
Henning Homann, Landeschef und Fraktionsvorsitzender von Sachsens SPD, hat nicht viel Zeit, das sagt er gleich am Anfang des Telefonats am vergangenen Freitag. Er müsse sich um den Haushalt kümmern. Also nicht um den des Landes, da ist in diesen Tagen eine Einigung und damit Entspannung in Sicht – es geht um Homanns Küche, zu Hause in Döbeln. Seit Wochen verspreche er seiner Frau, mal wieder sauber zu machen.
Abgehalten hätten ihn davon die komplizierten Verhandlungen um den anderen Haushalt, den des Landes. Den bezeichnet Homann als „Feuertaufe für eine neue politische Kultur in Sachsen“. Übertrieben ist das nicht, so viel war schon im Dezember klar, als die Regierung ins Amt kam. Zehn Stimmen fehlen Michael Kretschmers Koalition aus CDU und SPD zu einer eigenen Mehrheit im Landtag. Ein „Konsultationsmechanismus“ sollte künftig helfen, andere Fraktionen inhaltlich einzubinden in Gesetzgebungsverfahren, um so parlamentarische Mehrheiten zu erreichen – einzig die AfD lehnte dies umgehend ab.
Technisch gesehen fielen die Haushaltsverhandlungen zwar nicht unter diesen Mechanismus – faktisch aber kam in ihnen alles zusammen, was die neue Situation im Landtag so kompliziert macht. Der Haushalt ist das Königsrecht des Parlaments und auch der größte Brocken. Zahllose Kommunen, Initiativen, kulturelle Einrichtungen warten seit Monaten auf Klarheit und Mittel. Deswegen hatten CDU und SPD unter quasi stündlich wachsendem Zeitdruck zuletzt nun Einzelpläne, Zugeständnisse, Grenzen zu verhandeln – für das laufende wie das nächste Jahr und mit höchst unterschiedlichen potenziellen Partnern.
Die CDU präferierte dafür zunächst das BSW. Man hört Henning Homann durchaus Zufriedenheit darüber an, die fehlende Mehrheit am Ende nicht dort, sondern bei Linken und Grünen gefunden zu haben. Auch dass Sabine Zimmermann, die Chefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht in Sachsen, nun gerne und beständig erzählt, die Union habe sich „von der SPD am Nasenring durch die Manege ziehen lassen“, scheint Homann nicht groß zu stören. Kommentieren jedenfalls will er es nicht.
Homann sagt: „Eine Einigung mit einem Partner ist immer einfacher als mit zwei Partnern.“ Zugleich sagt er, eine Zusammenarbeit zwischen CDU, SPD, Grünen und Linken sei „sicherlich etwas besonders“ – was der diplomatische Ausdruck ist für: Das erschien bis vor Kurzem als undenkbar. Jetzt aber wird es wohl Realität. Die vier Parteien haben sich verständigt, die finale Einigung stand bei Redaktionsschluss am Montag kurz bevor.
Man kann die Lage wie folgt zusammenfassen: Die SPD hätte dem Wunsch der CDU, eine Zusammenarbeit mit dem BSW zu suchen, nicht im Weg gestanden. Weil man die Frustration beim großen Koalitionspartner gering halten möchte. Weil man die Erzählung der AfD, die CDU mache entgegen dem klaren Wählervotum linke Politik, nicht befeuern möchte. Und weil man es schon als Zerreißprobe für die sächsische CDU verstehen darf, wenn man als Regierung nur dann handlungsfähig bleibt, wenn Stimmen nicht nur der Grünen hinzukommen, sondern auch von der Linken.
Das BSW hat sich offenbar verzockt
Tatsächlich saß Schwarz-Rot lange mit dem BSW am Verhandlungstisch. Es gab mehrere Angebote: mehr als 200 Millionen Euro sollten auf den Haushaltsentwurf des Finanzministers für Wünsche des BSW draufgepackt werden. Dafür hätte sich deren Fraktion enthalten. Für Ja-Stimmen wollte man aber mehr. Am Ende hätte es auf rund 250 Millionen hinauslaufen können – in etwa also jene Summe, über die man nun mit Grünen und Linken einig werden könnte. Sabine Zimmermann aber forderte mehr. Um genau zu sein: eine Milliarde Euro. Und das kann man in Anbetracht von Schuldenbremse und schwarz-roter Finanzpolitik durchaus eine forsche Forderung nennen. Sollte Zimmermann gehofft haben, dass die Regierung am Ende vielleicht die Hälfte abnickt, für Investitionen in Kommunen, Krankenhäuser und Pflege, wie es das BSW sich gewünscht hätte – dann jedenfalls hat sie ihr Ziel verfehlt. Man könnte auch das sagen, was die grüne Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert sagt: „Die haben sich verspekuliert – sie haben nichts erreicht für das Land.“
Zimmermann teilt nun in alle Richtung aus, sagt: „Die Grünen und die Linken haben sich von der Minderheitsregierung kaufen lassen.“ Die SPD wolle nur mit denen und habe sich mal wieder durchgesetzt. Zimmermann: „Ich hätte mir gewünscht, dass Kretschmer ein Machtwort spricht, dass er zeigt, dass er das Ergebnis der Landtagswahl im Herbst verstanden hat.“