
Populisten hassen Wissenschaft. Ist ja klar. Schließlich ist sie es, die mit ihren über Jahrhunderte etablierten Methoden von Beleg und Zweifel am Ende jene Fakten liefert, die Populisten am liebsten in alternative Fakten verdrehen möchten. Die also oftmals, sehr schmerzlich für Phrasendrescher, widerlegen kann, was Populisten einfach mal so behaupten. Weil es ihrem Weltbild entspricht. Weil sie es wollen. Weil es ihnen in den Kram passt, wenn sie mal wieder auf Seelenfang sind. Die Wissenschaft stört dabei nur.
Daher ist es kein Zufall, dass Donald Trump und seine Konsorten in den USA gerade mit aller Macht die Wissenschaft bekämpfen. Dass sie Universitäten wie Harvard und Columbia unter Druck setzen, Forschungsvorhaben lächerlich machen und einzelne Wissenschaftler auch persönlich als Teil einer vermeintlichen Elite angreifen, die abgedrehtes Zeug erforsche und nicht die leiseste Ahnung habe von den Sorgen normaler Menschen.
Auch wenn diese Konstruktion des „Ihr da oben“ und „Wir hier unten“ gerade in den USA absurd ist, wo die populistischen Zirkel der Trumps, Musks und Kennedys milliardenschwer sind und wirklich sehr, sehr weit weg vom Leben der Durchschnittsamerikaner: Die Strategie geht auf, weil es in der Wissenschaft nun einmal oft sehr differenziert und kompliziert zugeht und zugegebenermaßen auch nicht in jedem Forschungsvorhaben leicht ein Nutzen erkennbar ist, etwa wenn an der University of California untersucht wird, ob alle Menschen gleich viele Haare in der Nase haben. Mit Berichten über solche vermeintliche Nonsens-Forschung machen rechte Sender wie Fox News derzeitig kräftig Quote.
Klar doch. Die einfachen Claims der Populisten kommen da ganz anders daher. Verschwörungsmythen sind oft packend, verführerisch einfach, möglichst vage und emotionalisiert – und holen die Menschen damit leicht ab. Zumal sie oft mit zuckersüßen Versprechungen einhergehen: Klimawandel? Papperlapapp. Verzicht auf Fleisch oder Fliegen? Völlig unnötig. Umwelt- oder Arbeitsschutzauflagen für die Industrie? Weg damit. Wenn man die Wissenschaftler und die Wissenschaft in den Dreck zieht, kann man sich umso leichter über die bedrohlichen Ergebnisse der Klimaforschung hinwegsetzen, gegen Windräder zu Felde ziehen und gegen ein noch so nötiges Heizungsgesetz.
So haben die Trumps und Kennedys zunächst das Vertrauen in die Wissenschaft torpediert, ihr dann die Finanzierung und das Personal entzogen, und nun beschneiden sie die Wissenschaftsfreiheit, indem sie Forschungsthemen verbieten, Ergebnisse löschen und künftig gar das Publikationswesen kontrollieren wollen. Das ist eine Katastrophe für die ganze Gesellschaft. Denn es bedroht die Demokratie, wie Armin Nassehi und Matthias Tschöp jüngst in einem klugen Gastbeitrag in dieser Zeitung ausführten.
Wissenschaft sei „der Glaube an die Unwissenheit von Experten“, sagte einmal der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman
Ohne Wissenschaftsfreiheit stirbt erst einmal die Wissenschaft. Aber dann stirbt die Erkenntnis, dann die Wahrheit. Schließlich sterben Vernunft, Wohlstand und schließlich sogar die Menschen. Denn ohne Wissenschaft gibt es keine evidenzbasierte Medizin und keinen Fortschritt. Nur mithilfe ergebnisoffener, unbeeinflusster Forschung lassen sich die Probleme der Welt identifizieren, deren Folgen erkennen und die richtigen Lösungen entwickeln. Eben dafür haben sich ja die Methoden von Versuch und Irrtum über Jahrhunderte hinweg entwickelt: Sie ermöglichen einen unvoreingenommenen, unabhängigen Blick, einen Erkenntnisgewinn jenseits von Partikularinteressen. Wird die Freiheit der Wissenschaft hingegen eingeschränkt, wird der Manipulation ihrer Ergebnisse Tür und Tor geöffnet. Wahrheitsfindung ist dann nicht mehr möglich.
