
Auch das ist Teil des Spiels und vielleicht auch ein Stück vom Zauber des Regierens: gestern noch an einem Tisch mit den mächtigsten Männern und Frauen des Westens, heute in einer Runde unter anderem mit dem Bürgermeister von Bremen und der Landeschefin des Saarlandes. Von G7 in Kanada zur Bund-Länder-Runde in Berlin. Für Bundeskanzler Friedrich Merz heißt es also gerade: schnelles Umschalten vom ganz großen in einen sehr kleinen Gang.
Um viel ging es dabei gleichwohl nicht nur in Kananaskis, Kanada, sondern auch bei der Beratung am Mittwochnachmittag im Kanzleramt: darum nämlich, ob und wie Merz‘ Regierung die lahmende Wirtschaft wieder ans Laufen bekommt. Auch diese Erkenntnis gehört zum Regieren dazu: Bei näherem Hinsehen ist nun mal alles viel komplizierter, als man sich das gemeinhin so vorstellt.
Es ist Merz‘ erste Runde dieser Art überhaupt. Anders als viele seiner Amtsvorgänger hatte er zuvor kein Regierungsamt inne, weder im Bund noch in einem Land. Frisch zurück von der Weltbühne erwartet den Kanzler dabei ein recht profaner Streit ums Geld. Union und SPD haben sich Anfang des Monats auf eine erste Runde Entlastungen geeinigt; kommende Woche soll die Reform in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag. Das Herzstück der Reform bisher: Unternehmen sollen mehr investieren und dafür mehr Steuern sparen können, und später soll schrittweise die Körperschaftssteuer sinken.
„Incentives“ wolle man schaffen, so rutscht es dem Weltreisenden Merz im Anschluss an die Beratungen vor den Kameras kurz raus. Also „Anreize“. Das Geld für diese Anreize fehlt dann aber erst mal dem Staat auf der Einnahmeseite. Vor allem die Länder verweisen deshalb auf ihre angespannten Haushalte.
Top-down läuft hier nichts
Entsprechend ist dort einiges an Unmut zu vernehmen. Vor allem von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) fühlt man sich bisweilen nicht ernst genommen: Statt einer Kompensation der Mindereinnahmen der Länder habe dessen Haus lediglich neues Geld für Förderprogramme für die Kommunen versprochen, heißt es. Das reicht den Ländern nicht.
Top-down läuft im Föderalstaat jedenfalls nichts. Wenn Merz die Wirtschaftswende will, muss er 16-mal Überzeugungsarbeit leisten. Der Weg zum Wahlversprechen jedenfalls, der Wirtschaftswende, ist noch weit. Und er führt vermutlich wieder über einen Basar, ein kleinteiliges Deal-Making zwischen Bund und Ländern.
Denn auf eine einheitliche, gemeinsame Lösung konnte man sich auch nach vier Stunden in der Regierungszentrale nicht einigen. Als Kanzler Friedrich Merz, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Niedersachsens Regierungschef Olaf Lies nach den Beratungen vor die Presse treten, loben sie immerhin unisono das Klima der Gespräche. Es gebe „Verteilungskonflikte zwischen Bund, Ländern und Kommunen“, erkennt der Kanzler an. Das sei aber ein Stück weit normal. Merz beteuert: Man strebe ein gutes Miteinander an. Die Kommunen dürften nicht weiter belastet werden. Die Gemeinden bräuchten einen Ausgleich – worin dieser bestehen wird, darüber soll eine „kleine Arbeitsgruppe“ über das Wochenende beraten.
Einstweilen muss weiter gefeilscht werden
Beide Seiten, Bund wie Länder, betonen zudem ihre Absicht, das aktuelle Entlastungspaket auch möglichst schnell durch den Bundesrat zu bekommen. Am besten schon am 11. Juli, zur letzten Sitzung vor der Sommerpause. Auf der Grundlage ihrer jetzigen Vor-Einigung ist immerhin unwahrscheinlicher, dass es zu einem langwierigen Vermittlungsausschuss kommt. Denn dieses Schlichtungsgremium wollen alle Beteiligten gerne vermeiden. Nicht nur, weil man sich für die Feriensaison Schöneres vorstellen könnte – schlechte Laune sei keine gute Voraussetzung für gute Ergebnisse, heißt es dazu lakonisch aus einem CDU-Land – sondern auch, um endlich aus dem Ampelmodus rauszukommen. Und den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen: Die reden nicht nur, die machen auch.
Trotz allem: Eigentlich schwebte den Ländern mehr vor. Gerne hätte man sich mit dem Bund auf einen verlässlichen Mechanismus geeinigt, wie man in Zukunft das Feilschen vor den Bund-Länder-Runden vermeiden könnte. Indem etwa ein gemeinsames Gremium direkt errechnet, wie viel eine Reform die Länder kostet – was dann quasi automatisch durch einen mehr oder weniger festen Kompensationsschlüssel ausgeglichen wird. Diskutiert wird insoweit etwa, die Länder im Gegenzug für entstandene Kosten stärker an den Mehrwertsteuereinnahmen zu beteiligen.
Eine entsprechende Einigung lässt allerdings noch auf sich warten. Aus Länderkreisen ist zu hören: Spätestens bis zum Herbst wünscht man sich einen solchen grundlegenden Mechanismus.