
NFL in München: Gänsehaut pur
Und plötzlich befand sich an diesem 13. November 2022 die Münchner Allianz Arena im 7.057 Kilometer entfernten West Virginia.
Die 69.800 Zuschauer beim ersten regulären NFL-Spiel in Deutschland zwischen den Tampa Bay Buccaneers um Quarterback-Legende Tom Brady und den Seattle Seahawks hatten den John-Denver-Klassiker „Take Me Home, Country Roads“, seit 2014 eine von vier offiziellen Hymen West Virginias, in derartig inbrünstiger und ohrenbetäubender Dauerschleife vorgetragen, dass selbst Brady, der in seiner Karriere wirklich alles erlebt hat, staunend und kopfschüttelnd ins Oval der Arena blickte. Gänsehaut pur.

© Sven Hoppe/dpa
von Sven Hoppe/dpa
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Der Fußball-Tempel mit Ehrengast Ministerpräsident Markus Selfie-Söder war zum Football-Tempel mutiert, eine NFL-Party voller Lebensfreude bar jeder Gewalt, Aggression und Beleidigungen, die im Fußball oft zur schlechten Schule gehören.
Da zeigte sich das schöne Gesicht Amerikas, das in diesen Tagen, Monaten und wohl noch fast vier Jahren unter Präsident Trump, dem Spalter der Nation, sein hässliches Antlitz nicht verbergen kann, nicht verbergen will.
Matthias Kerber
Und dann kam Lewandowski!
Die Blicke von damals blinken noch heute vor meinem geistigen Auge. Sie drückten eine Frage aus, die eigentlich gar keine Frage war, sondern ein ungläubiger Ruf: „Was passiert hier!?“
Es war der 22. September 2015 und ich, gerade 25, bei einem meiner ersten beruflichen Spiele in der Allianz Arena, Bayern gegen Wolfsburg. Zur Halbzeit stand es 0:1, dann kam Robert Lewandowski. Und na ja, wie gesagt: Dann kam Robert Lewandowski! Er machte fünf Tore. In neun Minuten. Nie zuvor und danach habe ich wohl miterlebt, wie sich die Wucht von Momenten in einem Stadion derart selbst potenziert, mehr und mehr und noch mehr – zumal die Tore auch immer schöner wurden, das fünfte war ein Seitfallzieher.

© Angelika Warmuth/dpa
von Angelika Warmuth/dpa
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Die Bayern-Fans zelebrierten perplexe Ekstase, und auf der Pressetribüne schauten sich alle, ob Novize oder Routinier, irgendwann nur baff an. Weil wir natürlich merkten, gerade Zeuge einer großen Geschichtenschreibung zu werden. Und weil es (für Novizen, vielleicht sogar für Routiniers) schwer war, die richtigen Worte in die Tastatur zu hämmern, um die Geschehnisse würdig abzubilden. Zu erklären waren sie ja nicht.
Johannes Mittermeier
Surreal: Das erste Corona-Spiel
Wie oft ich in diesen 20 Jahren Fußball in der Fröttmaning Gänsehaut hatte? Ach, unzählige Male. Bin mittlerweile wahrscheinlich zu einer Weihnachtsgans mutiert.
Von der Eröffnung anno 2005 über das Beben nach dem Thomas-Müller-Tor im Champions-League-Finale dahoam 2012 gegen Chelsea (wunderschön und doch fruchtlos) bis hin zum Thomas-Müller-Witz (wundersam, furchtlos erzählt) bei seinem so emotionalen Abschied kürzlich.
Am 23. Mai 2020 war alles anders. Keine Gänsehaut, stattdessen Stoffmaske. Die Corona-Pandemie stoppte Teile des Lebens, die Bundesliga machte weiter. Im Notstrom-Modus, ohne Fans. Es fehlte die Suppe, nicht das Salz.
Lediglich 321 Menschen waren im Konzept der DFL Task Force vorgesehen. Für alle Beteiligten wie für mich bedeutete das 5:2 der Bayern gegen Eintracht Frankfurt das erste Geisterheimspiel. Ein Erlebnis der anderen Art, irgendwo zwischen absurd und surreal. Beklemmend, nüchtern, steril und doch auch schaurig-schön. Besser als nichts. Das Überlebens-Konzept der Liga machte den Spielbetrieb möglich.
Pandemien kennen keinen Glamour. Es lebe das Leben.
Patrick Strasser
Robbéry und ihr Traumabschied
Am 18. Mai 2019 müssen Franck Ribéry und Arjen Robben schon beim Aufwärmen weinen – und der AZ-Reporter auf der Tribüne fast gleich mit. Es ist das Finale dieser furiosen Flügelzange nach zehn gemeinsamen Jahren beim FC Bayern, Robbérys letztes Spiel in der Arena. Und es geht noch richtig um was: um die Meisterschaft.