Natürlich weiß auch die Wissenschaft nicht immer und schon gar nicht von Anfang an, was wahr oder falsch ist. Natürlich irren immer wieder auch die Fachleute. Wissenschaft sei sogar „der Glaube an die Unwissenheit von Experten“, sagte einmal der für seine Bonmots bekannte Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman. Aber es ist die freie Wissenschaft, die letztlich den besten Weg dafür eröffnet, die Wahrheit herauszufinden.
In einem System, in das die Politik eingreift, ist dies hingegen nicht mehr möglich. Schon dadurch, dass die Wahl der Forschungsthemen beeinflusst wird, wird die Erkenntnis eingeschränkt. Hinzu kommen interessengeleitete Forschungen unter dem Einfluss von Regierungen oder Lobbyisten, die erwünschte Ergebnisse produzieren. Und in den USA hat Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. inzwischen angekündigt, auch in die Publikation der Ergebnisse eingreifen zu wollen. Publikationen in der Wissenschaft sind jedoch weit mehr als einfach nur Veröffentlichungen: Sie sind ein wesentlicher Schritt der Verifizierung von Ergebnissen und Hypothesen, oftmals Grundlage von Debatten, durch die fehlerhafte Forschung in der Regel entlarvt wird.

:Wo der Staat zur Mafia wird
Der Streit zwischen Donald Trump und Elon Musk offenbart ein neues, globales Machtmodell: die Herrschaft der „Rackets“. Ihr Ziel ist allein Profitmaximierung mithilfe kurzfristiger, gangsterhafter Verbindungen.
Für einen unvoreingenommenen Erkenntnisgewinn, für echten Fortschritt muss übrigens auch vermeintlich bizarre Forschung möglich sein. Denn was heute mitunter noch lächerlich wirkt, kann die Rettung von morgen sein. Wissenschaft ist per se ergebnisoffen; niemand kann vorhersagen, welche Erkenntnis dabei genau herauskommt. Deshalb darf Wissenschaft unbedingt einen Anschein von Nonsens haben. Viele große Würfe entstanden als Spin-offs ganz anderer Forschung – von den viel zitierten Post-it-Zetteln über Psychopharmaka bis hin zum Penicillin.
Somit bedeutet die Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit nicht weniger als ein Zurückfallen vor die Zeit der Aufklärung, als die Kirche der Bevölkerung ihre Wahrheit aufzwingen konnte. „Religion ist eine Kultur des Glaubens, Wissenschaft eine Kultur des Anzweifelns“ – auch das hat Feynman gesagt. Gerade scheint die Menschheit wieder in diese Kultur des Glaubens katapultiert zu werden, da Verschwörungsmythen und die Faszination Bauchgefühl den Fakten den Rang ablaufen. Das betrifft längst nicht mehr nur die USA.
Die hiesige Wissenschaft sollte sich gegen mögliche politische Eingriffe wappnen
Ähnlich wie jenseits des Atlantiks nutzen auch in Deutschland die Populisten wissenschaftsfeindliche Ideologien. So greift die AfD etwa die Klimaforschung, Impfstoffforschung und Genderforschung auf realitätsferne und zum Teil bösartige Weise an. Auch schlägt sie einen ähnlich abschätzigen Ton gegenüber den angeblich „links-grün versifften“ Universitäten an. Die Gefahr, dass die Partei, wenn sie an die Regierung käme, die Autonomie der Hochschulen und mit ihr die Freiheit von Forschung und Lehre einschränken würde, ist groß.
