Jahres-Pressekonferenz in Berlin : NADA in der Kritik: Vier weitere Namen deutscher Doper öffentlich

Stand: 03.06.2025 16:02 Uhr

Kaum eine Organisation geht bei der Veröffentlichung von Doper-Namen zögerlicher vor als die deutsche NADA. Das ruft vermehrt Kritik hervor – während weiter vereinzelt Dopingsünder aus vergangenen Jahren auffliegen.

Von Jörg Winterfeldt und Nick Butler

Die Nationale Anti-Doping-Agentur hatte für diesen Dienstag zur Präsentation ihrer Jahresbilanz 2024 in die Berliner Bundespressekonferenz geladen. Was normalerweise als reine Routineveranstaltung mit der Darstellung einer Menge Zahlen zu Dopingkontrollen und Finanzen über die Bühne geht, ging den NADA-Chefs dieses Jahr sichtlich schwerer von der Hand.

„In den letzten beiden Wochen ging es hoch her“, sagte der NADA-Vorsitzende Lars Mortsiefer, „es ist schon für uns überraschend gewesen, dass ein Thema, das wir ja über die letzten fünf, zehn, möglicherweise sogar 15 Jahre immer mal wieder in unterschiedliche Gremien präsentiert haben, nochmal so einen Drive nimmt.“

Bevor Mortsiefer ausführlich auf den in den vergangenen Tagen nach ARD-Recherchen kontrovers diskutierten Konflikt mit deutschen Datenschützern einging, trug er die üblichen Standards vor: 2024 nahm die NADA in 12.100 Dopingkontrollen 16.386 Proben, 5.096 während Wettkämpfen und 10.408 in sogenannten Trainingskontrollen. 93 davon wiesen auffällige Werte auf, die allerdings auch durch sogenannte medizinische Ausnahmegenehmigungen oder ähnliches erklärbar sein können. Letztlich sanktionierte die NADA im vergangenen Jahr bisher 20 Athleten wegen Vergehen nach dem Anti-Doping-Kodex, zwölf Verfahren laufen noch – nichts Außergewöhnliches im Vergleich zu den vergangenen Jahren.

Übeltäter-Übersicht unter Verschluss

Das Problem: Gegen wen genau Maßnahmen verhängt wurden, wird nur in Ausnahmefällen und nicht durch die NADA bekannt. Die für die NADA zuständige Datenschützerin hatte wegen einer Beschwerde eines Sportlers im Frühjahr 2020 Bedenken gegen die vorherige Praxis angemeldet. Diese sah vor, die Namen sanktionierter Athleten und sogar kompletter anonymisierter Sportgerichtsentscheidungen zu veröffentlichen. Dafür, betonte die Behörde, fehle die Rechtsgrundlage.

In der Folge hielt die NADA die Übeltäter-Übersicht unter Verschluss und publizierte nur noch anonymisierte Zahlen. Im Ergebnis kommen oft nur zufällig und stückweise neue Namen sanktionierter Athleten an die Öffentlichkeit – oder wie nun nach ARD-Recherchen: die der Volleyballer Ivan Batanov und Emma Cyris, des Eiskunstläufers Thomas Stoll und der Leichtathletin Paula Schneiders.

Vorvergangene Woche hatte die ARD-Dopingredaktion exklusiv über das Ausmaß der Auswirkungen der Veröffentlichungspolitik der NADA berichtet. Daraufhin hatte die NADA eingeräumt, dass seit der Einstellung der NADA-Datenbank, also seit dem Frühjahr 2020 bis heute, 99 Fälle nicht mehr systematisch online auf der Website der NADA veröffentlicht wurden. Nur in 23 Fällen davon war die Sanktionierung des Athleten anderweitig an die Öffentlichkeit gekommen, so dass die NADA die Fälle auch publizierte oder kommentierte. Die Namen von 76 wegen Dopingvergehen sanktionierter Athleten sind weiterhin unbekannt – genauso, ob darunter auch Olympiasieger oder Weltmeister fallen. Aufgeflogen war die gängige NADA-Praxis über den Dopingfall des Kanu-Weltmeisters Martin Hiller.

„Die Situation in Deutschland ist enttäuschend“

Klar ist, dass kaum eine andere Anti-Doping-Organisation ihrer Publikationspflicht so zurückhaltend nachkommt wie die deutsche NADA. Die Welt-Anti-Doping-Agentur weist darauf hin, dass der Welt-Anti-Doping-Kodex keine Bestrafung von Anti-Doping-Organisationen vorsieht, wenn die gegen die Publikationspflichten des Kodex verstoßen, weil das eine nationale Rechtslage gebietet.

