
Die Albträume der Edmonton Oilers – und wie sollten sie keine haben nach der zweiten Finalserien-Niederlage nacheinander – dürften diese Szene beinhalten: Puck-Verlust, schneller Angriff der Florida Panthers, Tor. Das Verheerende für die Oilers ist, dass sie von dieser Szene Aufnahmen in zigfacher Ausführung haben, weil es in verschiedenen Varianten immer wieder passiert ist in den sechs Spielen der NHL-Finalserie, die die Panthers am Montag mit einem 5:1-Sieg beendeten. Die Oilers dürften schweißgebadet aufwachen, weil sie genau wissen, warum sie verloren haben – und von diesem Zeitpunkt an dürften sie nicht mehr einschlafen können.
Denn: Diesmal hat den Stanley Cup nicht die bessere Mannschaft gewonnen; die Serie war ein Duell auf Augenhöhe zweier grandioser Teams. In Zahlen: Drei Partien gingen in die Verlängerung, zwei davon gewann Edmonton. Ergebnis der anderen drei: 6:1, 5:2 und 5:1 für Florida. Die Panthers haben die Oilers vor allem abgezockt.

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Auf die Frage, ob diese Final-Pleite noch mehr schmerze als im Vorjahr, zuckte Draisaitl nur mit den Schultern. „Es tut immer weh. Ich weiß nicht…“, sagte Draisaitl: „Da gibt es nicht ‚mehr oder weniger‘. Es fühlt sich genauso an.“ Auf Seiten der Gegner durfte trotzdem ein Deutscher jubeln. Nico Sturm feierte seinen zweiten NHL-Triumph. Der Augsburger, in der Finalserie ohne Einsatz für Florida, hatte bereits 2022 mit der Colorado Avalanche den Stanley Cup gewonnen.
Symbolfigur für die Panthers-Mentalität ist Brad Marchand, 37 Jahre alt – von denen er die vergangenen fast 16 Jahre bei den Boston Bruins verbracht und 2011 den Stanley Cup gewonnen hatte. Er kam durch einen Tausch erst kurz vor den Playoffs zu den Panthers und Marchand ist ein Spieler, für den Begriffe wie abgezockt und alle anderen Varianten erfunden worden sind; und zwar für die Spielweise und Gespräche mit Gegenspielern gleichermaßen.
In den Playoffs waren die Oilers noch das mit Abstand beste Team
Der frühere US-Präsident Barack Obama nannte ihn mal „Little Ball of Hate“ – was Marchand ziemlich cool fand. Andere Spitznamen: „Ratte“ und „Leg Sweeper“, weil er dauernd und nur selten auf erlaubte Weise versucht, die Balance der Gegner zu stören, physisch wie psychisch. So auch im Finale: Da hatte Oilers-Torwart Stuart Skinner, der ohnehin als wackelig bekannt ist, den Puck längst in seiner Fanghand – Marchand stocherte dennoch, und zwar so, dass er nur eine Ermahnung erhielt und keine Zeitstrafe. Er stocherte und stichelte, verbrachte aber nur zwei Minuten in der Strafbox in dieser Finalserie und schoss sechs Tore. Abgezockt.
Das war der Titelverteidiger bereits vorher. Sie haben Matthew Tkachuck – der Amerikaner war zu Jahresbeginn weltweit bekannt geworden, weil er beim Länderspiel gegen Kanada nach nur neun Sekunden eine Massenkeilerei angezettelt und die diplomatischen Verwerfungen zwischen der Trump-Regierung und dem Nachbarn im Norden aufs Eis übertragen hatte. Sie haben Sam Bennett, der im Viertelfinale Torontos Torwart Anthony Stolarz – mit dem er übrigens befreundet ist – mit einer wilden Aktion verletzte und darüber sagte: „Das ist Teil dieses Sports.“
Im Tor haben sie Sergej Bobrowski, einen 36 Jahre alten Russen, der auf Stochern und Sticheln nur deshalb nicht „Njet“ sagt, weil das zu viel Aufmerksamkeit für den Gegner wäre; er hielt lieber mal knapp 92 Prozent der Schüsse auf sein Tor. Und sie haben Sam Reinhart, einen Stürmer, der schon in der Finalserie der vergangenen Saison im entscheidenden siebten Spiel das sogenannte „Cup Winning Goal“ erzielt hatte, den Treffer zum Titel. Diesmal waren es vier Tore am Dienstagabend, darunter wieder das „Cup Winning Goal“. Florida presste aggressiv oder stocherte im Mitteldrittel immer mit dem Ziel, den Puck nach Eroberung sofort aufs Tor zu bringen und den gegnerischen Torwart so lange zu bearbeiten, bis er Pucks durchlässt. Klingt einfach, funktionierte aber; genau deshalb dürften die Oilers ja Albträume bekommen. „Die Lehre ist, dass wir nicht gewonnen haben. Das interessiert keinen. Niemanden interessiert das. Wir müssen es nächstes Jahr wieder versuchen“, sagte Draisaitl. Es gebe „kleine Dinge, die wir auf diesem Niveau lernen müssen, aber es ist gerade alles sehr frisch“.
Damit ist die Serie erklärt. Die Oilers waren das eindeutig beste Team der Playoffs, sie räumten starke Gegner wie die Vegas Golden Knights oder Dallas Stars einfach vom Eis, bis sie auf die Panthers trafen. Das freilich dürfte die Urteile über Edmonton verstärken: Mit Leon Draisaitl (jeweils vier Tore und Vorlagen in der Finalserie, 33 Playoff-Scorerpunkte) und Connor McDavid (ein Tor in der Finalserie) haben sie die beiden besten Angreifer der Welt unter Vertrag, sie zauberten Playoff-Eishockey – und rannten dann gegen eine Wand.
Das führt gleich zur Sommerpause, im US-Sport beginnt mit der Cup-Vergabe die neue Saison. Edmonton muss eine Entscheidung treffen: Der Vertrag von McDavid läuft noch ein Jahr, der Verein würde nur bei einem Tauschgeschäft davor etwas für ihn bekommen. McDavid könnte, so ihm der Sinn danach steht, den Wechsel zu einer Franchise fordern, bei der er die Chancen auf den Titel als größer sieht als in Edmonton. Nur: Die Oilers haben gerade zum zweiten Mal nacheinander die Finalserie erreicht und gelten Stand jetzt – auch bei den Buchmachern in Las Vegas ist nach der Saison vor der Saison – als Favorit. Sie müssen nicht besser werden, diese Oilers, nur: abgezockter.