Sergio Pérez gestern gefeuert, heute bei Cadillac begehrt

„Holt Checo, holt Checoo!“, skandierten rund fünfzig Fans, die sich am späten Samstagabend in Miami Beach versammelten. Die Anhänger des mexikanischen Rennfahrers Sergio Pérez, den sie Checo rufen, zogen in die Washington Avenue und postierten sich vor einem japanischen Nobelrestaurant, in dem sich das auf 375 Dollar (334 Euro) taxierte Kobe-Steak mit einem Gläschen Romanée-Conti für 13.000 Dollar (11.500 Euro) runterspülen lässt. Stößchen! Doch während die geladenen Gäste des künftigen Formel-1-Teams Cadillac mehr oder weniger tief in ihre Gläser schauten, schauten die Pérez-Fans („Checooo!“) in die Röhre.

Weder tauchte der von Red Bull Racing kürzlich vor die Tür gesetzte Pérez auf, noch gab Cadillac seine laut „Bild“-Zeitung längst ausgemachte Verpflichtung bekannt. Eigentlich hatte Cadillac die Szene reingelegt. Die versprochene große Ankündigung entpuppte sich als zweiminütiger Social-Media-Clip. Zu fetziger Musik kündigte Cadillac darin eine „neue Ära“ an, weil die Amerikaner von 2026 an als elftes Team in der Formel 1 kreisen; und dabei laut Filmchen „kühn“, „innovativ“ und „kompromisslos“ vorgehen wollen. Das künftige Werksteam von General Motors präsentierte sein Logo und gab den nächsten Hinweis darauf, dass die US-Boliden in Blau und Weiß über die Rennstrecken der Welt jagen werden, den traditionellen Motorsportfarben Amerikas. Schön! Aber wer soll drinsitzen im Cadillac, der zunächst, bis 2029, von Ferrari-Triebwerken beschleunigt wird, ehe GM einen eigenen Motor stellt?

Nix fix: Graeme Lowdon zur Fahrerfrage
Nix fix: Graeme Lowdon zur Fahrerfragepicture alliance / Hasan Bratic

„Es ist wirklich faszinierend“, sagte Teamchef Graeme Lowdon dem Fachportal „The Race“ vor dem Großen Preis von Miami an diesem Sonntag (22.00 Uhr MESZ im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky). „Jeden Tag“, sagte Lowdon und dementierte den „Bild“-Bericht über Pérez, „lese ich eine Geschichte, dass wir jemanden unter Vertrag genommen haben oder dass wir kurz davor sind, jemanden unter Vertrag zu nehmen oder dass jemand ganz oben auf der Liste steht oder was auch immer. Das gibt es nicht.“

Dass Cadillac Sergio Pérez gern verpflichten würde, gilt jedoch als ausgemacht. Sein Management soll zu weiteren Gesprächen nach Miami gekommen sein. Der Deal läge auf der Hand: Der Fünfunddreißigjährige brächte den reichen Erfahrungsschatz von 281 Grand-Prix-Starts ins Teamquartier nach Silverstone. Wertvolles Wissen, mit Geld kaum aufzuwiegen, besonders für Formel-1-Einsteiger. Aus dem gleichen Grund wählte Audi Nico Hülkenberg.

Apropos Geld: Angesichts von mehr als sechzig Millionen in den USA lebenden Hispanics erscheint Pérez auch mit Blick auf das Geschäft die naheliegende Wahl für Cadillac. Hinzu kommen 130 Millionen potentielle GM-Käufer in Mexiko. Der Mann aus Guadalajara brächte noch dazu etliche Sponsorenpesos mit. Der mexikanische Milliardär Carlos Slim, der mit Telekommunikation sein Geld verdient, ist sein größter Gönner.

Auch die Formel 1, von Amerikanern vermarktet, sähe Pérez gern wieder am Start. In der vergangenen Woche wurde der Vertrag des Großen Preises von Mexiko-Stadt bis ins Jahr 2028 verlängert. Der Grand-Prix-Veranstalter in Miami, dort machen Hispanics mehr als siebzig Prozent der Einwohner aus, gab am Freitag die XXL-Verlängerung mit dem Formel-1-Management um zehn Jahre bis einschließlich 2041 bekannt. Die etlichen Abreibungen, die Starpilot Max Verstappen Pérez bei Red Bull verpasste, scheinen vergessen. Der Mexikaner gilt als rehabilitiert, seit sein Nachfolger Liam Lawson wegen ungenügender Leistungen schon kurz nach dem Saisonstart degradiert wurde und sich auch Yuki Tsunoda mit gleichem Material als chancenlos erweist gegen den viermaligen Weltmeister.

Cadillac-Teamchef Lowdon, der in der Formel 1 für die Rennställe Virgin und Marussia arbeitete, kokettiert damit, dass sein Handy ständig bimmelte und etliche Piloten ihre Steuerkünste anböten. Einige Fahrer mit Grand-Prix-Erfahrung verloren kürzlich ihre Sitze. Allein in diesem Jahr stiegen fünf Neulinge auf in den elitären Kreisfahrerzirkel. Sie verdrängten Veteranen wie Pérez oder Valtteri Bottas, beide 35. Aber auch Piloten des Mittelbaus, wie den Chinesen Zhou Guanyu, den Sauber nicht mehr wollte.

Der 25 Jahre alte Sprössling reicher Geschäftsleute aus Shanghai fand eine Stelle als Testfahrer bei Ferrari, Cadillacs künftigem Motorenpartner. Folgte daraus ein Engagement bei den Amerikanern, so wäre es nicht ungewöhnlich. Wobei Zhou, der in zwei Saisons bei Sauber blass blieb, Cadillac kaum helfen würde. Zumal das Unternehmen in Miami noch einmal betonte, dass es gerne einen der Ihren am Steuer sähe: Die amerikanischen Fans wollten einen amerikanischen Fahrer, sagte der Brite Lowdon.

Der 25 Jahre alte Kalifornier Colton Herta aus der IndyCar-Serie galt lange als erster Anwärter. Doch mit Jak Crawford, 20, der in der Formel 2 kreist und dort bereits gewann, ist Konkurrenz erwachsen. Cadillac hält sich sämtliche Optionen offen. Lowdon erklärt seit Wochen, dass der Rennstall in erster Linie konkurrenzfähig sein wolle, ein amerikanischer Pass also nicht alles ist.

Einer, der auch gern in die Formel 1 zurück möchte, ist Mick Schumacher. Er tauchte in Miami überraschend im Fahrerlager auf, und schaute später sogar auf der Cadillac-Party vorbei. Und, vielleicht als kleiner Gruß, markierte er das Werbefilmchen bei Instagram mit: „Gefällt mir“.