Papst Franziskus: Der Abstand der Buchstaben auf seiner Grabplatte – Panorama

Gelegentlich ist die Wahrnehmung des Menschen eine recht unterschiedliche, weshalb es passieren kann, dass jemand unverhofft „Ja, siehst Du das denn nicht?“ ruft und man anschließend gar nicht weiß, was er oder sie damit meint. Im günstigsten Fall handelt es sich um Schmutzpartikel, die man bei der letzten Wohnungsreinigung mal wieder übersehen hat. Deutlich folgenreicher kann das Nichterkennen von roten Ampeln oder Warnhinweisen auf Verpackungen sein.

In Italien war es dieser Tage das Wochenmagazin L’Espresso, welches als Erstes, zumindest indirekt, „Ja, siehst Du da das denn nicht?“ schrie und schon in der Überschrift zu einem Artikel auf einen „incredibile errore grafico“ auf der Grabplatte von Papst Franziskus hinwies. In dem Artikel ging es dann um das sogenannte „Kerning“ des von einem namenlosen Steinmetz in ligurischem Marmor eingravierten Namens. Genauer gesagt: um den etwas unausbalancierten Abstand der Buchstaben im Namenszug „Franciscus“, in lateinischer Schreibweise: „Franciscvs“.

Da bei diesem wichtigen Thema auch internationale Medien nachzogen, darf vermutet werden, dass das zu Anfang geschilderte „Ja, siehst Du das denn nicht?“-Phänomen auch mit einer gewissen beruflichen Prägung zusammenhängt. Einem Geologen oder einem Gärtner wäre der zu große Zeichenabstand zwischen den Buchstaben R, A und N sowie C, V, S auf der päpstlichen Grabplatte vielleicht gar nicht aufgefallen. Einem nicht nur in den Schriftarten Times New Roman, Arial und Helvetica erfahrenen Journalisten dagegen entgeht das nicht. Und da bringt es jetzt auch nichts, wenn zum Beispiel die Kollegen von Il Giornale beschwichtigend darauf hinweisen, dass es sich hier eben nicht um einen „incredibile errore grafico“, also um einen Fehler, sondern lediglich um eine Form der „Unvollkommenheit“ handele. Die schrägen Linien des A und des V, so meint man dort, seien für das Gesamtbild des Namens „Franciscvs“ vom Steinmetz einfach nicht adäquat berücksichtigt worden.

Vielleicht war aber auch schlicht die Zeit zu knapp, zwischen Ostersegen und Einbettung in Santa Maria Maggiore. Obwohl: Bei Franziskus’ Vorgänger Pius X. musste es ja auch rasch gehen – und bei ihm hat es bei der Inschrift sogar noch für den Schriftzug „Sanft und von Herzen demütig“ gereicht. Sehr ordentlich austariert.

Papst Franziskus, davon ist auszugehen, dürfte an der aktuellen Debatte jedenfalls seine Freude gehabt haben. Zeit seines Lebens hatte er sich gerne mit Spaßmachern wie Roberto Benigni umgeben, mit Zirkusclowns und Komikern. Und zum Schluss hatte er für die Kinder des Herrn Vance sogar noch drei Schokoladeneier übrig. Kinder haben, ebenso wie Komiker, oft einen ganz anderen Blick aufs Leben. Einen erfrischenderen, wohltuenderen, bereichernderen. Einen, den man sich ruhig einmal auch selbst zu eigen machen sollte. Und dann fragt man einfach alle anderen: „Ja, siehst Du das denn nicht?“

Vom angesehenen Vatikan-Künstler Michelangelo Buonarroti ist übrigens bekannt, dass auch seine Werke nicht immer hundertprozentig austariert waren. Wer sich zum Beispiel, etwa zusammen mit einem Medizinstudenten, Michelangelos David in Florenz anschaut, der dürfte schon nach wenigen Minuten den Satz hören: „Dem fehlt an seinem rechten Schulterblatt doch ganz eindeutig der Infraspinatus-Muskel.“ Nun, das mag schon sein. Auf Michelangelos ehemaligem Grabmal in der römischen Basilika Santi XII Apostoli steht aber dennoch – und zwar völlig zu Recht: „Tanto nomini nullum par elogium“. Einem, der einen so großen Namen hat, wird keine Grabinschrift gerecht.