Gleichwohl teilte ein WADA-Sprecher der ARD mit: „Die Situation in Deutschland ist enttäuschend, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der europäischen NADOs die im Kodex festgelegten Offenlegungspflichten trotz der Geltung der Datenschutzgrundverordnung einhält.“ Die NADA gehöre zu einer nur „sehr kleinen Gruppe europäischer NADOs (neben den Niederlanden und Norwegen)“, die sich aus Datenschutzgründen dafür entschieden hätten, Anti-Doping-Sanktionen nicht namentlich zu veröffentlichen.

Andere veröffentlichen problemlos

Tatsächlich veröffentlicht sogar das österreichische NADA-Pendant auf seiner Webseite die Namen sanktionierter Athleten, obwohl ein Datenschutz-Verfahren aus Österreich zu der Problematik der Veröffentlichung der Namen sanktionierter Athleten beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist. Experten rechnen mit einer Entscheidung nicht vor Mai 2026.

„Die Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung findet sich im Anti-Doping-Bundesgesetz“, sagt der NADA-Austria-Chef Michael Cepic der ARD-Dopingredaktion, „und es gibt keine richterliche Entscheidung, die besagt, dass die Veröffentlichung durch uns rechtswidrig ist.“

Selbst das Internationale Paralympische Komitee, das seinen Sitz – wie die deutsche NADA – in Bonn hat, führt auf seiner Internetseite eine Liste sanktionierter Athleten. Allerdings ist die Geheimhaltung durch die NADA nicht immer endgültig. So gab etwa der Volleyballspieler Ivan Batanov, der als Sohn eines Russen und einer Chinesin in Deutschland Jugendteams durchlief und unter anderem beim VC Olympia Berlin spielte, seine Sperre selbst im Januar 2024 auf Instagram bekannt.

Plötzliche Karriereenden ohne Hinweis auf Sperre

Er sei für Kontrolleure bei drei geplanten Tests nicht zu erreichen gewesen. Das stellen die Regeln genauso unter Strafe wie positive Tests. Denn es ist bekannt, dass es Athleten gibt, die dopen und, solange die Substanzen womöglich noch nachweisbar sind, Kontrollen aus dem Weg gehen. Das hat die ARD-Dopingredaktion in der Dokumentation „Geheimsache Doping: Schmutzige Spiele“ gezeigt.

Ein zu Batanov ähnlicher Fall aus dem deutschen Volleyball findet sich auf der Website des Internationalen Volleyball-Verbandes. Die frühere VC-Olympia-Außenangreiferin Emma Cyris wird dort unter den sanktionierten Profis aufgeführt. Sie galt als großes Talent auf ihrer Position und erstaunte die Fachwelt mit ihrem plötzlichen Karriereende im Sommer 2021. Am Rande des Trainingsauftakts gab ihr Verein, der Dresdner SC, laut dem Online-Medium „sportbuzzer“ bekannt, ihr bis 2022 laufender Vertrag sei „in beiderseitigem Einvernehmen vorzeitig aufgelöst“ worden.

Die Spielerin wurde zitiert, sie wolle ihren Fokus mehr auf ihre Ausbildung legen. Aus einer Sanktionsübersicht des Volleyball-Weltverbandes FIVB hingegen geht hervor, dass Cyris entweder absichtlich oder fahrlässig eine Dopingkontrolle im Mai nicht vornehmen lassen habe und deswegen für drei Jahre bis Ende September 2024 gesperrt gewesen sei.

Eiskunstläufer Stoll gleich zweimal positiv

Mit der gleichen Begründung ist die Mittelstreckenläuferin Paula Schneiders auch suspendiert, für drei Jahre seit dem 21. Dezember 2022 . Das geht aus der Sanktionen-Übersicht der Integritätseinheit AIU des Welt-Leichtathletik-Verbandes hervor. Die Mönchengladbacherin berichtete seinerzeit der örtlichen „Rheinischen Post“ von ihrem frühen Karriereende mit 22 Jahren. Dabei war nur von Verletzungs- und Motivationsproblemen die Rede.

Und der Welt-Eislauf-Verband ISU listet neben der prominenten vorübergehenden Olympiasiegerin Kamila Walijewa unter den wegen Dopings sanktionierten Athleten auch den Berliner Eiskunstläufer Thomas Stoll, 2017 in Taipeh immerhin Teilnehmer an der Junioren-WM. Seine Vier-Jahres-Sperre läuft Ende dieses Jahres aus. Stoll war binnen weniger Wochen Ende 2021 gleich zwei Mal positiv auf das anabole Steroid Drostanolon getestet und vier Jahre gesperrt worden.

Beim Termin in Berlin sagte NADA-Vorstandschef Mortsiefer, dass er jetzt beobachte, wie endlich Bewegung in die Problematik komme. „Wir müssen schauen“, sagte er der ARD, „ob tatsächlich ein weitergehendes Interesse jetzt statuiert werden muss, auch alle Namen entsprechend zu veröffentlichen.“