
Die Bundesregierung will sogenannte Einschüchterungsklagen, die kritische Debattenbeiträge unterdrücken sollen, erschweren. Dabei geht es um häufig unbegründete Klagen, die darauf abzielen, missliebige Berichterstattung oder Äußerungen von Nichtregierungsorganisationen oder Wissenschaftlern zu verhindern. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat einen Gesetzentwurf veröffentlicht, das potenziellen Klägern künftig dieses Vorgehen erschwert.
„Kritische Berichterstattung, wissenschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement sind für unsere Demokratie elementar“, sagte Hubig. „Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Stimmen mit missbräuchlichen Klagen unterdrückt werden – nur weil sie Einzelnen nicht passen.“ Es gehe um Fälle, in denen es der „Hauptzweck“ eines Rechtsstreits sei, „öffentliche Beteiligung zu verhindern, einzuschränken oder zu sanktionieren.“ Die Veröffentlichung kritischer Artikel, wissenschaftlicher Studien,
Posts in sozialen Netzwerken oder auch die Teilnahme an einer
Demonstration sollen durch das neue Gesetz vor einem gegen sie
gerichteten juristischen Vorgehen geschützt werden.
Die Klagen werden in der Regel abgewiesen, allerdings sorgten die Dauer der Prozesse und deren Kosten dafür, dass die Beklagten hauptsächlich damit beschäftigt seien, sich zu verteidigen und das zu finanzieren, sagte Hubig den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die vorab über den Entwurf berichtet hatten.
Kosten sollen Kläger abschrecken, Klagen früher abgewiesen werden
Konkret sollen Gerichte demnach möglichst schnell über offensichtlich missbräuchliche Klagen entscheiden. Hubigs Gesetzentwurf plant dazu ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für solche Verfahren. Das solle gewährleisten, dass missbräuchliche Klagen „zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgewiesen werden können.“ Entscheidungen in zweiter und dritter Instanz sollen zudem nur noch anonymisiert veröffentlicht werden.
Für Klägerinnen und Kläger soll das Verfahren potenziell teurer werden, während Beklagte im Gegensatz dazu finanziell entlastet werden sollen: Kläger können dann dem Entwurf zufolge dazu verpflichtet werden, für die voraussichtlichen Kosten von Beklagten eine Sicherheit zu leisten. Die Anwaltskosten der Beklagten sollen künftig in größerem Umfang erstattet erwden können.
Zudem könnten Gerichte Klägern „als Sanktion eine besondere Gerichtsgebühr auferlegen“, heißt es im Entwurf. Die Kosten für die Kläger sollen Hubig zufolge eine „abschreckende Wirkung“ entfalten, die Klagemöglichkeit aber weiterbestehen.
EU-Regelung als Folge des juristischen Vorgehens gegen getötete Journalistin
Derartige Klagen werden auch als „Slapp-Klagen“ bezeichnet, benannt nach der englischen Abkürzung für „Strategic Lawsuit against Public Participation“ („Strategische Klage gegen öffentliche Teilhabe“). Mit ihrem Gesetzentwurf kommt Hubig der sogenannten Anti-Slapp-Richtlinie der EU nach. Anlass des 2024 beschlossenen EU-Regelwerks war der Umgang mit der maltesischen Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia, die 2017 ermordet wurde. Die Journalistin, die zu Korruption recherchiert hatte, war zuvor mit Verleumdungsklagen überzogen worden. In der EU seien Einschüchterungsklagen ein neues, „nach verbreiteter Einschätzung aber zunehmendes Phänomen“, heißt es in Hubigs Gesetzesentwurf.
Damit die Neuregelungen in Kraft treten können, muss der Entwurf zunächst im Bundeskabinett beschlossen und anschließend im Bundestag und Bundesrat gebilligt werden. Allerdings sollen zunächst Verbände bis August die Möglichkeit bekommen, zu den Plänen Stellung zu beziehen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte den Entwurf schon jetzt. Es sei höchste Zeit, dass die Bundesregierung die EU-Anti-Slapp-Regelung in deutsches Recht umsetze, sagte DJV-Chef Mika Beuster: „Das stärkt die Pressefreiheit.“