
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat Forderungen nach einer
Wiedereinsetzung der Wehrpflicht eine Absage erteilt. „Es wird keine
Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines
Jahrgangs eingezogen werden“, sagte der SPD-Chef den Zeitungen der Neuen
Berliner Redaktionsgesellschaft. Stattdessen müsse die Bundeswehr
„deutlich attraktiver für junge Menschen werden“. Klingbeil sprach
sich erneut dafür aus, den kostenlosen Führerschein beim Bund zu integrieren.
Deutschland benötigt nach den neuen Nato-Vorgaben
zusätzliche 50.000 bis 60.000 aktive Soldatinnen und Soldaten. Trotz diverser
Anstrengungen sank die Zahl zuletzt auf rund 181.000 Soldaten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will daher rasch seinen Vorschlag
für einen neuen Wehrdienst vorlegen, um mehr junge Menschen zu erreichen.
Klingbeil zeigte sich einverstanden damit, dabei „jetzt
schon die Voraussetzungen dafür“ zu schaffen, „dass auch
verpflichtend eingezogen werden könnte“. Das soll für den Fall gelten,
dass sich nicht genügend Freiwillige melden.
Mit Blick auf den Nato-Gipfel in der kommenden Woche in Den Haag warnte Klingbeil davor, die Debatte auf Verteidigungsquoten zu verengen.
„Prozente zu zählen, ist unproduktiv“, sagte der SPD-Chef. Zugleich
bekräftigte er: „Wir müssen das Land vor den heutigen Bedrohungen wie
Cyberangriffen, Angriffen auf die Infrastruktur und Drohnen schützen. Schnell
und effektiv.“
Frei sieht enorme Bedrohungslage
Kanzleramtschef Thorsten Frei dringt auf eine baldige
Entscheidung darüber, ob die angestrebte Vergrößerung der Bundeswehr über
Freiwilligkeit oder nur über die Rückkehr zur Wehrpflicht erreichbar ist. „Wir
haben nicht die Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten“, sagte der
CDU-Politiker in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Die schwarz-rote
Koalition müsse eine klare Verabredung treffen, „wann wir unsere Strategie
verändern müssen, damit wir das allseits für notwendig erkannte Ziel auch
erreichen können“.
Frei hält es für nur schwer vorstellbar, dass die nun von
Pistorius angestrebten 230.000 bis 240.000 Soldaten über einen freiwilligen
Wehrdienst erreicht werden können, wie er im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.
Man müsse sich jetzt zunächst darauf verständigen, bis wann die neue Zielgröße
erreicht werden soll, sagte Frei. „Und dann muss man sich überlegen: Wie viel
Zeit können wir uns lassen, dieses Ziel auf freiwilliger Basis zu erreichen?
Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir dafür eigentlich so gut wie gar
keine Zeit haben, denn die Bedrohungslage ist enorm.“
Ein Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte sieht vor,
dass die Mitgliedstaaten beim Nato-Gipfel in der kommenden Woche in Den Haag
beschließen, ab 2032 mindestens 3,5 Prozent ihrer jährlichen
Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für
verteidigungsrelevante Infrastruktur aufzuwenden. Zusammen entspräche dies den
fünf Prozent, die US-Präsident Donald Trump von den Partnern gefordert hat. Die
meisten Nato-Länder, darunter Deutschland, haben dem Rutte-Vorschlag bereits
zugestimmt.