Nun mag die Wissenschaftsfreiheit hierzulande besser geschützt sein als in den USA. Sie ist fest im Grundgesetz verankert, Fördergelder stammen in geringerem Ausmaß von staatlichen Institutionen. Doch wie schnell es gehen kann, hat nicht zuletzt die „Fördergeldaffäre“ um die ehemalige Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gezeigt, deren Ministerium im Herbst 2024 überprüfen ließ, ob Forschenden mit einer nicht genehmen politischen Haltung die Fördergelder entzogen werden könnten.
Die hiesige Wissenschaft sollte sich deshalb gegen mögliche politische Eingriffe wappnen. Dabei ist es durchaus hilfreich, dass es in den USA bereits eine Blaupause dafür gibt, was zu tun ist. „Der Forderungskatalog der US-Regierung an die Harvard-Universität gibt Hinweise, worauf man sich vorbereiten sollte“, sagt die Immunologieprofessorin Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover, die Mitglied im Wissenschaftsrat ist, wo man sich bereits mit der Resilienz der deutschen Wissenschaft beschäftigt. Die US-Regierung verlangt von Harvard zum Beispiel einen veränderten Zulassungsprozess für Studierende, eine veränderte Personalpolitik und schärfere Disziplinarmaßnahmen. Diversitätsprogramme? Pfui. Stattdessen erwartet Trump „ein pures, ethnisch blindes Leistungssystem“.
Wer Fakten in die Bevölkerung tragen will, muss auch mit ihr reden
Umso wichtiger ist, dass deutsche Hochschulen ihre Berufungsprozesse transparent machen. Selbstverständlich dürfen Diversity-Programme nicht zur Bevorzugung von Frauen führen, die weniger qualifiziert sind als männliche Bewerber. Hilfreich für die Hochschulen wäre es auch, wenn es mehr Strukturförderung gäbe und weniger Projektförderung, die sich jederzeit einkassieren lässt.
Ebenso wichtig ist es aber auch, dass Wissenschaft stärker ins öffentliche Bewusstsein dringt. Wer Fakten in die Bevölkerung tragen will, muss auch mit ihr reden. Wissenschaftler denken allzu oft, sie müssten politisch neutral sein. Aber das ist falsch. Je mehr man von einem Problem versteht, desto mehr sollte man sich positionieren. Auch damit verteidigt man am Ende die Wissenschaftsfreiheit. Wie sagte Albert Einstein? „Die Beschränkung der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine kleine Gruppe von Menschen schwächt den philosophischen Geist eines Volkes und führt zu dessen geistiger Verarmung.“
Zu lange haben deutsche Wissenschaftler gedacht, es reiche, faktenbasiertes Wissen zu kommunizieren, sagt Annette Leßmöllmann, Leiterin der Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie. Aber diese Überzeugung werde derzeit „brutal herausgefordert“. Denn es gehen gerade Grundsätze verloren, die bis vor Kurzem noch allgemein akzeptiert waren – etwa, dass Lügen einen Gesichtsverlust bedeutet. Trump zeigt, wie es geht: Die „Big Lies“, die besonders großen Lügen, wie sie der US-Historiker Timothy Snyder nennt, sind so groß, dass Menschen glauben, es müsse etwas dran sein. Mit den Big Lies gewinnen also immer mehr jene Menschen, die die verrücktesten Geschichten erzählen. Oder, wie es der Virologe Christian Drosten jüngst in einer Festrede zum Ausdruck brachte: „Die Gesellschaft hat das Bewusstsein für Fakten verloren.“
Dagegen kommt man naturgemäß nicht mit immer mehr Fakten an. Vielmehr muss man das Bewusstsein neu wecken, indem man erklärt, welcher Art von Erzählung man am ehesten trauen kann. Wie man Fake entlarvt. Und wie man sich und andere hinterfragt. Dass es gut ist, zu diskutieren und sich aneinander zu reiben. So wie es Wissenschaftler ständig tun, um der Wahrheit möglichst nahezukommen. Auch das ist nämlich Freiheit, auch das ist Demokratie: Immer klüger werden zu dürfen, statt dumm gehalten zu werden. Dazu sagte Richard Feynman übrigens auch einen tollen Satz: „Wenn du die schlaueste Person im Raum bist, bist du im falschen Raum.“