Julian Nagelsmann moniert Regelverstoß von Schiedsrichter

Als Jamal Musialas Schuss im EM-Viertelfinale vor knapp einem Jahr nicht weiter als bis zum Arm des Spaniers Marc Cucurella kam, schaute sich Schiedsrichter Anthony Taylor diese Szene nicht noch einmal auf dem Bildschirm am Spielfeldrand an. Damals kritisierten die Deutschen, dass dies wohl das Mindeste hätte sein sollen, gerade in solch einem wichtigen Spielmoment. Als am Sonntag am gleichen Ort im Stuttgarter Stadion Taylors Schiedsrichterkollege Ivan Kružliak den anderen Weg wählte – und zum Bildschirm lief –, war es vor allem Julian Nagelsmann auch nicht recht.

Was war passiert? In der 53. Minute des Spiels um Platz drei der Fußball-Nations-League hatte der französische Torwart Maik Mike Maignan Mitspieler Adrien Rabiot angespielt. Der geriet aber gleich unter Druck von Niclas Füllkrug, der sich Rabiot in den Weg stellte. Der Franzose fiel zu Boden, den freien Ball schnappte sich Deniz Undav. Frei vor Maignan ließ er sich die Chance nicht entgehen, verlud den Torwart und traf zum vermeintlichen 1:1 in seinem Heimstadion in Stuttgart. Undav rannte jubelnd vor die Fankurve, die Kollegen gratulierten zum Treffer.

Doch die Franzosen monierten sogleich ein Foul von Füllkrug an Rabiot, das der Unparteiische zunächst nicht gepfiffen hatte. Seine abwehrenden Gesten gegenüber den Protestierenden in Blau zeigten, dass er eine reguläre Zweikampfführung gesehen hatte. Über Funk aber stand der Slowake in Kontakt mit seinem Video Assistant Referee, Michael Fabbri aus Italien. Der schaute sich die Szene, zusammen mit seinem Assistenten und Landsmann Luca Pairetto noch einmal an. Rabiot blieb so lange sicherheitshalber mit angedeuteten Schmerzen am Boden liegen.

Nach Rücksprache mit Fabbri entschied sich Kružliak, die Szene selbst am Bildschirm zu sehen. Was er dort erkannte: Der 1,89 Meter große Füllkrug geht mit vollem Körpereinsatz in das Duell mit dem noch zwei Zentimeter größeren Rabiot. Der Deutsche trifft den Franzosen mit dem Arm an der Seite, der Franzose wiederum trifft den Deutschen fast gleichzeitig mit dem Ellbogen im Gesicht. Rabiot fällt, Füllkrug auch. Und Kružliak entschied nach einigen Zeitlupen doch noch auf Foulspiel. Er nahm das Tor zurück. Es blieb beim 0:1, später gewann Frankreich mit 0:2.

DSGVO Platzhalter

Vor allem den Bundestrainer ärgerte die Entscheidung und sah dabei sogar einen „Regelverstoß vom Schiedsrichter. Er steht zwei Meter daneben und beurteilt die Szene erst als kein Foul. Dann geht er raus und guckt sechs Minuten Video. Das ist Themaverfehlung“, sagte Nagelsmann beim Streaminganbieter DAZN, gab aber zu, dass er durchaus verstehen könne, dass er Freistoß gibt. Aber eben nicht auf diesem Weg. „Das ist nicht der Sinn des VAR. Er (Kružliak/ d. Red.) steht 2,30 Meter weg von der Situation, er hat einen super Blick. Das ist keine klare Fehlentscheidung.“

Füllkrug wollte sich nicht festlegen, welche Entscheidung richtig gewesen wäre. Eine „extreme Fehlentscheidung“ sah aber auch er nicht. Vielmehr verwies er auf den eigenen Schaden, den er im Duell mit Rabiot davongetragen hatte: „Ich finde, wir gehen eigentlich gleichzeitig zum Ball im ersten Moment. Ich kriege danach seinen Ellenbogen volles Brett ins Gesicht. Also man könnte auch Gelb für ihn geben.“ Kružliak entschied anders, was Füllkrug als sehr „schade“ empfand, weil so ein „ganz, ganz wichtiges Tor“ nicht anerkannt worden war.

Schon in der ersten Halbzeit war der Schiedsrichter zum Bildschirm gelaufen, auch dabei war die endgültige Entscheidung abweichend von seiner ursprünglichen auf dem Bildschirm, und auch sie fiel zu Ungunsten der Deutschen aus. In der 31. Minute hatte Pascal Groß einen langen Pass auf Karim Adeyemi geschlagen. Der rannte nach einer nicht ganz optimalen Ballannahme auf Torwart Maignan zu, verfolgt nur noch von Lucas Hernández. Als der ihn fast erreicht hatte, legte Adeyemi den Ball an Maignan vorbei und kam zu Fall. Kružliak pfiff Elfmeter.

Auf Hinweis von VAR Fabbri schaute er sich die Szene noch einmal aus verschiedenen Perspektiven an. Zu sehen ist, wie der hinterherlaufende Hernández versucht, Adeyemi mit dem rechten Arm einen Stoß zu geben, damit dieser aus dem Gleichgewicht gerät. Als auch Maignan, am Boden rutschend, dazukommt, haben die Füße des Deutschen den Rasenkontakt verloren. Kružliak sieht kein Foul, sondern vielmehr einen Täuschungsversuch von Adeyemi. Der Referee nimmt den Elfmeter zurück – und gibt dem deutschen Stürmer die Gelbe Karte wegen einer Schwalbe.