
Diesmal fehlte ausnahmsweise eine Kleinigkeit zum Sieg, ungefähr 50 Meter waren es. Um das Spiel noch zu drehen, hätte Devon Ramirez den Ball schon aus dem Stadion schlagen müssen, ein Homerun für drei Punkte hätte das bedeutet. Doch der letzte Schlag des Nachmittags stieg einfach nur steil in die Luft und landete im Handschuh des Gegners – Endstand 4:6, zum ersten Mal in diesem Jahr hatten die Regensburg Legionäre ein Heimspiel verloren. „In den knappen Spielen, die wir bisher hatten, lief es eigentlich ganz gut“, hatte Matt Vance vor dem Sonntags-Matchup mit den Heidenheim Heideköpfen gesagt. Diese Niederlage allerdings ist eine, mit der er, im Wortsinn, arbeiten kann.
Allzu viele knappe Spiele hatten sie bisher noch nicht in der laufenden Saison. „20 Siege, eine Niederlage, besser kann es nicht gehen“, freute sich der Vorstand der Guggenberger Legionäre, Armin Zimmermann, vor der Partie. So weit, so gut. Da kamen die Heidenheim Heideköpfe gerade recht. Der aktuelle Tabellenzweite, der ganz im Gegensatz zu den Legionären in den vergangenen Jahren regelmäßig deutscher Meister wurde. Die erste Partie am Samstagabend war zumindest drei Durchgänge lang spannend, dann zogen die Legionäre davon (9:3), 900 Fans feierten einen lauen Sommerabend und ein bisschen Spannung. „Den Playoff-Platz haben wir schon sicher“, sagt Trainer Vance, jedes Ligaspiel bis dahin sei „eine Vorbereitung auf den August“, für die Zeit, wenn es wirklich zählt. Jedes Spiel, in dem man wirklich gefordert ist, helfe da weiter. Und knappe Spiele zu verlieren, das ist es, was den Legionären nun schon seit zwölf Jahren am meisten zu schaffen macht. Deshalb haben sie sich diesmal etwas anderes überlegt und einen Chefcoach-Novizen verpflichtet.
Vance hatte vergangenes Jahr seine aktive Karriere beendet und tritt in riesige Fußstapfen. Er übernahm von der Trainerlegende Martin Helmig, davor hatten sie Thomas Bison aus Italien geholt, doch es half nichts: In den Playoffs war regelmäßig vorzeitig Schluss. Dass es mit Vance, bis jetzt, so gut klappt, das hatte sich Zimmermann schon ziemlich genau so vorgestellt. „Die Idee hatten wir schon länger im Hinterkopf“, sagt er. Vance hat 16 Jahre für Regensburg gespielt, er kennt fast alle Spieler. Die Idee war, die Chemie im Team zu verbessern, dass allein mit Teamgeist die knappen Spiele wieder gewonnen werden. Nach eigenem Bekunden bestand Vances Hauptarbeit darin, für die passende Kadermischung zu sorgen, also Spieler zu holen, die auch menschlich hineinpassen.
Die Legionäre sind mit ihrem luxuriösen Stadion und ihrer Erfahrung eine der Speerspitzen der heimischen Ligenreform
Während der Saison will er „so viel wie möglich laufen lassen, den Spielern das Vertrauen geben“, sagt er. Diese „Geht’s naus und spielt’s Baseball“-Attitüde hat allerdings noch zwei zusätzliche Faktoren, die andere Klubs nicht haben. Erstens ist der frühere Trainer Bison jetzt General Manager, und es kommt nicht allzu oft vor, dass sich der Cheftrainer in einer Randsportart komplett auf das Sportliche konzentrieren kann. Zweitens haben die Legionäre noch einen weit entfernten, inoffiziellen Assistenzcoach: Matt Vances Bruder Kevin, der ein Jahr lang in Regensburg spielte, nahm gerade als Co-Trainer am Finale der College-Meisterschaften teil. Er verfolgt die Spiele in der Oberpfalz im Stream und stellt, im positiven Sinne, Ferndiagnosen.
Gleichzeitig arbeiten sie in Regensburg parallel ja auch immer daran, den Baseballsport im Land voranzubringen. Schon am kommenden Wochenende entsenden die Legionäre fünf Spieler zur Prague Baseball Week der Nationalmannschaft, Ende Juli finden in Regensburg Vorbereitungsspiele für die EM Ende September statt, bei der die Deutschen zunächst auf Spanien, Tschechien und Schweden treffen werden.
Außerdem sind die Legionäre mit ihrem luxuriösen Stadion und ihrer Erfahrung eine der Speerspitzen der heimischen Ligenreform. Die Bundesliga nennt sich jetzt Deutsche Baseball-Liga (DBL) und hat einen komplett frischen Anstrich, die Homepage ist deutlich aufgehübscht, die sozialen Medien sind nun gut bespielt. „Das Hauptziel“, sagt Regensburgs Vorstand Zimmermann, „ist erst einmal, die Menschen ins Stadion zu bekommen. Den meisten gefällt es dann nämlich so gut, dass sie wiederkommen.“ Das mag allerdings in Regensburg leichter fallen als anderswo. Während Zimmermann spricht, steckt er die Füße in den weichen Sand des kalifornischen Beach-Restaurants und isst Falafel mit Tahin-Soße. Viele andere, das ist auch ihm klar, müssen erst noch aufholen. Aber man sei auf einem guten Weg.
So wie die eigene Mannschaft. Was ihn denn zuversichtlich mache, dass diesmal zum Saisonende die knappen Spiele anders enden? „Dass da unten eine Mannschaft steht, die gerne zusammenspielt und ein Team ist. Wir hatten immer gute Einzelspieler, aber es hat an Teamgeist gefehlt.“ Und den spüre man jetzt jeden Tag. Wahrscheinlich sogar an Tagen mit einer Niederlage.