Rheinmetall und die Suche nach E-Fuels für das Militär

Fliegen mit Alternativen zum herkömmlichen Kerosin, um Emissionen zu verringern – das treibt Luftfahrt und Klimaschützer schon länger um. Doch auch für die Landesverteidigung erlangen synthetische Kraftstoffe mehr Bedeutung: Es geht um E-Fuels aus Wasserstoff und CO₂. Der Rüstungskonzern Rheinmetall und der junge Hersteller synthetischer Kraftstoffe Ineratec aus Karlsruhe schlossen am Montag eine strategische Partnerschaft, um die Versorgung mit E-Fuels für die Verteidigung und die kritische Infrastruktur voranzutreiben und dezentrale Produktionsanlagen für je 5000 bis 7000 Tonnen sogenannten Power-to-Liquid-Kraftstoffs aufzubauen.

Hauptmotiv für den Pakt ist nicht ein verbesserter Klimaschutz, indem Panzer CO₂-neutrale Kraftstoffe tanken. Vielmehr erklärt Ineratec, dass moderne Verteidigungsstrategien auch von der Energieversorgung abhingen: „Da die Lieferketten für fossile Brennstoffe im Falle von Konflikten zunehmend anfällig werden, ist die Fähigkeit, vor Ort CO₂-neutrale synthetische Kraftstoffe herzustellen, von entscheidender Bedeutung.“

Bislang sind Diesel und Kerosin aus fossilen Quellen für Militärs unverzichtbar. Im Kriegsfall sind große Mengen nötig. Der Kraftstoffbedarf je Soldat liege zwischen 20 und 60 Litern am Tag, heißt es von Rheinmetall. Das Beschaffen von Nachschub sei nicht ungefährlich. Im Afghanistan-Einsatz seien 60 Prozent aller Verwundeten und Gefallenen der NATO-Partner aus dem Bereich der Logistik gekommen, mit einem Schwerpunkt in der Kraftstofflogistik.

Verteidigungssektor soll E-Fuel-Markt antreiben

Am Montag schlug die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) Alarm, Europa drohe wegen schleppender Investitionen seine Vorreiterrolle bei alternativen Flugkraftstoffen zu verlieren. „Trotz ihrer enormen Finanzkraft sind die großen Ölkonzerne auf dem E-Kerosin-Markt weitgehend abwesend“, sagt Marte van der Graaf von T&E. Start-ups hätten die Führung übernommen, denen fehlten aber Ressourcen, um die kapitalintensive Infrastruktur zu finanzieren. Ineratec setzt nun auch auf den Pakt mit Rheinmetall. Der beweise, „dass Energieunabhängigkeit und Dekarbonisierung Hand in Hand gehen“, sagte Backhaus von Ineratec.

Rheinmetall beschäftigt sich schon länger mit Wasserstoff als Energiequelle. Der Dax-Konzern aus Düsseldorf entwickelt etwa Brennstoffzellensysteme und Elektroden für Elektrolyseure und arbeitet an Wasserstoffspeichersystemen. Rheinmetall will perspektivisch ein großes Kraftstoffnetzwerk aufbauen, um die Versorgung der Streitkräfte abzusichern: Giga-PtX heißt die Vision für einen Verbund mit mehreren Hundert dezentralen Anlagen für synthetischen Kraftstoff. Die Partnerschaft mit Ineratec ist ein erster Schritt.

Dezentrale Anlagen sollen ein Vorteil sein

Die Idee dabei ist, dass Anlagen nah an den militärischen Verbänden oder den Pipelines installiert werden, die sie mit Energie versorgen. „Mehrere Tausend Tonnen Kraftstoff“ sollen perspektivisch vor Ort synthetisiert werden, mit erneuerbaren Energien. Das benötigte CO₂ könnte etwa aus Kraftwerken oder Zementwerken kommen. Durch die Verteilung auf viele Orte sollen die Anlagen schwerer anzugreifen sein.

„Es geht nicht nur um Energiesicherheit, sondern um die Fähigkeit, unabhängig zu handeln – in der Logistik, im Einsatz und in Krisenzeiten“, sagte Shena Britzen, die für Rheinmetall das Wasserstoffprogramm leitet. „E-Fuels sind mehr als eine technologische Lösung – sie sind eine strategische Notwendigkeit.“ Mit Giga PtX schaffe man ein skalierbares Netzwerk, das die Energieautonomie europäischer Streitkräfte stärke.

Die Stärkung der Lieferketten gerade mit Blick auf die gestiegene Bedrohungslage in Europa durch Russland dürfte der wichtigste Aspekt des neuen Paktes sein – zumal auf Streitkräfte ein kleinerer Teil der globalen Emissionen entfällt. Die britischen Nichtregierungsorganisationen Scientists for Global Responsibility (SGR) und The Conflict and Environment Observatory (CEOBS) schätzten ihn für 2022 auf etwa 5,5 Prozent.

In Deutschland ist die Bundeswehr in den nationalen Klimapfad bis 2045 einbezogen, auch Militärs müssen sich Gedanken über Dekarbonisierung machen. Batterien gelten jedoch bei schweren Fahrzeugen noch höchstens als Zusatzenergiequelle. Rüstungskonzerne in aller Welt arbeiten dennoch an E-Antrieben, sie ermöglichen es, sich dem Feind lautlos zu nähern. Die Niederlande testen in einer Machbarkeitsstudie, ob Fahrzeuge wie der Truppentransporter Bushmaster mit einer Hybridlösung ausgestattet werden könnten.

Auch der Motorenhersteller Deutz will mit Rüstung wachsen. Das Unternehmen hat unlängst einen niederländischen Elektromotorhersteller übernommen. „Deutz hat auch in der jüngeren Vergangenheit und bis heute auf kleinerer Basis Motoren für militärische Anwendungen geliefert, allerdings wurde der Markt nicht systematisch erschlossen und bearbeitet“, sagte Deutz-Vorstandschef Sebastian Schulte kürzlich der F.A.Z. Nun winken in der Rüstung Chancen – wenngleich zunächst in kleinerem Umfang. Rheinmetall hingegen wächst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine enorm, erzielt starke Gewinnsteigerungen und ist an der Börse inzwischen fast 85 Milliarden Euro wert.