbrechen sein!“, moniert einer, der mit dem ganz normalen Make-up-Effekt bei Carpenter nicht klarkommt.

Man könnte ewig weitersuchen und würde vermutlich noch diverse andere Hassbewegungen entdecken. So ist es eben, wenn eine Frau besonders erfolg- und einflussreich ist: Der Hass lässt nicht lange auf sich warten. Für Sabrina Carpenter ist es gar nicht so leicht, nicht zu provozieren: Irgendwo eckt sie immer an. Das Fenster, in dem Frauen in der Öffentlichkeit existieren können, ist nach wie vor schmal – höchstens auf Kipp.

Sie selbst sagte gerade dem „Rolling Stone“, dass sie die Aufregung nicht verstehe, wenn es um ihre besonders anzüglichen Songs gehe. „Ich singe bei meinen Konzerten auch ruhige und nachdenkliche Nummern.“ Geredet werde aber nur über die Lieder, in denen es um Sex gehe. „Das sind die Songs, die von den Leuten geliebt werden. Offensichtlich lieben sie Sex.“ Sie habe das Gefühl, dass Frauen öffentlich ständig auf dem Prüfstand stünden. „So ergeht es doch gerade jeder Künstlerin.“ Und wenn sowieso alles, was man tut, provoziert, warum sollte man sich dann bei der Covergestaltung noch zurückhalten?