© Matthias Balk/dpa
von Matthias Balk/dpa
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Bayern braucht einen Punkt gegen Eintracht Frankfurt im Fernduell mit Dortmund, um sicher die Schale zu holen. Und es braucht noch einmal Ribéry und Robben in Glanzform. Ribéry kommt nach 61 Minuten rein und trifft wenig später zum 4:1. Robben kommt in der 67. Minute und – na klar – trifft wenig später zum 5:1.
Jubel und Tränen bei beiden, die Fans verneigen sich ein letztes Mal vor diesen Ausnahmespielern, die der Arena so viele spektakuläre Momente geschenkt haben wie ganz wenige andere. Es ist ein Traumabschied, Erinnerungen kommen hoch. Ans erste gemeinsame Robbéry-Spiel 2009, an den Weg ins Champions-League-Finale 2010, das Finale dahoam 2012, die Krönung 2013 mit dem großartigen Weg nach Wembley samt 4:0 gegen Barca. Ribéry und Robben gehen als Legenden.
Maximilian Koch
Schiri-Faust als 1860-Weckruf
Es war der 2. Juni 2015, Relegations-Rückspiel des TSV 1860 gegen Holstein Kiel: Jeder Löwen-Fan hat diesen Moment im Kopf, als Kai Bülow den Ball in der 91. Minute ins Tor schiebt. 2:1, Sechzig bleibt zweitklassig, Bülow krönt sich zum Retter. Legendär!
Doch damals war ein anderer, einzigartiger Moment zu sehen und zu spüren, wie ich ihn kein zweites Mal erlebt habe: Es lief die 77. Minute, 1860 lag mit 0:1 hinten. Löwen-Kapitän Christopher Schindler stemmte sich mit allem, was er hatte, gegen die drohende Pleite, den drohenden Abstieg. Und zwar nicht (nur) gegen den Gegner, sondern auch gegen den Schiri!
Schindler stand Kopf an Kopf mit Knut Kircher. Es gestikulierte, forderte einen Strafstoß. Kircher drängte Schindler zurück, ballte vor des Löwen Brust eine Faust. Der ganze blaue Frust, die Wut, aber auch der unbändige Wille, sich nicht kampflos zu ergeben. All das in dieser einen Szene. Wertvoller als eine Kiste.
Es kam, was kommen musste: Ein Ruck ging durch die Arena, wenig später traf Daniel Adlung zum 1:1 (78.) – Vorarbeit Schindler. Kurz zuvor war 1860 mausetot. Bis zu diesem Moment, der die lähmende Abstiegsangst verbannte. Und dann kam Bülow. .
Matthias Eicher
Als der Stern des Yamal aufging
Die Pyro-Show vor Anpfiff sollte andeuten, welch Sternstunde ich an jenem Sommerabend erleben sollte. Ein EM-Halbfinale, das locker auch das Endspiel hätte sein können. Frankreich gegen Spanien.
Superstar Kylian Mbappé, dessen gebrochene Nase die Équipe Tricolore während des Turniers in Atem hielt, sollte unser Nachbarland nach Berlin schießen. Und ein bisserl Revanche für das Cucurella-Handspiel gegen die Nagelsmänner nehmen.
Am Ende verließ er die Arena mit einer 1:2-Pleite und gesenkter Miene. Ein 16-Jähriger hatte ihm die Show gestohlen: Lamine Yamal. Schon in der Gruppenphase hatte er sich den Titel „Wunderkind“ erspielt.
Aber wie abgezockt dieses Juwel aus Barcelona wirklich ist, wussten die Fußballwelt und ich erst danach. Ein Kollege hatte sich vor der Partie extra ein Bierchen auf die Pressetribüne geholt. Und am liebsten hätte er es in der 21. Minute vor Freude dem Vordermann übergekippt. Und nein, er war nicht für Spanien. Selbst der französische Reporter neben mir klatschte.

© Tom Weller/dpa
von Tom Weller/dpa
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Ein Schuss wie ein Gemälde. Wow! Wir waren uns einig: Der Stern des jungen Lamine war in diesem Moment endgültig aufgegangen.
Kilian Kreitmair