
Ihren großen Trip an den Bottnischen Meerbusen hatte sich der FC Bundestag vermutlich ganz anders vorgestellt. Vier Tage kickten die Abgeordneten bei der Europameisterschaft der Parlamentarier im finnischen Vaasa gegen die Teams anderer Länder. Im Spiel gegen Österreich kassierte die deutsche Abgeordneten-Auswahl in den letzten drei Minuten drei Tore. Am Ende landete das Team auf dem letzten Platz, noch hinter der Schweiz. Für die Mannschaft, die in besseren Zeiten Joschka Fischer, Franz Müntefering und – wenn auch nur als passives Mitglied – Helmut Kohl aufbieten konnte, eine Schmach.
Die Berliner
Elf war mit einem unvollständigen Kader angereist. Obwohl sportlich vermutlich nicht weniger geeignet als der Rest der Mannschaft, fehlten mit Malte Kaufmann und Jörn König die beiden Abgeordneten der AfD im Aufgebot. Die beiden hatten
abgesagt, angeblich aus terminlichen Gründen. Der eigentliche Grund aber war ein anderer: Kaufmann, bisher im
Mittelfeld eingesetzt, und Linksverteidiger König waren wegen ihrer Mitgliedschaft in der AfD schon vor
der EM aus der Mannschaft ausgeschlossen worden. So weit, so wenig
überraschend. Warum auch sollten Parlamentsfußballer aus der politischen Mitte Seite an Seite mit radikalen Kräften, die sie im Bundestag bekämpfen, den Rasen auf- und abrennen und dabei elf
Freunde sein? Ausgeschlossen.
Noch viel schmerzhafter als das miserable Abschneiden in Vaasa aber dürfte die juristische Niederlage gewesen sein, die der Club vor einigen Wochen erlitt: Das Landgericht Berlin kassierte im März 2025 den ein Jahr zuvor gefassten Beschluss des Vereins, keine Abgeordneten der AfD mehr aufnehmen zu wollen, da deren Mitgliedschaft unvereinbar mit den Vereinszielen
sei. Dagegen geklagt hatte neben den beiden betroffenen Spielern auch das damalige FC-Mitglied Petr
Bystron, gegen den inzwischen in anderer Sache unter anderem wegen des Verdachts auf Korruption ermittelt wird.
Heißt „überparteilich“ auch „allparteilich“?
Ein Verein, der
sich qua Satzung als „überparteilich“ bezeichnet, dürfe keine Fraktion
ausschließen, begründete die
Richterin ihr Urteil. Die AfD-Führung triumphierte, sogar die internationale Presse berichtete. Der FC Bundestag legte Berufung ein. „Unserer Ansicht nach bietet die Satzung durchaus
Grundlage für den Unvereinbarkeitsbeschluss“, argumentiert der Anwalt des FC,
Christoph Wölki auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. Zu klären sei auch, ob „überparteilich“ automatisch
„allparteilich“ bedeute.
Der Fall des FC Bundestag steht für weit mehr als nur einen Streit in einem
Sportverein. Er steht exemplarisch für das, was die AfD
systematische Ausgrenzung nennt und die politische Mitte wiederum die Verhinderung einer Erosion des
Parlaments durch rechtsradikale Kräfte. Es geht um den Konflikt um
Ausschussvorsitze, verweigerte Posten im Präsidium, die Finanzierung ihrer
Parteistiftung, die Größe ihres Sitzungssaales. All das wird derzeit vor Gerichten verhandelt. Wenn der Streit um die
Fußballmannschaft nun wahrscheinlich im kommenden Jahr vor dem Kammergericht
Berlin weitergeht, wird also im Kleinen über ganz Großes verhandelt, nämlich die Frage, wie weit diese Ausgrenzung rechtlich gehen darf.
ZEIT ONLINE hat
aktive und ehemalige Spieler gefragt,
wie sie auf die Suspendierung der Kollegen aus der AfD-Fraktion
blicken. Der Grüne Kassem Taher Saleh hatte angedeutet, lieber aussteigen zu wollen, als mit Kickern der AfD auf dem Platz zu stehen. Die meisten anderen äußern sich gnädiger: Der inzwischen aus dem Bundestag
ausgeschiedene Linke André Hahn, einst Kapitän und Torschützenkönig des FC im
sächsischen Landtag, sagt zwar: „Ich will nach dem Tor nicht mit AfD-Spielern
abklatschen.“ Doch er wirkt auch genervt von der
Diskussion um die AfD-Mitglieder. Im Sport habe diese Debatte doch eigentlich nichts verloren, sagt er. Eine derartige Abgrenzung sei rechtlich schwer handhabbar.
„Das Gerichtsverfahren tut uns allen nicht gut, vor allem, wenn die AfD gewinnt“, sagt Hahn. FC-Kicker Christian von Stetten sieht sogar einen Anspruch der Partei auf den Spielbetrieb: „Der Bus, der zum Fußballspiel fährt, der wird vom Deutschen
Bundestag bezahlt“, sagt der CDU-Abgeordnete. Da könne es nicht sein, dass man die AfD ausschließt.
Den Knatsch mit
der AfD gab es beim FC Bundestag nicht schon immer. Bis Ende 2023 hatte man noch gemeinschaftlich gekickt, sogar gegen die russische
Duma, das Spiel 2019 endete 1:2. Doch im März 2024, nach der
breiten Aufregung um ein Treffen
politisch rechter Kräfte in Potsdam, zogen die anderen Parteien im FC Bundestag die Brandmauer
hoch.
Wenn es aber ums Geld geht, so erzählen es mehrere Spieler, reißt der Verein die Mauer auch mal schnell wieder ein: Etwa zur Parlamentarier-EM im Mai 2024 in der Schweiz, als die AfD-Spieler gerade frisch vom Spielbetrieb suspendiert waren. Als klar wurde, dass der Bundestag die Reise der Mannschaft
nur dann bezahlen würde, wenn sie
allen Fraktionen offen steht, bezog der Verein die Aussortierten wieder ein. AfD-Politiker Kaufmann reiste tatsächlich als offizielles
Teammitglied mit nach Bern, spielen durfte er allerdings nicht. „Wir wurden
pro forma eingeladen, damit die Mannschaft ihre Reisekosten vom Bundestag
bezahlt bekommt“, sagt Kaufmann, auch König sieht das so.
Der Kapitän des FC reagiert auffallend genervt auf die Frage, warum der Verein, der mit der radikalen AfD nichts zu tun
haben will und deren Mitglieder deshalb suspendiert, sie dann aber zum Turnier
mitnimmt. „Weil die Fahrten
des FC Bundestag interfraktionelle Dienstreisen sind“, sagt Mahmut Özdemir von der SPD. „Und der Deutsche
Bundestag, wenn er eine durch Steuergelder finanzierte Reise genehmigt, alle
Fraktionen gleich behandelt.“ Auf den Widerspruch hingewiesen, mauert Özdemir, er habe
dem nichts hinzuzufügen.