
Vor 55 Jahren ist die Nidda-Talsperre bei Schotten erstmals randvoll gelaufen. Damit erfüllte sich nach gut zehnjähriger Planungs- und Bauzeit der lang gehegte Wunsch vieler Gemeinden in Vogelsberg und Wetterau: Sie waren nicht mehr dem Hochwasser des Flusses ausgeliefert. Seither hat das 6,7 Millionen Kubikmeter fassende Rückhaltebecken diese Aufgabe mehr als zufriedenstellend erfüllt. Zusätzliche Entspannung brachten die im Auenverbund Wetterau angelegten Überflutungszonen.
Neben dem Nutzwert sollte der Stausee von Anfang an auch als Freizeit- und Erholungsgebiet dienen. Zuspruch erfährt das 65 Hektar große Areal, ohne selbst bei schönem Sommerwetter überlastet zu sein. Die Zahl der schwimmenden Untersätze ist begrenzt, und die Badenden oder Sonnenanbeter verlieren sich auf den ausgedehnten, eintrittsfreien Wiesenstränden. Ringsum darf das Gewässer auf dem fünf Kilometer langen Uferweg abgegangen oder per Rad und, sehr beliebt, auf Inlinern befahren werden.
Räumlich wurde der Stausee den Gegebenheiten gut angepasst, was ihm nicht zuletzt dank begrünter Talsperre einen natürlichen Charakter verleiht. Beiderseits reichen prachtvolle Wälder heran und laden zum Ausschwärmen ein. Zu entdecken sind stattliche Mammutbäume oder die sogenannte Alte Burg. Der mächtige Basaltriegel bot vermutlich Kelten die nötige Voraussetzung zur Anlage einer wallumgürteten Festung. Das von ihnen abgeflachte Plateau dient jetzt der Gedenkstätte für die „gefallenen hessischen Forstmänner beider Weltkriege“.
Geologie und Forstwesen sind auch Themen der Schottener Museen. Das vor einigen Jahren geschaffene „Vulkaneum“ nimmt sich unterhaltsam-lehrreich des Jahrmillionen prägenden Vulkanismus des Vogelsbergs an, während das jüngst neu gestaltete Heimatmuseum sich dem menschlichen Wirken in der Region widmet. Dazu zählte eine Forstschule, auf deren „Pflanzungen“ auch die Mammutbäume zurückgehen. Begründet hat sie der Staatsrat und Landesforstmeister Karl Weber, der hier bis zu seinem Tod 1929 lebte. Er schuf die Innenausstattung im Jugendstil und sanierte die reich geschmückte Fassade an dem stattlichen Fachwerkbau von 1816. Auch die Sammlung zur Wohnkultur lässt den Arme-Leute-Ruf des Vogelsbergs korrekturbedürftig erscheinen.
Welch Bürgersinn und Wohlhabenheit buchstäblich unter Verputz oder Schindeln verborgen lag, offenbarte der zwanzigjährige Sanierungskraftakt Schottens. Vorbild zur Freilegung der aus vier Jahrhunderten stammenden Fachwerkhäuser gab das schon 1902 entblätterte Alte Rathaus von 1512. Die gute Stube der Stadt nutzt heute das Standesamt.

Für die kirchliche Zeremonie lässt sich kaum eine stimmungsvollerer Ort finden als die benachbarte Liebfrauenkirche. Das 1385 geweihte Gotteshaus birgt einen der bedeutendsten, weil original erhaltenen Flügelaltäre Deutschlands. Der unbekannt gebliebene Meister schuf den Zyklus aus 16 fast naturalistisch anmutenden Szenen um eine vollplastische Skulptur Mariens in der Mittelnische. Selbst die Leibesfrucht der Mutter Gottes ist auf einer der Tafeln erkennbar.
Wegbeschreibung
An Parkplätzen mangelt es nicht in und um Schotten. Am Rand der Altstadt sind zwei größere Stellflächen ausgewiesen – nördlich vor dem Vulkaneum oder an der Lohgasse. Dazwischen, im Gebiet von Mühlgasse, Markt- und Vogelsbergstraße, reihen sich Fachwerkhäuser, die Liebfrauenkirche und das Heimatmuseum.
Unter Auslassung der Innenstadt lässt sich auch schon am Nidda-Stausee dem Bus entsteigen oder kostenpflichtig parken. Dazu besteht die Möglichkeit, über Rainrod die Ostseite anzufahren. Bei Start im Zentrum nimmt man die Markierung rotes Kreuz auf; sie berührt auch den Parkplatz an der Lohgasse. Dahinter weist das Zeichen links zur Alten Straße und damit in einer Eigenheim-Siedlung aufwärts.
Außerhalb durchmisst man Offenland, und am Waldrand geht es wieder hinab. Kurz vor der Bundesstraße weist das Kreuz nach rechts – rückwärtig an dem verwitterten Denkmal vorbei – in eine dichtere Vegetationszone. Für eine verkürzende Passage um den Stausee läuft man dort geradeaus, kreuzt die Straße und folgt 100 Meter unterhalb dem asphaltierten Uferweg.
