
Teheran und auch die Internationale Atomenergiebehörde haben nach den amerikanischen Luftschlägen auf iranische Nuklearanlagen schnell beteuert, es gebe keine Strahlungsgefahr für die Umgebung. Wird das heruntergespielt?
Immerhin wurden Anlagen bombardiert, in denen Uran auf hohe Grade angereichert, vielleicht auch angereichertes Uran gelagert wurde.
Erstens waren die Zentrifugen, mit denen angereichert wird, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Laufen. Es sei denn, es wären absolute Dilettanten am Werk gewesen. Sie waren also auch nicht mehr mit Uran bestückt. Das heißt, bei der Zerstörung der Zentrifugen ist wahrscheinlich gar nichts ausgetreten.
Selbst wenn die zum Zeitpunkt des Angriffs noch gelaufen wären, dann wäre die Menge des Urans, das in den Zentrifugen war, gering. Es handelt sich um Uranhexafluorid, ein Gas. Das Uran ist außerdem fast nicht radioaktiv. Es hat eine sehr lange Halbwertszeit. Je länger die ist, desto weniger strahlt es. Wenn Uran austritt, dann bildet das nicht eine Wolke, wie man sich das vielleicht vorstellt, wenn man an die Katastrophen von Tschernobyl oder Fukushima denkt. Eine Freisetzung von Uran ist damit überhaupt nicht zu vergleichen.
Nehmen wir Tschernobyl als Beispiel. Damals ist Cäsium ausgetreten, verstrahltes Jod, alles radioaktive Stoffe mit kurzer Halbwertszeit. Es ist auch Uran freigesetzt worden, nur hat sich darum niemand gekümmert, weil es irrelevant war. Das ist ein Schwermetall, das allenfalls lokal zu einer gewissen Kontamination führt.
Bei einem Angriff auf das Kernkraftwerk Buschehr oder den Forschungsreaktor in Teheran wäre das anders?
Komplett andere Kategorie. Das ist ja auch nicht passiert. Ein Angriff auf Buschehr wäre ein Szenario, das mit Tschernobyl vergleichbar wäre.
Könnten die Anreicherungsanlagen zerstört worden sein, selbst wenn die Bomben die Decke der Tunnel nicht durchdrungen hätten? Einfach durch die Erschütterungen?
Davon ist auszugehen. Das sind Hightech-Geräte, die mit unfassbarer Geschwindigkeit rotieren: ungefähr Schallgeschwindigkeit. Selbst das unbeabsichtigte Herunterfahren, wenn beispielsweise die Stromzufuhr unterbrochen wird, kann dort zu Schäden führen. Wenn dort irgendetwas nicht nach Plan läuft, dann ist ein Schaden wahrscheinlich. Eine Erschütterung, eine Explosion, die in großer Nähe stattfindet, würden Zentrifugen nicht ohne Schaden überstehen können. Davon kann man ausgehen.
Erst recht, wenn es Volltreffer waren.
Daran gibt es wenig Zweifel. Kollegen, die sich Satellitenbilder angesehen haben, bestätigen: Die Einschlagslöcher in Fordow sind genau da, wo die unterirdischen Hallen vermutet werden. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn diese Anlage noch funktionstüchtig wäre.
Ja. Das iranische Atomprogramm, zumindest das Atomwaffenprogramm ist Geschichte. Da kann man in der Vergangenheitsform sprechen. Sie haben schlicht und einfach nicht mehr die Kapazitäten. Sie haben nichts mehr, wo sie weitermachen könnten. Sie haben die Anlage in Natans nicht. Sie haben die Anlage in Fordow nicht. Die Uranprozessierungsanlage in Isfahan ist dem Erdboden gleichgemacht.
Weshalb war die so wichtig?
Dort geschah die Konversion einerseits von Natururan in Uranhexafluorid. Und andererseits nach der Anreicherung von Uranhexafluorid in Uranmetall, das man für die Bombe braucht. Diese Schnittstelle ist ausgeschaltet. Und die Zentrifugenfabriken sind nach dem, was ich gehört habe, auch zerstört. Damit ist Iran um Jahrzehnte zurückgeworfen. Eine neue Anlage müsste noch tiefer im Berg vergraben werden und wieder mit neuen Zentrifugen bestückt werden. Das sind auch Materialien, die nicht schnell einmal in der Eisenhandlung zu bekommen sind. Natürlich, die Pläne für den Bau von Zentrifugen hat Iran. Aber auch wirtschaftlich ist das Land schwer angeschlagen. Ganz abgesehen davon, dass solche Bemühungen, eine neue Anlage und neue Zentrifugen zu bauen, kaum geschehen könnten, ohne dass die Israelis das mitbekommen.
Wäre es möglich, aus bestehenden Vorräten an angereichertem Uran noch eine Bombe zu bauen? Iran hat laut IAEA 400 Kilogramm Uran auf 60 Prozent angereichert. IAEA-Chef Rafael Grossi hat einmal gesagt, das sei praktisch waffenfähig.
Es gilt auf jeden Fall als hoch angereichert. Diese Klassifikation gilt aber in erster Linie deshalb, weil es von 60 Prozent ein sehr geringer Anreicherungsaufwand ist, um auf 90 Prozent plus zu kommen. Das ist der Anreicherungsgrad, den man für eine Bombe nach dem vermutlichen Design, das für Iran in Frage kommt, benötigen würde. Mit auf 60 Prozent angereichertem Uran ist es physikalisch denkbar. Aber es würde keinen Sinn machen. Es hat noch nie jemand versucht, eine Bombe mit sechzigprozentigem Uran zu bauen. Eine solche Bombe wäre auf jeden Fall schwer und klobig und für kein Trägersystem geeignet, das Iran mit seinen öffentlich bekannten Raketen zur Verfügung steht.
Besteht ein Proliferationsrisiko wegen dieser hoch angereicherten Uranbestände?
Da gibt es sicher Leute, die daran Interesse haben.
400 Kilogramm sind keine große Menge, wären also leicht zu schmuggeln.
Das passt in drei Schuhkartons, habe ich mir ausgerechnet. Weil Uran ein so hohes spezifisches Gewicht hat.