Die Hauptstrecke berührt nochmals eine lichtere Zone und quert einen Wiesengrund, bevor sich längere Zeit der Waldvorhang schließt. Über viele Kilometer bewegt man sich bei leichtem Bergan zwischen der auf Basaltgestein gut gedeihenden Buche, fortgesetzt auch nach dem Intermezzo von 100 Metern rechts neben einer Landstraße. Gut 500 Meter später kommt an der Gabelung links das Zeichen rotes und grünes V des Vulkanrings hinzu.
Um den tief unten aufblitzenden Niddastausee zu erreichen, muss man später von einer Kreuzung links gen angezeigtes Rainrod absteigen. Jetzt folgt man allein dem Vulkanring zum Waldrand. Dort bleiben auch diese Zeichen zurück, wenn man links mit „R 2“ auf den befestigten Feldweg eingeschwenkt, der nach Rechtskurve bis Rainrod hinabführt. Kurz folgt man der Bundesstraße nach links, dann geht es rechts auf den Schulweg und links an der halb eingewachsenen Nidda entlang, wobei sie zweimal zu überqueren ist.
Gegen Ende geht es vor dem Sportplatz nach rechts (Auf der Oberwiese) und zwischen neuen Gewerbebauten auf die 35 Meter hohe Staumauer zu. Durch ein Wäldchen und den Treppenweg wird sie erklommen. Vereint mit den Abkürzenden, läuft man über die 500 Meter messende Dammkrone und auf der anderen Seite auf dem Uferweg oberhalb breiter Liegewiesen weiter.
Mit Rechtskurve kommt man zur äußersten Ostspitze, wo der 300 Meter lange Abstecher zu den Mammutbäumen angezeigt wird. Sie werden vom ausgeschilderten Vulkanring berührt, der dann ausgangs der Bucht rechts in den Wald und bald auf einen Pfad führt. Auch bei der Wahl, die Runde um das Gewässer zu schließen, lässt er sich bis zur Anzeige „Seeblick“ nutzen.
Der Vulkanring leitet nach dem Kreuzen eines Parkplatzes weiterhin auf dem von urwaldartigem Bewuchs gesäumten Pfad, nur unterbrochen durch eine kurze Passage – rechts, links – am Rand von Offenland. Dort ginge es nach links auch direkt zurück. Das Schlussstück zur Alten Burg beschirmt eng stehender Jungwald. Fast könnte man die zusammengesackten, von Moos eroberten Mauern der prähistorischen Festung übersehen, und erst beim Nähertreten erkennt man die erneuerungsbedürftige Gedenkstätte für die gefallenen Forstmeister.
Ein rampenartiger Abgang endet knapp vor der Bundesstraße 276. Letztmals gilt es zu entscheiden: Entweder nach links mit der „VulkanTour A 3“ auf alleenartigem, allerdings asphaltiertem Weg hinab. Auf diesem kommt man im unteren Altstadtteil heraus und kann sich gegebenenfalls zum Vulkaneum leiten lassen. Oder man wählt die etwas weitere Variante, die noch ein Stück durch den Wald führt.
Auch dann sollte allerdings nicht versäumt werden, zunächst einige Meter nach links zu gehen. Denn erst dort erkennt man die gewaltige Basaltmauer in ihrer ganzen Ausdehnung, die den Kelten als natürliche Festung diente. Zurück auf dem Weg, verbleibt man jenseits der Fahrbahn noch in Obhut der Zeichen des Vulkanrings, ehe diese nach einigen Hundert Metern links gegen die Zeichen gelber Ring und grüner Strich eingetauscht werden. Diese queren zweimal die Straße und führen bei Sicht über Schotten auf kräftig fallendem Weg zum Parkplatz am Vulkaneum.
Sehenswert
Zu einem schmucken Städtchen hat sich in jüngerer Vergangenheit die Vogelsberggemeinde Schotten entwickelt. Der historische Kern wurde saniert, wobei Fachwerk aus vier Jahrhunderten zutage trat. Erstes Gebäude am Platz ist das Alte Rathaus, ein spätgotischer Bau von 1512. Ihm gegenüber steht die 1385 geweihte Liebfrauenkirche mit ihrem original erhaltenen Flügelaltar von seltener künstlerischer und farblicher Intensität.
Im gewässerarmen Hessen kann Schotten auf die Rarität eines multifunktionalen Stausees verweisen. Neben dem Hochwasserschutz wurde 1970 auch der Nutzwert als Freizeit- und Erholungsgebiet bedacht. Das 65 Hektar große Areal lädt zum Schwimmen, Segeln oder Sonnen auf Wiesenstränden ein. Der fünf Kilometer lange Uferweg darf abgegangen oder per Rad befahren werden.
Anfahrt
Aus dem Süden über die A 5, Abfahrt Friedberg, und B 455 bis Schotten oder B 275 über Gedern und B 276. Mit Bahn und Bus bestehen Verbindungen via Friedberg und Nidda (Bus 93).
Öffnungszeiten
Heimatmuseum Schotten, Vogelsbergstraße 95, mittwochs und sonntags von 14.30 bis 16.30 Uhr bei freiem Eintritt;
Vulkaneum, täglich von 9 bis 18, am Wochenende von 10 Uhr an;
Liebfrauenkirche, täglich außer montags von 15 bis 16 Uhr (der Vorraum steht offen)